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Die Knackpunkte im DHBW-Streit zwischen Mosbach und Heilbronn

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Die dualen Hochschulen in Mosbach und Heilbronn stehen sich derzeit ziemlich unversöhnlich gegenüber. Beide Standorte sehen ihre weitere Entwicklung gefährdet. Was sind die Positionen?

Der DHBW-Standort Mosbach könnte ausbluten, wenn Heilbronn ähnliche Studiengänge anbietet − so die Sorge von Politikern aus dem Neckar-Odenwald-Kreis. Jetzt steht die Entscheidung an.
Foto: HSt-Archiv/privat
Der DHBW-Standort Mosbach könnte ausbluten, wenn Heilbronn ähnliche Studiengänge anbietet − so die Sorge von Politikern aus dem Neckar-Odenwald-Kreis. Jetzt steht die Entscheidung an. Foto: HSt-Archiv/privat  Foto: privat

An jedem Standort herrscht offenbar die Vorstellung, dass der Nachbar seine Zukunft nur auf Kosten des anderen sichern möchte. Zuerst machten Lokalpolitiker im Neckar-Odenwald-Kreis mobil gegen Pläne, dass Mosbacher Studieninhalte auch in Heilbronn eine wichtige Rolle spielen sollen. Nun beziehen auch die Verantwortlichen in Heilbronn Position. Doch der Clinch hat eine Vorgeschichte.

Das Stadt-Land-Gefälle ist spürbar

So eng die räumliche Nachbarschaft zwischen Mosbach und Heilbronn auch ist – viel unterschiedlicher könnten die zwei Städte und ihr Umland kaum sein. Der Neckar-Odenwald-Kreis mit seiner Kreisstadt ist in weiten Teilen strukturschwach, dünn besiedelt, belegt bei Rankings die hinteren Plätze in Baden-Württemberg.

Entsprechend gereizt reagieren Lokalpolitiker auf solche Untersuchungen, erst recht, wenn sie sehen, wie positiv die nähere Nachbarschaft beurteilt wird. Ob Hohenlohe, die Stadt oder der Landkreis Heilbronn – deutlich dynamischer geht es dort voran. Und was Studienangebote angeht, macht Heilbronn mit seinem Bildungscampus inzwischen bundesweit von sich reden.

Dieter Schwarz spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Heilbronner Ehrenbürger verfolgt seit rund 20 Jahren konsequent das Ziel, seine Heimatstadt zur Wissens- und Bildungsstadt zu machen – mit allen finanziellen Mitteln, die dafür erforderlich scheinen. In Mosbach zeigt man sich dankbar, dass auch dort zwei der vier Stiftungsprofessuren an der DHBW in der 23.000-Einwohner-Stadt von der Dieter-Schwarz-Stiftung bezahlt werden. Doch mit dem Engagement in Heilbronn, wo die DHBW auf den höchsten Drittmittelanteil im Land zurückgreifen kann, lässt sich das natürlich nicht vergleichen.

Ungefragt verselbstständigt

Nicht vergessen hat man in Mosbach, dass 2013/14 in Stuttgart die Abnabelung Heilbronns beschlossen wurde, ohne dass Mosbach in die Entscheidung eingebunden wurde. Den Vergleich, dass auch Mosbach einst als Außenstelle von Mannheim startete und sich dann selbstständig machen durfte, lässt man an der Elz nicht gelten. Immerhin trotzte man dem Land die Wettbewerbsklausel ab.

Und so sagt bis heute der Paragraf 5 der Errichtungsverordnung: „Die Duale Hochschule stellt sicher, dass die künftige Studienakademie Heilbronn und die Studienakademie Mosbach jeweils eigene, sich nicht überschneidende Studienprofile anbieten und weiterentwickeln.“ Mit dieser weit gehenden und gleichzeitig recht ungenauen Formulierung saß man in Mosbach bei Verhandlungen mit Heilbronn häufig am längeren Hebel.

Es ist eine in Baden-Württemberg einmalige Klausel. Und noch mehr. Sie widerspricht – so sieht es nicht nur der Präsident der IHK Heilbronn-Franken, Harald Unkelbach – dem Paragrafen 5 des Grundgesetzes: „Forschung und Lehre sind frei.“ Noch wichtiger für Unkelbach: Sie zementiere den Zustand, dass Heilbronn-Franken landesweit die wenigsten Studierenden aufweise. Zwölf Studierende auf 1000 Einwohner, das ist weit entfernt vom Landesschnitt, der fast dreimal so hoch ist.

Zerren um zukunftsträchtige Studiengänge

Hinter den Kulissen führte die Beschränkung seit Jahren zu Konflikten. Zuletzt knirschte es vor einem Jahr, als die zwei benachbarten DHBW-Standorte neue Studiengänge einrichten wollten. Da lagen 2018 beim DHBW-Präsidium in Stuttgart jeweils ein Antrag für „Digital Business Management“ aus Mosbach und Heilbronn vor.

In diesem Fall, so erklärt DHBW-Präsident Arnold van Zyl gegenüber unserer Redaktion, sei eine klare Entscheidung zugunsten von Mosbach gefallen. HN sollte sich auf das eng verwandte Digital Commerce Management konzentrieren. „Die Wettbewerbsklausel spielte da gar nicht die große Rolle“, erklärt van Zyl, sondern die bestehenden Schwerpunkte. Mosbach ist technikorientiert, Heilbronn lebensmittel- und handelsorientiert.

Bei einem weiteren Antrag lagen die Dinge anders. Weil Mosbach bereits Wirtschaftsinformatik im Portfolio hat, wehrte sich unter anderem der Hochschulrat der dortigen DHBW gegen die Genehmigung des gleichen Studiengangs in Heilbronn. Das Präsidium lehnte also ab. Doch van Zyl schien nicht der Meinung zu sein, dass man Heilbronn einen Studiengang wie Wirtschaftsinformatik auf Dauer verweigern sollte. Zu wichtig sind die Inhalte auch für viele andere IT-orientierte Studienrichtungen.

Van Zyl: "Der Kuchen ist groß genug"

Also wurde das Thema im DHBW-Aufsichtsrat diskutiert. Der sprach sich schließlich dafür aus, die Verordnung von der Landesregierung überarbeiten zu lassen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer signalisierte die Bereitschaft, die Klausel zu kippen. Das Kabinett muss jetzt entscheiden (siehe unten). Die Reaktionen aus Mosbach ließen nicht lange auf sich warten. Es entbrannte der offen ausgetragene Streit.

Offiziell will van Zyl nicht Position beziehen. Doch ausdrücklich sagt der DHBW-Präsident: „Der Kuchen ist groß genug.“ Er bestätigt damit indirekt Argumente der IHK Heilbronn-Franken, die in der Region einen sehr viel größeren Bedarf an IT-orientierten Studiengängen sehen, als Mosbach befriedigen könne.

Aus IHK-Sicht ebenfalls falsch: Das zuletzt häufig genutzte Argument, dass es für jeden Studenten zumutbar sei, von Heilbronn ins 30 Kilometer entfernte Mosbach zu fahren. Es mache etwa im weiter entfernten Landkreis Schwäbisch Hall einen großen Unterschied, ob man nach Heilbronn oder nach Mosbach an die DHBW fahren muss.

Studenten können gar nicht mit den Füßen abstimmen

Und wie sehen es die Studenten? „Natürlich werden Studierende tendenziell lieber in die große Stadt ziehen“, sagt Marian Finkbeiner (21) aus Winnenden, der in Stuttgart studiert und für die Gesamt-DHBW im Senat und im Studierendenparlament sitzt. Aber die Entscheidung träfen ja ohnehin die Unternehmen, die als duale Partner die Hochschule aussuchen. Die Attraktivität der Stadt wäre demnach gar nicht entscheidend.


  • Mosbacher Einzugsgebiet Fällt die Wettbewerbsklausel, geht der Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis, Achim Brötel, von einer Halbierung der Studierendenzahlen aus. Der Mosbacher OB Michael Jann sagte gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung" über die Klausel: "Wir verteidigen sie mit Zähnen und Klauen!" Die Rektorin der DHBW Mosbach, Gabi Jeck-Schlottmann, ist dankbar für die Unterstützung durch die Lokalpolitik. Sie möchte aber "kein Öl ins Feuer gießen". Zu Prognosen, wie sich Studierendenzahlen entwickeln, kann sie keine konkreten Angaben machen, da hier Zeitverlauf und die politische Entscheidung eine wesentliche Rolle spielten. Aber: Aufgrund des Stadt-Land-Gefälles gehe eine Aufweichung der bisherigen Regelungen voll auf Kosten von Mosbach, ist sie überzeugt.

    Die DHBW Mosbach sei gegründet worden mit dem Ziel, auch die Region Heilbronn-Franken zu bedienen, das sei das Einzugsgebiet. Den Bedarf dort könne man decken. "Wir haben noch keinen Studenten abgewiesen", sagt Jeck-Schlottmann. Sie begrüße eine abgestimmte Strategie, die Heilbronn eine Entwicklung von Studiengängen auch im digitalen Bereich zugestehe. 
     

  • Bedarf aus Heilbronner Sicht "Wir sind hochgradig abhängig von der Digitalisierung", sagt die Heilbronner Rektorin Nicole Graf. Als Kompetenzzentrum für den Handel in Baden-Württemberg könne man sich nicht leisten, die Entwicklungen in der Digitalisierung zu ignorieren. Mosbach habe ein riesiges Portfolio und eine klare technische Ausrichtung, die man respektieren wolle. Doch Überschneidungen bei der Digitalisierung seien unausweichlich.

    Der Bedarf an IT-orientierten Studiengängen für die Region wurde sowohl bei einer Umfrage der IHK Heilbronn-Franken sowie bei einer Befragung der dualen Partner der DHBW Heilbronn erhoben. Resultat: 250 bis 300 Studienplätze wären für die vier Landkreise notwendig. "Mosbach kann zum Wintersemester aber nur 90 neue Studienplätze in diesem Bereich anbieten", klagt IHK-Präsident Harald Unkelbach. Wenn es dort heiße, dass noch kein Student abgewiesen worden sei, dann sei umgekehrt auch richtig, dass schon bevor ein Student abgewiesen wird, die Firma sich andernorts eine DHBW suchen musste. Unlauter sei, wenn in Mosbach der Bedarf in Heilbronn-Franken angezweifelt wird. 
     

  • Konfliktpotenzial in Stuttgart "Gerade im Bereich Digitalisierung/IT werden akademische Fachkräfte händeringend gesucht", sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) gegenüber unserer Zeitung. Dann wird sie deutlich: "Von der Weiterentwicklung der Studiengänge darf kein Standort ausgeschlossen werden - das gilt auch für die Region Heilbronn-Franken." Die Sorge, dass die DHBW Mosbach durch die Änderung der Verordnung Nachteile erleiden würde, teile sie nicht. Mosbach sei seit der Verselbständigung Heilbronns um 5,3 Prozent gewachsen. "Wir brauchen Mosbach, Bad Mergentheim und Heilbronn als gleichermaßen attraktive Standorte", sagt Bauer.

    Unterschiedliche Positionen beziehen die CDU-Minister im Kabinett, das letztlich über eine Änderung der Verordnung entscheiden muss. Innenminister Thomas Strobl aus Heilbronn setzt sich für Heilbronn ein und geht damit auf Konfrontationskurs zu Landwirtschaftsminister Peter Hauk, der aus dem Neckar-Odenwald-Kreis kommt, sowie CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, der sich für seine Heimatstadt Bad Mergentheim einsetzt. 
     

  • Die Unbeteiligte Dritte Julia Kormann ist Vizepräsidentin der Hochschule Neu-Ulm und will sich somit nicht in die Angelegenheiten der DHBW-Standorte an Neckar und Elz einmischen. Als Mitglied im Aufsichtsrat der Dualen Hochschule Baden-Württemberg hat sie die Auseinandersetzung aber seit Langem verfolgt. Sie schickt vorweg: "Schon vor Hunderten Jahren wurden Universitäten nicht nur in den größten Städten gegründet. Städte wachsen mit Hochschulen und Hochschulen mit Städten. " Das habe zwei Konsequenzen: Der ländliche Raum sollte nicht benachteiligt werden. Und jede Hochschule müsse sich beim Ausbildungs- und Studienangebot an der Nachfrage der Wirtschaft und der Studierenden orientieren und dürfe in dieser Entwicklung auch nicht behindert werden.

    "Wir stehen übrigens in einem internationalen Wettbewerb, nicht in einem regionalen", sagt Kormann. Ziel in der EU sei, dass bis 2020 mindestens 40 Prozent der 30- bis 34-Jährigen einen Hochschulabschluss haben. Deutschland hinke da hinterher. Wenn es nicht gelinge, den Anteil zu erhöhen, dann habe Deutschland insgesamt ein Problem. 

 
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