Inhabergeführte Anlaufstellen besonders betroffen: Sorgen vor Apotheken-Schwund
Seit Jahren ist die Zahl der Apotheken rückläufig. Vor allem der Nachwuchsmangel und die politischen Sparpläne im Medikamentenbereich belasten die Pharmazeuten. Mit der Online-Konkurrenz haben die Sorgen eher wenig zu tun.

Es ist bezeichnend, wie gut Rouven Steeb vorbereitet ist. Um seine Ausführungen zur Situation in der Apothekenlandschaft zu untermauern, klickt der Inhaber der Bahnhof-Apotheke in Bad Rappenau und der Jagsttal-Apotheke in Möckmühl durch die Folien einer Power-Point-Präsentation. Macht anhand von Zahlen und Daten deutlich: "Wir sind weit weg von der Annahme, dass es bei uns an allen Ecken eine Apotheke gibt."
Seit den 80er Jahren ist die Zahl der inhabergeführten Präsenzapotheken in Deutschland rückläufig. Lag die Apothekendichte im europaweiten Vergleich laut Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU) im Jahr 1990 noch bei 19.898, waren es 2021 nur noch 18.461 Apotheken. Damit kommen in Deutschland 22 Apotheken auf 100.000 Einwohner - ein neuer Tiefstand. Zwischen 2019 und 2021 eröffneten im Schnitt weniger Apotheken (89) als geschlossen wurden (410).
Nicht anders im Land: 2021 lag die Flächenversorgung hier bei unter 21 Apotheken je 100.000 Einwohner. Während sich die Zahl in vielen Großstädten stabilisiert, sank sie in Stuttgart im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent. "Wir verlieren jedes Jahr einen festen Prozentanteil an Betriebsstätten", macht Rouven Steeb deutlich. Und so gehe es nicht darum, dass mehr Apotheken eröffneten, ergänzt sein Berufskollege Dr. Marcus Plehn aus Brackenheim, "sondern dass wir Schließungen verhindern".
Baustellen in der Politik
Dass Rouven Steeb gut vorbereitet ist, liegt auch an seiner berufspolitischen Aktivität. Seit 2016 ist er im Beirat des Landesapothekerverbands (LAV), seit 2021 dessen Vizepräsident. Steeb referiert vor Kommunal-, Landes- und Bundestagsabgeordneten. Deren Interesse sei zwar da, sagt der 39-Jährige, aber die Baustellen der Politiker liegen oft woanders. Was Apotheken betrifft, regelt überwiegend der Bund.
Überbordende Bürokratie und hohe Kosten
Apothekerverbände fordern schon länger Entlastung. Etwa, dass die Betriebsstätten durch eine Anpassung der Grundgebühren gestärkt werden oder der Zuschlag für die Arzneimittelkosten erhöht wird. So könnte eine Flächendeckung sichergestellt werden, sagt Rouven Steeb.

Längst liegen die Herausforderungen für Apotheken aber nicht mehr nur in den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Neue Apotheken eröffnen nach wirtschaftlich günstigen Standortfaktoren.
Im ländlichen Raum ist das zumeist die Nähe zu Arztpraxen. Eine Liste mit den Ärzten im Zabergäu hat Dr. Marcus Plehn schon erstellt, bevor er und seine Frau Larissa 1992 die Heuss-Apotheke in Brackenheim eröffneten. Bei der medizinischen Versorgung ist das Zabergäu gut aufgestellt, sagt Plehn, der auch die Stadtapotheke führt. Dementsprechend gebe es "gut geführte, eingesessene Apotheken".
Doch nicht überall ist das selbstverständlich. Für viele Inhaber lohnt sich das Geschäft nicht mehr: Etwa für jene, die sich selbstständig machen wollen, das aber schlicht nicht finanzieren können oder von der überbordenden Bürokratie abgeschreckt sind. Das führt zu Nachwuchsmangel.
Er habe viel Glück, sagt Marcus Plehn, sein Team sei gut aufgestellt. Es gebe ein gutes Miteinander, man will Wohlfühlatmosphäre schaffen. Trotzdem investiert Plehn in die Nachwuchsförderung, nimmt Praktikanten auf, hat durch seine Professur an der Uni Freiburg viel Kontakt zu Pharmaziestudierenden. Weitere Probleme: die Medikamenten-Lieferengpässe - 289 Arzneimittel, vor allem Antibiotika, fehlen an diesem Tag in der Jagsttal-, 177 in der Heuss-Apotheke. Dazu kommt der Fachkräftemangel, die höheren Energiekosten und der defizitäre Nacht- und Notdienst.
Guten Job in der Pandemie gemacht
Immerhin entspanne sich der Wettbewerb mit den Online-Apotheken, sagt Rouven Steeb. "In der Pandemie haben wir einen guten Job gemacht", findet er, Das habe die Kunden noch mehr an die Präsenzapotheken gebunden.
Die jüngsten Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereiten den Apothekern Sorgen: Um die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nach der Corona-Pandemie zu entlasten, sieht der Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes vor, den Kassenabschlag bei Arzneimitteln für die kommenden zwei Jahre von 1,77 auf zwei Euro zu erhöhen und die Umsatzsteuersatz für die Lieferung von Arzneimitteln zu senken. So sollen dreistellige Millionenbeträge eingespart werden, die den Apotheken zusätzlich fehlen würden.



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