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Der Weg aus einer gewalttätigen Beziehung

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Fachleute erklären, woran man gewalttätige Beziehungen erkennen kann und wo Betroffene Hilfe finden. Auch Freunde und Arbeitskollegen können etwas tun.

von Sebastian Kohler
Foto: ozguroral/stock.adobe.com
Foto: ozguroral/stock.adobe.com  Foto: ozguroral

Ende Dezember 2019 erschütterte der gewaltsame Tod einer siebenfachen Mutter in Heilbronn die Öffentlichkeit. Mit zahlreichen Messerstichen hatte ein 44-jähriger Ehemann seine Frau getötet, während sich die gemeinsamen Kinder in der Wohnung aufhielten. Bereits im Juli 2019 hatte das 33-jährige Opfer den späteren Täter wegen Körperverletzung angezeigt - nur um die Anzeige später wieder zurückzuziehen.

Eine Gefährderansprache, Wohnungsverweise oder Annäherungsverbote sind die Mittel, die der Polizei zur Verfügung stehen. Nur: Wer wild entschlossen ist, lässt sich von Platzverweisen kaum bremsen.

Alexandra Gutmann ist Leiterin der Mitternachtsmission, einer Einrichtung der Heilbronner Diakonie. Partnerschaftliche Gewalt ziehe sich durch alle sozialen Schichten, Altersgruppen und Bildungsgrade. Zwar beobachte sie seit 2015 einen Zuwachs im Flüchtlingsmilieu, "aber der Anteil der Frauen mit Fluchthintergrund ist relativ niedrig". Von einer expliziten Gefährdung durch Männer aus patriarchalisch geprägten Kulturen ist laut der 50-Jährigen keine Rede. "Wer schon erlebt hat, dass die Großväter die Großmütter mit einer Selbstverständlichkeit geschlagen haben, den überrascht es auch als Deutschen, dass häusliche Gewalt ein Verbrechen ist."

Jeden dritten Tag stirbt eine Frau

Trotz einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung sei noch viel Sensibilisierungsarbeit zu leisten, sagt Gutmann. "Früher hieß es: Schwamm drüber, nur nichts herbeireden." Das verändert sich. Mit der Folge, dass Frauen nicht mehr so viel Angst und Scham beim Hilfesuchen empfinden. Dennoch starb 2018 laut Bundeskriminalamt alle drei Tage eine Frau in Deutschland durch die Hand eines Partners oder Ex-Partners.

Frank Belz, Sprecher des Heilbronner Polizeipräsidiums, weiß: "Partnergewalt ist für Außenstehende nicht einfach zu erkennen. Auseinandersetzungen sind Teil des menschlichen Daseins und oft intime Angelegenheiten." Folglich komme eine Intervention einem Eingriff in die Privatsphäre gleich.Dennoch sollten gewisse Warnsignale das Umfeld alarmieren. "Da geht es nicht nur um das blaue Auge. Sozialer Rückzug, verbunden mit Ausreden, Suchtmittelkonsum", nennt Gutmann Indikatoren, "generell verängstigtes, eingeschüchtertes Verhalten." Vor allem Freunde und Kollegen seien gefordert, bei Verdacht nachzuhaken. "Ansprechen ist das Wichtigste", betont Gutmann. Viele Einrichtungen seien bewusst weiblich besetzt, nicht, weil sie Männern grundsätzlich misstrauten, sondern weil es weiblichen Opfern so leichter falle, sich zu öffnen. "Tatsächlich sind oft Männer Vermittler an ambulante Beratungsstellen."

Harmloser Facebook-Post kann verhängnisvoll sein

Neben der Mitternachtsmission nennt Belz weitere Anlaufstellen: Pro Familia, die Vereine Frauen für Frauen und Jedermann. Das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen steht rund um die Uhr zur Verfügung.

Für den Erstkontakt sind niederschwellige Beratungsangebote wichtig. Bei der Mitternachtsmission werden Frauen diskret beraten und zunächst eine Gefahreneinschätzung vorgenommen. Bei akuter Bedrohung folgt ein Transfer ins Frauenhaus, im Optimalfall weit weg. "Diese Häuser sind anonym und in keiner Karte verzeichnet", erklärt Gutmann, "aber völlige Sicherheit gibt es nicht."

Besonders schwer ist es laut Gutmann, mit kleineren Kindern in ein Schutzhaus zu ziehen. "Erklären sie mal einem Achtjährigen, dass er keine Freunde einladen darf." Aber auch die Frauen müssen instruiert werden. Handys können geortet werden, ein harmloser Facebook-Post kann verhängnisvoll sein.

Im Zuge der Istanbul-Konvention, die Gewalt gegen Frauen unterbinden soll, stehen weitere Investitionen ins Hilfssystem an. Bitter nötig nennt Gutmann diese. Denn lediglich 13 von 47 nötigen Unterkunftsplätzen stünden zur Verfügung. "Wir haben zu viele Engpässe und zu wenig Ressourcen", sagt sie. "Ich hoffe, dass Istanbul bald umgesetzt wird."

Hilfe gibt es hier

  • Mitternachtsmission 07131 84 531
  • Pro Familia 07131 89 177
  • Jedermann 0179 48 83 083
  • Frauen helfen Frauen 07131 507853
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 08000 116 016
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