"Der Schlüssel liegt in der Regulierung der Besucherzahlen"
Professor Dr. Roland Alter lebt in Obersulm und meldet sich in der Diskussion um die Sperrung des Breitenauer Sees zu Wort. Er lehrt Organisation an der Hochschule Heilbronn. Er empfiehlt Online-Lösungen und überwachten Parkraum.

Professor Dr. Roland Alter (60) lehrt an der Hochschule Heilbronn Organisation, ein klassisches Fach der Betriebswirtschaftslehre (BWL). Organisation ist wichtig, um Ziele zu erreichen. Der Obersulmer erklärt, welche Parallelen sich von der BWL zur umstrittenen Sperrung des Breitenauer Sees ziehen lassen.
Der Unmut in Teilen der Bevölkerung wegen der See-Sperrung ist groß. Nachvollziehbar?
Roland Alter: Der Breitenauer See ist zu Recht der Stolz der Menschen im Weinsberger Tal. Sie identifizieren sich mit ihm. Und wenn sie das Gefühl haben, dass er ihnen plötzlich weggenommen wird, ja, dann ist der Unmut verständlich.
Wieso war es vorhersehbar, dass der See trotz Corona-Auflagen überrannt werden wird?
Alter: In der Betriebswirtschaftslehre sprechen wir von einem Großrisiko, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt und die Auswirkungen auf die gesteckten Ziele besonders negativ sind. Schon in den Jahren zuvor war der Ansturm auf den See an heißen Tagen groß. Es war also zu erwarten, dass sich dies 2020 wiederholt. Die Erfahrungen aus den Vorjahren, das Ende des Lockdowns, die eingeschränkten Möglichkeiten für einen Auslandsurlaub und die steigenden Temperaturen sprachen für einen Ansturm. Und die negativen Auswirkungen davon auf das Einhalten von Corona-Regeln waren offensichtlich.
Was hätte man vorher tun können, um das Risiko zu minimieren und den Schaden abzuwenden?
Alter: Der Schlüssel liegt in der Regulierung der Besucherzahlen. Hier hätten im Vorfeld alle Maßnahmen ansetzen müssen. Spätestens mit dem Online-Reservierungen bei den Freibädern besteht ein funktionierender Ansatz, um die Besucherzahl zu begrenzen.
Ist die weiterhin geltende Sperrung des Sees alternativlos?
Alter: Ich bin kein Freund des Wortes "alternativlos". Häufig wird der Begriff nur benutzt, um sich nicht der Diskussion von Alternativen zu stellen. Eine Möglichkeit wäre für die gesamte Woche das Konzept der Online-Reservierung. Oder man öffnet den See von Montag bis Freitag ganz normal und wendet die Online-Reservierungen nur am Wochenende an. Das und eine Parkraumüberwachung machen meines Erachtens eine Begrenzung der Besucher möglich. Man muss eine Zahl festlegen, wie viele Menschen an den See dürfen. Und dann könnte testweise unter der Woche geöffnet werden.
Mangelt es den Verantwortlichen an Organisationsfähigkeiten?
Alter: Dies ist von außen nur bedingt zu beantworten. Meines Erachtens geht es weniger um die Frage der Fähigkeiten, sondern um Entscheidungswillen. Bemerkenswert ist der Aufwacheffekt. Jetzt möchte man auf Nummer sicher gehen, nachdem man vorher nicht wirksam aktiv war. Das ist eine Extremreaktion, die ich für unnötig halte. Die Verantwortlichen sind gefordert, unter Berücksichtigung von Corona-Regeln, eine bürgernahe Lösung zu finden. Es sollte auch aufgearbeitet werden, was da schiefgelaufen ist.