Paragraf 219a wurde abgeschafft: Schwangerschaftsabbruch trotzdem Tabuthema
Die Abschaffung des Paragrafen 219a sollte den Informationszugang für Betroffene verbessern. In der Region hat sich aber wenig geändert.

Der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch ist abgeschafft. In der Region hat das jedoch kaum Auswirkungen. Wer in welcher Form über einen Schwangerschaftsabbruch informieren darf, wurde bis dahin in §219a StGB geregelt. Das Problem daran: Er stellte auch Informationen, die Ärzte beispielsweise auf ihrer Webseite zur Verfügung stellen, unter Strafe.
Rechtliche Grundlage sollte gestärkt werden
Dieser Paragraf wurde im Juni 2022 ersatzlos gestrichen. Das sollte zum einen den Informationszugang über Abtreibungen für Betroffene verbessern. Zum anderen sollte die rechtliche Grundlage für informierende Ärzte klarer werden. Seitdem dürfen Ärzte ohne Androhung einer Strafe auf ihrer Webseite angeben, ob und wie sie Abbrüche durchführen. Außerdem können sie ausführliche Information zur Verfügung stellen.
Die konkreten Veränderungen in der Region fallen eher gering aus
Aber was hat sich seitdem in der Praxis wirklich verändert? Im Internet findet man unter familienplanung.de eine vom Bund geführte, zentrale Liste, auf der Arztpraxen gelistet werden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Diese Liste ist freiwillig und weiterhin lückenhaft.
Für den gesamten Raum Heilbronn und Hohenlohe findet sich auf dieser Liste keine durchführende Praxis, die nächste ist demnach in Ludwigsburg. Astrid Tschürtz, zuständig für die Schwangerschaftskonfliktberatung des Landratsamtes Heilbronn, erklärt, dass Betroffene nur durch einen Gynäkologen oder eine Beratungsstelle vollständige Informationen über durchführende Praxen erhalten könnten. "Diese zentrale Liste kann nur freiwillig sein. Viele Ärzte wollen sich nicht so öffentlich listen lassen", sagt sie.
Seit der Abschaffung von Paragraf 219a habe sich zwar verbessert, dass man Informationen grundsätzlich googeln und Praxen finden könne - aber eben kein vollständiges Angebot. Außerdem gebe es immer weniger Ärzte, die bereit seien, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. In Heilbronn habe es vor drei Jahren noch vier durchführende Stellen gegeben, heute seien es nur noch zwei.
Im Hohenlohekreis gibt es keine Praxis, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt, wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigt. Das Gesundheitsamt schätzt die Informationslage für Frauen als nahezu unverändert ein, der zuverlässigste Weg zu Information sei weiterhin der Besuch in einer Beratungsstelle.
Betroffene sind meist schon vor der Beratung entschieden
Nena Baumann von der Beratungsstelle Schwäbisch Hall sieht seit der Abschaffung des Paragrafen keine wirkliche Verbesserung der Informationsversorgung, sie sagt: "Ärzte könnten auf ihren Webseiten nun umfassend informieren, de facto stellt man das aber bisher nicht fest." In der Beratungspraxis sehe man keinen Unterschied. Sie betont aber, dass die Mehrheit der Frauen in der Beratung sich bereits entschieden habe. "Die Annahme, dass Betroffene überhaupt nicht wissen, was sie wollen, und ohne vorherige Beratung keine eigenverantwortliche Entscheidung treffen könnten, ist einfach falsch."
Gesellschaftliche Tabuisierung bleibt ein Problem
Astrid Tschürtz sieht das hauptsächliche Problem darin, dass Schwangerschaftsabbrüche in der Öffentlichkeit tabuisiert werden. Dies beginne schon damit, dass Ärzte negative Reaktionen fürchten müssten, wenn sie auf ihrer Webseite angeben, Abtreibungen durchzuführen. Das bestätigt auf Anfrage auch eine durchführende Praxis aus Baden-Württemberg. Man wolle möglichst unerkannt bleiben und keine Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Anfeindungen in Form von Hass-Mails oder Morddrohungen von radikalen Abtreibungsgegnern bekomme man fast täglich. Während der Recherche und in Gesprächen wird deutlich, wie konfliktbehaftet das Thema weiterhin ist. Namen oder Adressen durchführender Stellen werden weder genannt oder weitergegeben, die Zurückhaltung und Scheu vor Aufmerksamkeit ist groß.
Die Ampel-Koalition wollte mit der Abschaffung von §219a StGB die Situation betroffener Frauen und die Arbeit von Ärzten deutlich erleichtern. Für den Raum Heilbronn-Hohenlohe sind die Verbesserungen aber eher gering, im Gegenteil: Nach Einschätzung von Beobachterinnen haben sich die Informationsmöglichkeiten nicht signifikant verbessert, während sich die Versorgungssituation weiter verschlechtert hat. Meinung "Überfällig"
Was ist strafbar?
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach §218 StGB geregelt und weiterhin theoretisch strafbar, sie werden aber nicht geahndet. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft, wobei sich sowohl die Schwangere als auch die Person, die den Abbruch vornimmt, strafbar machen. Unter bestimmten Bedingungen sind Abtreibungen allerdings straffrei. Das ist unter §218a StGB geregelt. Dazu zählt unter anderem der Fall, wenn die Schwangere einen Schwangerschaftsabbruch verlangt und die Teilnahme an einer Schwangerschaftskonfliktberatung nachweisen kann. Darüber hinaus darf die zwölfte Schwangerschaftswoche nicht überschritten sein.