Der lange Weg zur digitalen Verwaltung
Der Umstieg auf Online-Verwaltungsdienstleistungen bedeutet viel Mehraufwand für Land und Kommunen. Noch können nicht alle Prozesse digitalisiert werden.
Das eigene Wunschkennzeichen reservieren, den Hund anmelden oder den Bewohnerparkausweis beantragen: Wofür früher ein Vor-Ort-Termin im Rathaus oder Landratsamt unumgänglich war, bieten viele Behörden ihre Verwaltungsdienstleistungen mittlerweile online an - entweder auf der eigenen Website, oder sie können die landesweite Plattform service-bw.de nutzen. Damit stellt ihnen das Land Pflichtprozesse und -leistungen digital zur Verfügung. In einem kostenlosen Schnellbaukastenprinzip können die Kommunen und Landesbehörden Verwaltungsleistungen eigenständig digitalisieren und ihr Angebot an E-Diensten ausbauen.
So verwaltet die Stadt Neckarsulm bislang 40 digitale Dienstleistungen über das Landesportal. In Heilbronn hat die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren für einen digitalen Schub gesorgt - auf service-bw.de bietet die Stadt nach eigenen Angaben mittlerweile über 60 verschiedene Vorgänge an. Die Stadt Öhringen arbeitet verstärkt daran, erste Prozesse über das Portal zu ermöglichen. "Wir sind bemüht, so viele Services so schnell wie möglich anzubieten, um unseren Bürgen einen Mehrwert zu bieten", sagt der Öhringer Digitalisierungsbeauftragte Christian Deibert.
Bis Ende des Jahres soll ein Großteil digital sein
Das Online-Zugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende des Jahres rund 580 Verwaltungsleistungen auch online anzubieten. Mehr als 350 Kommunen bieten bereits mindestens eine digitale Verwaltungsleistung im Sinne des OZG auf service-bw.de an, teilt das Innenministerium Baden-Württemberg schriftlich mit.
Viele Kommunen arbeiten unter Hochdruck daran, die Dienste zeitnah in Eigenregie zu digitalisieren oder in das Landesportal zu integrieren. "Alles, was wir den Bürgern anbieten, müssen wir selbst machen", verdeutlicht Christian Deibert. "Wir Kommunen haben noch sehr viel Arbeit vor uns."
Für sie bedeutet die Digitalisierung häufig einen erheblichen Mehraufwand. Denn nicht für jedes Verwaltungsverfahren gibt es eine standardisierte Schnittstelle, damit die Daten der Antragsteller auch in das passende Fachverfahren übermittelt werden können. "Das OZG bedeutet, dass Bürger oder Unternehmen online Anträge stellen können. Nicht aber, dass das medienbruchfrei (ohne dass ein Wechsel zwischen digital und analog nötig ist, Anm. d. Red.) - ablaufen muss", heißt es seitens der Pressestelle der Stadt Bad Rappenau. Nicht alle Vorgänge können allerdings digitalisiert werden, weil der Rechtsrahmen fehlt und der Antrag in Schriftform benötigt wird. Bei diesen Verfahren müssen die Sachbearbeiter die Anträge dann weiterhin manuell erfassen.
"Die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen bedeutet aktuell eine zusätzliche, aber unumgängliche Herausforderung und Mehrbelastung für alle Kommunen", schreibt die Pressestelle der Stadt Neckarsulm. Dort, aber auch in Heilbronn, Bad Rappenau und Öhringen, ist man dennoch von dem langfristigen Nutzen und den Vorteilen der E-Dienste überzeugt. "Wenn es die Schnittstellen einmal gibt, nimmt das auch uns als Verwaltung viel Arbeit ab", sagt Christian Deibert.
Der Weg zum digitalen Rathaus ist noch lang. "Wenn man das OZG als Startschuss betrachtet, werden wir viele Jahre für gute und benutzerfreundliche digitale Behördengänge brauchen", teilt Bad Rappenau mit. Und in Neckarsulm schätzt man, dass aufgrund des OZG "bis Jahresende viele Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Es werden dann aber keine ordentlichen Prozesse für die Verwaltungen sein, sondern Universalprozesse, mit denen intern nicht medienbruchfrei weitergearbeitet werden kann."
Welche Folgen es mit sich bringt, wenn das Ziel des OZG bis Jahresende nicht eingehalten werden kann, ließ das Innenministerium unbeantwortet.
Bei den Bürgern kommt der Online-Dienst gut an
Der Online-Behördengang bietet in vielen Fällen ein bequemeres Vorgehen für die Bürger. Das kommt gut an: Die Nachfrage nach den E-Diensten ist gestiegen. Knapp 720 000 Menschen - fast doppelt so viele als 2020 - nutzen die Landesplattform. "Bisher erhalten wir positives Feedback aus der Bevölkerung hinsichtlich des Online-Angebots", heißt es von der Stadt Heilbronn.
Baden-Württemberg liegt weit vorn
Der Bundestag hat das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG), kurz Online-Zugangsgesetz, im August 2017 mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Auf der Plattform "service-bw" haben die baden-württembergischen Landesbehörden und Kommunen nach Angaben des Landesinnenministeriums mittlerweile mehr als 233 Verwaltungsleistungen zur Nachnutzung digitalisiert.
Damit liege Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich auf Platz zwei nach Nordrhein-Westfalen und vor Bayern, so ein Sprecher: "Die Verwaltungsleistungen können von den Landkreisen, Städten und Gemeinden lizenzkostenfrei aktiviert und damit ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen angeboten werden." Die Kommunen sind lediglich verpflichtet, Infos über ihre Aufgaben, ihre Anschrift, Kontaktdaten und ihre Geschäftszeiten über service-bw.de bereitzustellen.
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