Der Klimawandel lässt Heilbronn schwitzen
Hitzewellen sorgen besonders in Städten wie Heilbronn für extrem hohe Temperaturen und vertrocknete Grünflächen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es in Baden-Württemberg mehr als drei Grad heißer werden. Was tun?
Der Klimawandel sorgt für Hitze in den Städten. Denn dicht besiedelte Gebiete heizen sich schnell auf und kühlen nur langsam ab. Bei langanhaltender Hitze werden sie zu sogenannten Wärmeinseln. Das Landesumweltministerium geht davon aus, dass die Temperaturen in Baden-Württemberg bis Mitte des Jahrhunderts um 1,1 Grad Celsius steigen könnten, bis Ende des Jahrhunderts könnte es im Land im Schnitt sogar 3,1 Grad wärmer sein.
Auch die Zahl der heißen Tage mit mehr als 30 Grad steigt kontinuierlich an, in den kommenden Jahrzehnten auf 2,7 Hitzetage mehr im Jahr. Bis 2100 könnte es in Baden-Württemberg jedes Jahr 24,8 heiße Tage mit mehr als 30 Grad geben.
Besonders für Kleinkinder, ältere Menschen und Pflegebedürftige sind heiße Tage und Nächte eine Belastung: Sie schlafen schlechter und trinken zu wenig. Die Hitze verursacht Schäden an Gebäuden und Straßen, etwa durch Dehnungsrisse. Zudem leiden Bäume und Grünflächen, die in Städten eigentlich für Abkühlung sorgen sollen.
Pflanzen lassen braune Blätter hängen
Um zu sehen, welche Schäden die Hitze anrichtet, reicht Helga Mühleck ein Spaziergang durch Heilbronn. "Viele Grasflächen im Straßenbegleitgrün sind braun. Bei den Bäumen ist es das gleiche: viel Braunes, Dürres und lichte Kronen." Die stellvertretende Leiterin des Grünflächenamts kennt das Problem, ihre Mitarbeiter kommen mit dem Gießen der Pflanzen und Bäume kaum nach. "Die Wassermenge, die wir einsetzen müssen, steigt kontinuierlich."
Es sei kaum möglich, alle Pflanzen vor der Vertrocknung zu retten - abgesehen davon sei Trinkwasser eine Ressource, die sparsam eingesetzt werden müsse. "Ein braunes Blatt verdunstet kein Wasser mehr, also entsteht auch keine Verdunstungskälte", erklärt Mühleck. Dieser Effekt mache Grün in Städten so bedeutsam. "Der Schatten unter einem Baum ist etwas völlig anderes als unter einem Sonnenschirm."
Für mehr Bäume müssten Parkplätze weichen
35 Orte hat das Grünflächenamt ausgemacht, an denen in Heilbronn künftig ein Baum gepflanzt werden könnte. Doch sie müsse um jeden Einzelnen kämpfen: "Hinter jedem geplanten Baum steht ein Anwohner, dem es zu schattig ist oder der Angst um seine Dachrinne hat."
Außerdem sei generell nur wenig Platz, um weitere Bäume zu pflanzen. "Wenn man mehr Grün will, ist das immer ein Wettstreit mit Autofahrspuren und Parkplätzen. Da muss die Stadt ihre Prioritäten klären." Ein weiteres Problem sei die Abwärme von Klimaanlagen, sagt Mühleck. "Jede Klimaanlage, die irgendwo läuft, verschärft das Problem."
Grüne Fassaden und weiße Dächer sorgen für Abkühlung
Dass der Platz in Städten eng ist, weiß auch Stefan Emeis, Professor am Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher KIT. "Deshalb sollte man Dächer und Fassaden begrünen." Das sei auch bei bestehenden Gebäuden möglich. "Ich muss die Energie, die von der Sonne kommt, wieder loswerden."
Eine weniger bekannte Möglichkeit: "Wenn ich große Flächen weiß streiche, reflektieren sie das Sonnenlicht und nehmen die Wärme gar nicht erst auf." Bekanntes Beispiel seien griechische Städte, die wegen ihrer weißen Fassaden oft als Postkartenmotiv dienen.
Schadstoffe in der Stadt sollen reduziert werden
Eine Stadt funktioniere wie eine Herdplatte, erklärt Emeis: Schadstoffe und aufgeheizte Luft steigen nach oben, frische Luft muss aus dem Umland kommen. "Das ist schön für die Städter, denn so werden sie einen Teil des Drecks, den sie produzieren, wieder los." Es reiche nicht, eine Stadt durch mehr Grün und Wasser abzukühlen.
Gleichzeitig müssten Schadstoffemissionen, reduziert werden, etwa die des Verkehrs. "Städte sollten Angebote schaffen, damit die Menschen aufs Auto verzichten: besserer Nahverkehr, Fahrradachsen, schattige Fußwege." Außerdem seien eine City-Maut und eine Reduktion von Parkplätzen sinnvoll.
Neckarbecken und Kraichgau sind durch Hitzebelastung gefährdet
"Die Hälfte aller Luftschadstoffe kommt aus Städten, weitere 30 Prozent stehen mittelbar mit Städten in Verbindung. Wenn dort wirksame Maßnahmen ergriffen werden, bewirkt das viel." Die Stadt Heilbronn arbeitet derzeit Maßnahmen aus, wie sich die Stadt an den Klimawandel anpassen kann, etwa durch mehr Grünflächen.
Das Neckarbecken und der Kraichgau sind laut Berechnungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) besonders von der Hitzebelastung durch den Klimawandel betroffen. Das schließt den Landkreis Heilbronn mit ein. Hohenlohe wird mit "mittlerer Gefährdung" gelistet. Die Anpassungsmaßnahmen müssten frühzeitig geschehen, dann fielen Schäden und Kosten geringer aus, so die Experten.


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