Corona-Inzidenz in der Region: Der Frust und die Vorfreude liegen nah beieinander
Von höchst frustriert bis hoffnungsvoll in der Pandemie: So groß ist die Bandbreite an Stimmungen, die wir am Wochenende in der Region Heilbronn im Einzelhandel und im Tourismus eingefangen haben.

Kitty Molnar von der Stadtgalerie kann es nicht verstehen: „Man fragt sich: Was ist hier los? Warum sind wir immer noch bei den Spitzenreitern?“ Beim Gespräch mit der HSt am Samstag gehört Heilbronn bei der Sieben-Tage-Inzidenz tatsächlich bundesweit noch zu den Top Ten. Das ändert sich zwar im Lauf des Wochenendes, doch auf Landesebene mischt Heilbronn immer noch vorne mit. Die Center-Managerin beschreibt die Stimmung der knapp 70 Ladenbetreiber so: „Der Frust ist groß. Meine Einzelhändler stehen seit Monaten an der Wand.“ Die Phase der Wut sei vorüber. „Wir sind einfach nur müde.“
Blick über die Grenzen
Molnars Stimmung hebt auch nicht ein Blick über die Grenzen der Stadt: Im Main-Tauber-Kreis darf der Einzelhandel am Samstag dank niedriger Inzidenz öffnen, sogar umfangreicher als im Rahmen von Click and Meet, und im Rhein-Neckar-Kreis gibt es eine Perspektive. Mit einer Inzidenz von 144,6 (Stand Sonntag) ist Heilbronn davon einiges entfernt. Immerhin: Für die aktuell sieben Leerstände in der Stadtgalerie würden jede Woche neue Gespräche geführt. „Das Interesse ist da.“ Die Center-Managerin ist „guter Hoffnung, dass wir nach der Pandemie gut aufgestellt sind“.
Fatalismus macht sich breit
Auch Wolfgang Palm vom Modehaus Palm ist am Samstag verärgert: Nach fünfeinhalb Monaten sei die Inzidenz trotz verwaister Geschäfte und geschlossener Kneipen und Restaurants in Heilbronn immer noch sehr hoch. „Es liegt also nicht am Handel oder an der Gastronomie.“ Er argwöhnt: „Die Coronapolitik in Heilbronn und in Deutschland ist ideologisch gefärbt.“ Er beschreibt die Stimmung so: „Fatalismus macht sich breit.“
„Was soll gefährlicher daran sein, ein T-Shirt zu kaufen statt ein Pfund Tomaten?“, ärgert sich Frank Bauer vom Modehaus Bauer in Bad Rappenau über die Ungleichheiten im Einzelhandel. Dass im Landkreis Heilbronn die Perspektive für Öffnungsschritte näher rückt, darüber freut sich Bauer „total. Das Lager ist proppenvoll. Wir kaufen ja schon für den Herbst ein.“ Damit es sich leert, wird er „Ware reduzieren müssen, die noch keiner gesehen hat“. Übers Wochenende unterschreitet die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis erstmals seit langem die 100er-Grenze: Am Samstag liegt der Wert noch bei 109,4, am Sonntag bei 97,5.

Öffnungsschritte nach Pfingsten im Tourismus
Zwar ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Heilbronn rückläufig, aber bis Pfingsten wird es für Öffnungen knapp. „Nach den Pfingstfeiertagen gehen wir jedoch im Landkreis von Öffnungen in der Gastronomie und im Tourismus aus“, sagt Peter Wagner, Fachgruppenvorsitzender für Tourismus und Hotellerie der Heilbronner Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. Dass es diese im Main-Tauber-Kreis seit dem Wochenende schon gibt, neidet Wagner den Wirten nicht: „Ich freue mich für sie. Vielleicht ist es ja gut: Sie machen den Praxistest für uns mit.“ Er ist sicher: Zur Herausforderung werden Themen wie Test-Konzepte oder die Kontrolle von Impfnachweisen.
Der Dehoga-Fachmann geht davon aus, dass das Heilbronner Land als Urlaubsregion von der Pandemie profitiert, vor allem kurzfristig: „Man geht dahin, wo man jetzt hin kann und wohin es nicht so weit ist.“
2020 hatte sie diesen Urlaub-vor-der-Haustür-Effekt, sagt Kerstin Fritz vom Ferienhof Laurentius in Falkenstein. Der Weiler gehört zu Oedheim. „Wir hoffen darauf, dass es 2021 wieder so sein wird.“ Zwei Ferienwohnungen und mehrere Gästezimmer kann man mieten. Jetzt, da Lockerungen in Aussicht stehen, „haben wir wieder mehr Anfragen“. Auch Kerstin Fritz muss sich noch einlesen, wie das Testkonzept für Übernachtungsgäste funktionieren soll und was zu beachten ist. Grundsätzlich ist sie guter Dinge: „Man freut sich, dass es endlich wieder eine Perspektive gibt.“
Ein erster Öffnungsschritt
Für den Einzelhandel im Land gilt seit Freitag: Ein erster Öffnungsschritt ist möglich, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an mindestens fünf Werktagen hintereinander unter 100 liegt. Am Tag nach der Bekanntmachung darf der Einzelhandel im Rahmen von Click and Meet öffnen. Dabei ist ein Kunde pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche erlaubt. Zwei Kunden pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche sind ohne Terminbuchung zulässig, wenn die Kunden einen Test-, Impf- oder Genesenennachweis vorlegen. In der Stadt Heilbronn lag die Inzidenz am Sonntag bei 144,6, im Landkreis erstmals unter 100, nämlich bei 97,5.