So ticken die Klimaschutzmanager aus der Region
Viele Kommunen haben eigene Stellen für Klimaschutzmanager in ihren Rathäusern geschaffen. Was treibt die Beschäftigten in dieser recht jungen Berufsgruppe an?

Emissionen reduzieren - um dieses Ziel zu erreichen, starten die Kommunen in der Region zahlreiche Maßnahmen zum Thema Klimaschutz. Das reicht von der Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes bis zur Umstellung auf LED-Straßenbeleuchtung, von Radwegen bis hin zu Photovoltaik auf dem Rathausdach. Die Wege, Stationen und das Tempo sind breit gefächert. Das spiegelt sich auch in den Persönlichkeiten derer wider, die als Klimaschutzmanager arbeiten. Welche Menschen stecken hinter der recht jungen Berufsgruppe, die sich in den Rathäusern um den Klimaschutz kümmert?
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Ilsfeld: Marlene Luft, 31 Jahre
Seit 18. August ist Marlene Luft Klimaschutzmanagerin im Büro des Bürgermeisters - das Aufgabenfeld hatte sie bei der Gemeindeverwaltung bereits seit Mitte 2019 in befristeter Anstellung betreut. Luft kommt aus Hohenlohe, wuchs in Bitzfeld auf und lebt in Bretzfeld. Zuerst studierte sie in Trier BWL, ihr Interesse für Klimaschutz kam mit der Zeit, sagt sie. In Trier ist ihr besonders die verkehrsberuhigte Innenstadt ans Herz gewachsen.
"Ich habe mir Praxisbezug gewünscht", sagt Luft. Nach drei Semestern sattelte sie um, zu Verfahrens- und Umwelttechnik an die Hochschule Heilbronn. Begeistert tüftelte sie dort an Praktischem und verfolgte am Sontheimer Campus zwei Themen intensiv: Neben der Wasseraufbereitung besonders Gummi-Recycling bei alten Autoreifen, dem sie ihre Bachelorarbeit widmete. "Altreifen können sauerstofffrei verbrannt werden: so entsteht ein Pyrolyse-Reingas und ein Pyrolyse-Reststoff", erklärt Luft. "Die beiden Stoffe lassen sich wiederverwerten: Das Gas zum Beispiel zur Stromerzeugung, und aus der Substanz kann man Aktivkohle gewinnen."
Was meint Luft, welche Klima-Laster im Alltag gut vermeidbar sind? "Online-Shopping: Da lässt sich einiges an CO2 einsparen", gerade beim Transport. Andere längere Routen hingegen genießt Luft sehr: "Beim Wandern mit Freunden entstehen ganz tolle Gespräche."
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Brackenheim: Jonathan Wein, 25 Jahre
In Form "klassisch-schwäbischer Nachhaltigkeit" hat der seit Oktober 2020 tätige Klimaschutzmanager den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen von klein auf gelernt: "Nichts wegschmeißen" - Credo seiner Großeltern, die im westlichen Landkreis einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, sagt Jonathan Wein. Er sei ländlich aufgewachsen. Doch trotz des Naturbezugs sei nicht ausgemacht gewesen, "dass ich meine gesamte berufliche Karriere dem Thema Nachhaltigkeit verschreibe".
Bereits der berufliche Einstieg führte ihn in die Kommunalverwaltung, nach Ludwigsburg. Er wurde Verwaltungsfachangestellter und erlangte parallel die Fachhochschulreife. Die Stadt übernahm ihn, und zu dieser Zeit, so berichtet Wein, imponierte ihm das Referat für nachhaltige Stadtentwicklung: Die Abteilung war vom damaligen OB Werner Spec vorangetrieben worden und diesem direkt unterstellt. Es stellte eine "Vorreiterrolle" dar, ist Wein überzeugt.
Ab Herbst 2016 studierte Wein Nachhaltiges Regionalmanagement an der Forsthochschule Rottenburg, "eine kleine Hochschule im Grünen ohne die Anonymität großer Hörsäle." Für Weins Arbeit in Brackenheim sei das Studium sehr wertvoll gewesen. Sicherlich sei Klimaschutz dort bereits Lerninhalt gewesen, in der Breite habe das Thema aber gerade "die letzten Jahre enorm an Dynamik gewonnen".
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Bad Rappenau: André Göldenboth, 28 Jahre
Bereits als Kind war André Göldenboth begeistert klimaschonend unterwegs: "Zwischen Heilbronn und Wüstenrot" sei er in die Pedale tretend groß geworden. In Stuttgart studierte er Technologiemanagement: Maschinenbau zu 80 Prozent, kombiniert mit BWL.
Resilienz war Thema seiner Abschlussarbeit. Nötig ist sie, damit sich eine Organisation erholt, nachdem sie mit negativen Einflüssen konfrontiert war. Machte ihn das fit für Themen der Klimaanpassung? Neben den Ursachen müsse auch mit den Folgen umgegangen werden, so Göldenboth. "Da ist Resilienz sehr wichtig - also Fähigkeiten wie gute Kommunikation, Vertrauen plus schnelles Handeln."
Für den Master Nachhaltige Energiesysteme zog er nach Magdeburg, um sich mit Energiesystemen wie Turbinen, aber auch mit regionaler Entwicklung zu befassen. Nebenbei war er bei einem Betrieb der ökologischen Landwirtschaft tätig. Göldenboths Studium endete mit einer Arbeit zum Braunkohle-Ausstieg in Sachsen-Anhalt. Sie verdeutlichte ihm die "gewaltigen Dimensionen" der energiebedingten Treibhausgasemission. "Veränderung beginnt beim Individuum", so der Klimaschutzmanager. "Ein solches Kraftwerk abzuschalten, spart zwar gewaltige Mengen an Emissionen ein. Doch Klimaschutz braucht auch viele kleine Maßnahmen."
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Neckarsulm: Carina Puff, 31 Jahre
Im Gespräch erinnert sich Carina Puff an eine Seminararbeit, die sie 2011 kurz vor dem Abitur schrieb: Auswirkungen des Klimawandels auf den Main. In Unterpleichfeld (Landkreis Würzburg) ist Puff aufgewachsen und war als Grundschülerin im Schulgarten tüchtig: "Wir haben Tomaten, Karotten, Radieschen und auch Blumen gepflanzt und Insektenhotels gebaut." Ihr Interesse galt Naturräumen, berichtet Puff, seit Herbst 2018 Mobilitäts- und seit Mai Klimaschutzmanagerin der Stadt. "Meine Heimat ist landschaftlich ähnlich wie Neckarsulm: Weinbau, Wald und manchmal hügelig."
Um "im großen Überblick zu verstehen, wie faszinierend unser Planet ist", begann sie, Geografie an der Uni Würzburg zu studieren. Zum Ende des Bachelors spezialisierte sie sich in Humangeografie: Siedlungen, Bevölkerungsentwicklung, Mobilität und Umweltbildung.
Im Geografie-Masterstudium legte Puff den Schwerpunkt auf Regionalplanung und -entwicklung. "Ein gutes Rüstzeug für Fragen der Mobilität und des Klimaschutzes am Wirtschaftsstandort Neckarsulm", erklärt sie. Ob für die 31-Jährige das Klimaschutzkonzept, bei dem sie federführend mitgearbeitet hat, eine Art Ersatz-Doktorarbeit sei? "Das Konzept ist deutlich praktischer als eine Doktorarbeit - eine Marschroute mit praxisnahen Maßnahmen für die nächsten Jahre."
Querschnittsaufgabe mit Symbolcharakter
Baden-Württemberg will als erstes Bundesland die Ziele zur Verminderung der Treibhausgasemissionen für sämtliche Bereiche in das Klimaschutzgesetz aufnehmen. Auch präsentierte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) kürzlich ein ausformuliertes Zwischenziel bis 2030.
Auf Gemeindeebene treiben Klimaschutzmanager Umstellungen voran. "Ob Kommunen einen Klimamanager einstellen, ist ihre eigene Entscheidung", sagt Mareike Schiffko vom Landesumweltministerium. Daher seien Auskünfte darüber schwierig, wie viele Klimaschutzmanager es im Land gibt. Auch ist es keine normierte Berufsbezeichnung. So "erfolgt auch die Ausschreibung der Stellen in den Kommunen. Und daher können je nach Tätigkeitsbereich in der Kommune selbst die gewünschten Profile der Klimamanager variieren", so Schiffko. Das sei "sicherlich auch ein Zeichen dafür, wie breit die Themen beim Umwelt- und Klimaschutz gefächert sind".
Mit dem Ziel der Klimaneutralität gab es kommunale Verpflichtungen, die "Neuland" seien, berichtet Stefan Braun, Referent für Klimafragen beim Gemeindetag Baden-Württemberg. Eine Rolle spiele, dass Rathäuser oft Aufgaben mit "Lösungen nach bekanntem Schema" bearbeiten, dagegen sei dem Klimawandel mit einer Vielfalt verschiedener Ansätze zu begegnen. Klimaschutzmanager seien dabei an zentraler Stelle, hätten viele Fäden in der Hand. Der Klima-Referent räumt aber auch ein, dass die Gefahr bestehen kann, sich zwischen "Mobilitätskonzept, Energiefresser ausmerzen und Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu minimieren" zu "verheddern".
Dem Vorwurf, dass mit Klimaschutzmanagern viel Symbolik ins Rathaus Einzug halte, tritt Braun entgegen: Auch symbolische Komponenten machten "in der Summe den Klimaschutz aus". Braun geht weiter: "Wenn ich alles als Symbolpolitik brandmarke, dann haben wir dem Klimawandel nichts entgegenzusetzen." Auch sei ja gerade die Kunst, derlei Vorwürfe "gut zu beantworten". Ein Zeichen "der Professionalität und des Ehrgeizes" der Klimaschutzmanager.