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Das 9-Euro-Ticket - oder wie Milliarden verbrannt werden

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Tilo Elser, Direktor der Heilbronner Verkehrsbetriebe, kritisiert den Bund wegen des Tarifsonderangebots. Das Geld könne man sinnvoller einsetzen.

Das 9-Euro-Ticket wird auch in Heilbronn stark nachgefragt.
Das 9-Euro-Ticket wird auch in Heilbronn stark nachgefragt.  Foto: Seidel, Ralf

Tilo Elser und das 9-Euro-Ticket werden keine Freunde. Der Direktor der Verkehrsbetriebe Heilbronn sieht zwar, dass das Ticket in seinem Gültigkeitszeitraum Juni bis August 15 bis 20 Prozent mehr Fahrgäste in den Abendstunden und im Freizeitverkehr auf Bus und Bahn gelockt hat, sagt aber auch: "Dieses Ticket wurde gekauft, weil es so billig ist. Es hat Verkehr erzeugt, aber nicht verlagert."

Studien zufolge seien wegen des 9-Euro-Tickets im Berufsverkehr tatsächlich nur zwei bis vier Prozent der Nutzer vom Auto auf Bus oder Bahn umgestiegen. Für Elser ist das Ticket, das deutschlandweit im Nahverkehr auf allen Strecken und zu allen Bahnhöfen gilt, "somit grandios gescheitert", wie er in einem Gespräch mit der Heilbronner Stimme schonungslos feststellt.


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Nicht nachvollziehbar

Nicht nachvollziehen kann Elser, der mittlerweile seit 30 Jahren an der Spitze der Heilbronner Verkehrsbetriebe steht, dass der Bund 2,5 Milliarden Euro als Ausgleichsleistungen für die Finanzierung des 9-Euro-Tickets aufwenden muss: "Das sind Steuermittel, also Geld von jedem von uns", sieht Elser dieses Geld "mehr oder weniger verbrannt". Für ihn ist das eine "Verramschung von hochwertigen Leistungen im Nahverkehr".

Aus seiner Sicht wäre es "deutlich sinnvoller" gewesen, die 2,5 Milliarden Euro zum einen in die Verbesserung der Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs, zum anderen in die Stabilisierung der Tarife zu investieren. Die städtischen Verkehrsbetriebe beispielsweise hätten rund zwei Millionen Euro aus dem, 2,5-Milliarden-Euro-Topf erhalten. "Damit hätten wir ganz bequem die wegen des Neubaugebiets Hochgelegen geplante Busspur in der Römerstraße bauen können und noch Geld für unsere Tarifgestaltung übrig gehabt", zeigt der erfahrene Verkehrsbetriebsdirektor auf die andere Seite der 9-Euro-Ticket-Medaille.

 

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Teuerung abfedern

"Wie lange kann sich unser Staat es sich noch leisten, 2,5 Milliarden Euro einfach so zum Fenster hinauszuwerfen?", fragt Elser. Und er zitiert, was nicht alle Tage vorkommt, den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann, der sich ebenfalls für mehr Tarifstabilität und größere Nahverkehrsinvestitionen ausgesprochen habe: "Wenn das ein Grüner sagt, muss doch was dran sein."

Angesichts dieser Erkenntnis hat Elser keine guten Nachrichten, was die neuen Bustarife anbelangt: "Wir müssten die Preise um zehn bis zwölf Prozent erhöhen, um die Teuerungen einigermaßen abfedern zu können." Eine derart große Steigerung sei jedoch nicht durchzusetzen: "Da laufen uns die Fahrgäste weg. Dann wären wir nicht mehr marktfähig." Um wie viel die Tarife zum Fahrplanwechsel im Dezember anziehen werden, steht laut Elser noch nicht fest.

Im Heilbronner-Hohenloher-Haller-Nahverkehr (HNV) haben nach den Worten von Andreas Schluchter 43.457 Abonnenten und 1662 Semester-Ticket-Inhaber vom 9-Euro-Ticket profitiert. Ihnen wurden nur neun Euro abgebucht. "Darüber hinaus wurden verbundweit im Juni insgesamt 29.606 Tickets für neun Euro verkauft", verweist der kaufmännische Leiter der Verkehrsbetriebe auf seine Unterlagen. Nach einer Hochrechnung von Schluchter wurden somit in den drei Monaten knapp 195.000 Tickets verkauft.

 

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