Landrat Heuser: Damit vieles im Landkreis Heilbronn bleibt, muss sich noch mehr ändern
Landrat Norbert Heuser spricht im Stimme-Interview über die Notwendigkeit, festgefahrene Standards zu überdenken. Dabei geht es auch darum, Verwaltungsvorgänge zu beschleunigen.

Seit September 2021 ist Norbert Heuser Landrat im Landkreis Heilbronn. In seiner Antrittsrede hat er unter anderem den Klimaschutz zum Hauptthema der kommenden Jahre erklärt. Im Interview spricht der 58-Jährige über perfekte Zeitpunkte für Veränderungen, die bisherigen Weichenstellungen seiner Amtszeit sowie die Chancen Künstlicher Intelligenz.
Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an den Landkreis Heilbronn denken?
Norbert Heuser: Ich denke daran, dass unser Landkreis Baden-Württemberg im Kleinen ist. Wir haben hier viele Vorzüge des Landes auf rund 1100 Quadratkilometern: Die Vielfalt der schönen Landschaft, 46 attraktive Städte und Gemeinden - und außerdem leben wir in einem der wirtschafts- und zukunftsstärksten Gebiete Deutschlands.
Was hat Sie, neben der Begeisterung für die Region, dazu bewogen, 2021 ihr Amt als Bürgermeister aufzugeben und sich nicht mehr nur für eine Stadt, sondern gleich für die ganze Region einzusetzen?
Heuser: Motiviert hat mich, wichtige Zukunftsthemen auch über kommunale Grenzen voranzutreiben sowie mit allen Akteuren gemeinsam die Region zu stärken und weiter voranzubringen.
An Aufgaben herrscht kein Mangel. In Ihrer noch jungen Amtsperiode sind Sie mit Corona, dem Ukraine-Krieg und der Klimakrise konfrontiert. Fühlen Sie sich vor allem als Krisenmanager?
Heuser: Die Krise ist die neue Normalität. Insbesondere der Klimawandel wirkt sich unmittelbar auf viele Bereiche aus und verändert die Welt. Neben Extremwetterereignissen bei uns, wie etwa Starkregen oder langanhaltende Trockenheit, ist der Klimawandel inzwischen ein Hauptgrund für die weltweite Fluchtbewegung.
Was haben Sie in Ihrer Amtszeit bisher erreicht, um das Thema Klimaschutz voranzutreiben?
Heuser: Wir sind gut unterwegs. Der Kreistag hat beschlossen, dass der Landkreis Heilbronn eine Energieagentur gründet. Diese wird die Kommunen beraten, wie sie beim Klimaschutz vorankommen. Zudem bin ich Sprecher für den Bereich Wasserstoff der Metropolregion Stuttgart. Wir setzen uns dafür ein, den CO2-Ausstoß mithilfe klimafreundlichen Wasserstoffs zu senken. Es gilt, die Aufbruchstimmung zu nutzen und eine gemeinsame Strategie auf den Weg zu bringen. Es ist jetzt wichtig, dass die Unternehmen der Region ihren Bedarf an grünem Wasserstoff melden. Ohne entsprechenden Bedarf wird es in zehn oder 15 Jahren auch keine entsprechenden Verteilnetze in unserer Region geben. Dabei müssen wir in der Metropolregion und der Region Heilbronn-Franken noch viel stärker zusammenarbeiten. Unsere Zukunft hängt davon ab, auch wirtschaftlich.
Inwiefern?
Heuser: Wir müssen auf den Wandel reagieren und unsere Standards hinterfragen. Die Standards sind über Jahrzehnte entstanden, als noch genügend Ressourcen - sei es Geld, sei es Personal - vorhanden waren. Weniger ist manchmal mehr. Firmen werden nur dort investieren, wo sie unter guten Bedingungen produzieren können. Sofern nicht genügend bezahlbare erneuerbare Energie zur Verfügung steht, besteht die Gefahr, dass Zukunftsinvestitionen dann woanders stattfinden. Wirtschaftlich sehe ich den Landkreis sehr gut aufgestellt. Schwerer, als dieses Niveau erreicht zu haben, ist es aber, dieses zu halten.
Wie kann die Verwaltung hierbei positiv einwirken?
Heuser: Indem wir Abläufe beschleunigen, können wir dem Fachkräftemangel in Firmen entgegenwirken. Zum Beispiel sollten die Aufenthaltspapiere bei zugewanderten Fachkräften genehmigt sein, sobald diese einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen erst noch in Rente. Beim Thema "fehlende Köpfe" erleben wir nur einen Vorgeschmack dessen, was noch kommt.
Die "fehlenden Köpfe" treiben auch Sie in der Verwaltung um. Im genannten Beispiel mit den zu langsamen Abläufen hat Fachkräftemangel weiteren Fachkräftemangel zur Folge. Wie wirken Sie dem entgegen?
Heuser: Die Digitalisierung bietet Chancen. Viele Verwaltungsvorgänge sollen die Bürger zukünftig digital von zu Hause aus erledigen können, wie aktuell bei den Onlinediensten bei der Zulassung. Künstliche Intelligenz kann uns dabei helfen, Prüfvorgänge zu beschleunigen und die Menschen zu entlasten. Und außerdem muss auch die Verwaltung für moderne und sinnstiftende Arbeitsbedingungen sorgen, damit die Mitarbeitenden wissen, wofür sie täglich aufstehen. Das Landratsamt sorgt durch Transferleistungen und Teilhabe für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Teil des Teams Menschen zu unterstützen, ist eine wichtige Aufgabe.
Was entgegnen Sie Menschen, die Aufgaben wie den Klimawandel und die Digitalisierung als zu komplex betrachten, um sie anzugehen?
Heuser: Das Wichtigste ist, mit kleinen Schritten voranzugehen und Stabilität in neue Abläufe zu bringen. Wenn man auf den perfekten Startmoment wartet, verliert man viel Zeit. Den idealen Zeitpunkt gibt es nicht.