HHN-Professor: "Corona trifft die Tourismusbranche am stärksten"
Professor Ralf Bochert spricht im Stimme-Interview über die Auswirkungen der Pandemie und die Sehnsucht von Reisenden. Deutschland-Tourismus kommt in der Krise noch am besten weg.

Reisebüros melden nach schwierigen Monaten wieder einen deutlichen Buchungsanstieg. Für Ralf Bochert ist das keine Überraschung. Der Professor für Destinationsmanagement und Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Heilbronn weiß, warum es die Menschen gerade jetzt wieder in die Ferne zieht, wie sich das Reiseverhalten verändert hat und woher die Sehnsucht nach Urlaub in der Fremde kommt.
Reisen ziehen wieder deutlich an. Wie groß ist die Sehnsucht der Menschen in der Pandemie wieder zu verreisen?
Ralf Bochert: Offensichtlich ist die Sehnsucht groß. Wobei anziehen nicht heißt, dass das Niveau von 2019 erreicht wird. Im Moment gibt es eine Öffnungsperspektive und die Idee, dass es im Sommer keine Beschränkungen mehr geben wird. Das bringt eine gewisse Sicherheit mit sich, in diesem Jahr relativ problemlos verreisen zu können. Trotz eines gewissen Nachholbedarfs werden die Zahlen von 2019 aber wohl meist nicht übertroffen.
Wie lässt sich generell die Sehnsucht nach fremden Ländern erklären?
Bochert: Es gibt die Motive des Neuen, des Entdeckens oder auch einfach mal den Wunsch, aus den Mühlen des Alltags rauszukommen. Dazu kommt die Suche nach Abwechslung und zusätzlicher Erfahrung. Aber auch das Argument: Wenn ich elf Monate arbeite, will ich im zwölften was ganz anderes machen. Und das soll dann nicht zu Hause sein.
Hat sich das Reiseverhalten der Deutschen in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren verändert?
Bochert: Selbstverständlich. Es ist beobachtbar, dass es in den letzten zwei Jahren extreme Rückgänge gab. Corona hat die Reisebranche von allen Branchen wahrscheinlich am stärksten getroffen. Für die Branche stellt sich die Frage, ob sich nach der Pandemie wieder ein Niveau von 2019 einstellt oder ob es ein neues, niedrigeres Niveau sein wird.

Wie stark hat die Tourismusbranche unter der Pandemie gelitten?
Bochert: Die Branche hat extrem gelitten. Als Indikator: Fast die Hälfte der Corona-Hilfen ist in den Tourismus geflossen. Vor allem der Geschäftstourismus, aber auch Gastronomie und Reisewirtschaft haben stark unter der Pandemie gelitten. Dabei ist es durchaus nachvollziehbar, dass bei Kontaktbeschränkungen politisch gerade diese Branche oft ausgewählt wurde.
Sind Reisende vorsichtiger geworden?
Bochert: Mit Sicherheit. Wenn Menschen generell Kontakte reduzieren, sind sie auch in ihrem touristischen Verhalten vorsichtiger geworden.
Gibt es denn auch Profiteure der Pandemie?
Bochert: Generell hat der Urlaubstourismus innerhalb von Deutschland vergleichsweise weniger gelitten. Die Krise war nicht ganz so groß wie beim Auslandstourismus. Wahrscheinlich weil viele Menschen gedacht haben, hier ist es nicht so riskant, dass kurzfristig storniert werden muss.