Café Schell wird 100: Ein süßes Stück Gundelsheim feiert Jubiläum
Das Gundesheimer Traditionshaus Schell feiert 100-jähriges Bestehen. Ein langer Weg mit Höhen und TIefen: vom Café mit Bäckerei über die Konditorei zur international aktiven Schoko-Manufaktur.

An Süßigkeiten und spannenden Geschichten mangelt es bei diesem Jubiläunicht: Das Gundelsheimer Traditionshaus Schell feiert das 100-jährige Bestehen. Patron Eberhard Schell, der sich als Chocolatier international einen Namen gemacht hat, gibt Einblicke in die vier Generationen umfassende Firmenhistorie.
Am 8. Juni 1924 erfüllten sich Karl und Maria Schell einen Traum: die eigene Bäckerei-Konditorei und Weinstube. Dafür baute das Paar eine Zigarrenfabrik in der Schlossstraße 31 um. Dem in Köln ausgebildeten Bäckermeister "schwebte ein Ort vor, an dem man sich versammeln kann, um gemeinsam die einfachen Freuden des Lebens zu genießen", berichtet Enkel Eberhard Schell. Der christliche Glaube und gute Zeitgenossen hätten ihm über manche Tiefen hinweg geholfen.
Vor 100 Jahren gingen Promis ein und aus
Schloss Horneck gehörte einst zu den wichtigsten Kureinrichtungen Deutschlands und zog vor allem gut betuchte Menschen mit Übergewicht, Verdauungsproblemen und Diabetes an. So weilten etliche Promis über Wochen im Städtle: die württembergische Königin, die deutsche Kaiserin, Boxweltmeister Max Schmeling bis hin zu Filmgrößen wie Gustav Gründgens oder Luis Trenker. Gute Kundschaft also.
Harte Zeiten unter den Nazis

In der Nazi-Zeit erlebten die "Judenfreunde" Schell als standhafte Katholiken schwere Tage. Vor dem Geschäft postierte sich die Hitlerjugend und versuchte, Kunden vom Einkauf abzuhalten. Aber das Ehepaar ließ sich nicht einschüchtern, kaufte 1936 sogar ein benachbartes Bauernhaus hinzu und bezog seine Waren weiter auch bei jüdischen Geschäftspartnern.
Sogar eigener Wein vom Himmelreich
In den Aufbaujahren startete Schell durch. 1954 wurde erneut erweitert und ein neuer Verkaufsladen eingerichtet. Schließlich galt es, den sechs Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Und wer viel schafft, darf auch viel feiern: Der Name Schell ist eng mit dem Gundelsheimer Faschingsverein verbunden. Feiern und Genuss perfekt machte der selbst ausgebaute Wein vom Himmelreich. "Ab und an gab es auch ein Tröpfchen zu probieren", erinnert sich der heute 60-jährige Enkel, der so von klein auf "eine Fülle von Aromen" kennenlernte.
Gründervater war lange am Rührlöffel
Erst zu seinem 75. Geburtstag übergab Gründervater Karl 1970 den Betrieb an Sohn Theo. Der Bäckermeister liebte die Konditorei und baute sie mit Ehefrau Renate weiter aus. Die älteste Tochter Jutta lernte bei Roman in Heilbronn und ist heute die dienstälteste Kraft des Betriebs. Als es sich abzeichnete, dass Sohn Eberhard und Ehefrau Annette - 1990 - den Betrieb übernehmen, stand eine weitere Generalsanierung an. Eine neue Backstube, eine Café-Erweiterung und mehrere Gästezimmer kamen hinzu.
Zündende Idee bringt Schell auf die Erfolgsspur
Doch mit dem Ausbluten der Altstadt ging die Laufkundschaft zurück. Ein Berater malte das Aus an die Wand. Doch die Schells belehrten ihn eines Besseren. 1995 hatte die Weingärtnergenossenschaft Neckarsulm-Gundelsheim angefragt, deren Weinessig in ein Dessert zu integrieren. Daraus erwuchsen nach langen Experimenten die weltbekannten Pralinen mit edelsäuerlicher Füllung, die "Essigschleckerle". Als erste ihrer Art landeten sie im Guinness-Buch der Rekorde. Medien gaben sich die Klinke in die Hand. Eberhard Schell wurde zum TV-Experten und stand für die SWR-Sendung "Kaffee oder Tee" über zehn Jahre vor der Kamera. Im Doppelpass mit dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter entstand ein ganz neues Gourmet-Thema, die Kombination von Schokolade und Wein.
"Auch Kakao hat Terroir, Säure, Frucht, Gerbstoffe, Tannine und braucht eine Vergärung, um den besten Geschmack zu erhalten. Beides zu vermählen, war eine großartige Herausforderung", so Schell, der bald mit den besten Sommeliers Deutschlands arbeitete und 2009 ein Standardwerk zu diesem Thema edierte, das an keiner Wein-Hochschule fehlt - vor allem dort nicht, wo Schell als Dozent wirkt.
Fair Trade mit Kakao-Bauern in Borneo

Die Produktionsstätte im Stammhaus wurde zu klein, bald auch benachbarte Mieträume. 2007 entstand eine Manufaktur im Gewerbegebiet, das Stammhaus wurde modernisiert. Mit Fairventures aus Stuttgart nahm Schell gar ein Projekt in Kalimantan (Borneo) in Angriff, das heute 180 Kleinbauern involviert und von "Brot für die Welt" und dem WWF unterstützt wird.
Nach dem Jubiläum werden die Töchter Agnes und Michaela die Firma Schritt für Schritt übernehmen. Während die Eltern weiter mitmischen, freuen sie sich über mehr Zeit für drei Enkelkinder, denen sie nicht nur mit "Backe, backe Kuchen" Lust auf die Zukunft machen.
Schells Jubiläumsprogramm mit Schokolade, Menü, Wein und Musik
Für das 100-jährige Bestehen hat Familie Schell viele Aktionen geplant. Am Samstag, 20. April, 8.30 bis 17.30 Uhr, wird es im Stammhaus in der Gundelsheimer Schlossstraße viele Köstlichkeiten aus 100 Jahren geben.
Am Samstag, 21. September, findet in der Gundelsheimer Deutschmeisterhalle eine Jubiläumsgala statt. Unter dem Motto "Weltreise auf den Spuren der Schokolade", moderiert von Jürgen Blum und der Familie Schell, wird man viel über Herstellung und Anbau des Kakaos erfahren, aber auch über seine Genussvielfalt. Ein Illustrator und ein Pianist begleiten diesen Abend. Jeder Gast bekommt seine selbst gegossene Schokolade.
Am Sonntag, 29. September, ist in der Schokoladen-Manufaktur, Gottlieb-Daimler-Straße 36, ein Tag der Offenen Türe mit Verkostungsproben angesagt.
Am Sonntag, 20. Oktober, gibt es ein Jubiläumskonzert mit dem populären Opernsänger Jay Alexander in der katholischen Kirche Sankt Nikolaus in Gundelsheim.
Abgerundet wird das Jahresprogramm mit einem Schokoladenmenü mit Weinbegleitung am Donnerstag, 24. Oktober, in der Wein-Villa, Cäcilienstraße 66, Heilbronn.


                
                 
                  
                
				
              
                
            




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