Was Stimme-Leser vom 49-Euro-Ticket halten
In den Sommermonaten waren mehrere Stimme-Leser mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs. Wir haben sie gefragt, was sie von dem geplanten Nachfolgeangebot halten. Uneingeschränkte Zustimmung findet es nicht.
Das 9-Euro-Ticket bekommt einen teureren Nachfolger. Ab 2023 kann jeder für 49 Euro im Monat in ganz Deutschland mit Bussen und Bahnen im Nahverkehr fahren. Bisher ist noch nicht jedes Detail geklärt, fest steht aber, dass das Ticket als monatlich kündbares Abo verkauft wird. Es soll digital und als Plastikkarte erhältlich sein. Wann das sogenannte Deutschlandticket startet, ist ebenfalls noch unklar. Der ursprünglich geplante Start zum 1. Januar 2023 ist laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen nicht haltbar. Gerechnet wird mit 1. März 2023.
Mehrere Stimme-Leser waren zwischen Juni und August mit von der Redaktion gesponserten 9-Euro-Tickets unterwegs und haben fortlaufend von ihren Erfahrungen berichtet. Die meisten von ihnen haben sich ein Nachfolge-Angebot gewünscht. Wir haben gefragt, was sie vom geplanten 49-Euro-Ticket halten und ob sie es sich zulegen würden.
- Alyssa Ayers (25), Heilbronn

Als Studentin war Alyssa Ayers glücklich über das 9-Euro-Ticket. Die 25-Jährige aus Heilbronn studiert Soziale Arbeit in Stuttgart und ist daher oft mit der Bahn innerhalb Stuttgarts oder zwischen den beiden Städten unterwegs. Im Vergleich zu ihrem regulären Ticket, das 72 Euro kostet, sparte sie in den Sommermonaten Geld und war entsprechend traurig, als der Billig-Fahrschein im September auslief. „Ich hatte auch echt gar keine Probleme mit der Bahn, das hat super funktioniert“, berichtet Ayers. Lediglich in der Anfangszeit habe es Probleme mit Baustellen auf der Strecke gegeben.
„Ich finde den Nachfolger gut. Bei 49 Euro beschwere ich mich nicht“, sagt Alyssa Ayers. Wichtig ist ihr zum einen, dass das Ticket in ganz Baden-Württemberg gilt, damit der Wechsel zwischen den Verkehrsverbünden HNV und VVS wegfällt. Gespannt ist sie darauf, wann das neue Ticket startet. Ab Januar ist sie zur Praxisphase in Heilbronn. „Ich habe gesagt, ich pendele nur, wenn es einen Nachfolger gibt. Sonst ist das zu teuer.“
Sinnvoll findet Ayers außerdem, dass es das Nachfolge-Ticket als monatlich kündbares Abo gibt, damit nicht auf einen Schlag eine hohe Geldsumme fällig wird.
- Bernd Veith (63), Eberstadt

Zwischen Juni und August war Bernd Veith fast jedes Wochenende mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs, von Sinsheim, Mannheim und Karlsruhe bis nach Schwäbisch Hall, Würzburg oder Rüdesheim. Der günstige Fahrschein habe sich für ihn voll gelohnt, berichtet der Rentner aus Eberstadt im Gespräch mit unserer Redaktion. Allerdings seien volle Züge, Ausfälle, Verspätungen und Umwege eher die Regel als die Ausnahme auf seinen Zugreisen gewesen. Oft konnte der frühere Fahrdienstleiter nur noch seine Freikarte zücken, mit der er den Fernverkehr nutzen kann.
Auch das 49-Euro-Ticket will er sich zulegen, sobald es erhältlich ist. „Der Preis ist soweit auch in Ordnung“, sagt Veith, der ursprünglich auf ein 365-Euro-Ticket gehofft hatte. Dass es überhaupt ein Nachfolgeticket geben wird, ist für den 63-Jährigen eine „tolle Sache“. Vor allem die Möglichkeit, das Ticket bei Bedarf zum Monatsende kündigen zu können, hält er für sinnvoll.
Sorgen bereitet Bernd Veith derzeit noch, dass es bisher keinen definitiven Starttermin für das sogenannte Deutschlandticket gibt. Da helfe momentan nur „Geduld haben und weiter darauf hoffen“, sagt er und lacht.
- Familie Dörzbach, Bad Rappenau

Bei Familie Dörzbach aus Bad Rappenau-Treschklingen machte sich nach der 9-Euro-Ticket-Zeit Ernüchterung breit. Die Vier konnten den Fahrschein so gut wie gar nicht nutzen, weil zu Hause der Bahnhof fehlte oder im Urlaubsort weder Busse noch Bahnen fuhren. Lediglich einmal fuhren die Dörzbachs mit dem Nahverkehr nach Stuttgart, mussten dabei aber viele Male umsteigen.
„Die Bilanz war einfach nicht gut“, sagt Nina Dörzbach. „Und wir werden uns selbstverständlich auch kein 49-Euro-Ticket kaufen, weil wir es nicht sinnvoll einsetzen könnten.“ Denn die beiden Söhne Hannes und Anton können kostenlos den Schulbus nutzen, für Ausflüge schwingt sich die Familie meist aufs Fahrrad. „Manchmal fahren wir ins Stadion nach Hoffenheim, aber da ist der Nahverkehr im Eintrittspreis schon enthalten.“
Nina Dörzbach wünscht sich daher viel dringender einen direkten Radweg von Treschklingen nach Babstadt. Denn das Fahrrad bleibe für die Vier das Fortbewegungsmittel der Wahl. Daran ändere auf absehbare Zeit auch der geplante Ausbau der Krebsbachtalbahn nichts. „Solange wir auf dem Land keine besseren Verbindungen haben, brauchen wir ein 49-Euro-Ticket nicht.“
- Stephanie Flödl (34), Bad Friedrichshall

Für Stephanie Flödl war das 9-Euro-Ticket im Alltag eine Erleichterung. Über Fahrten in die Stadt, zur Oma oder ins Schwimmbad musste die alleinerziehende Mutter nicht nachdenken. Momentan sei das anders: „Ich schränke mich aktuell etwas ein beim Bus fahren und schaue, wie ich Termine verbinden kann“, berichtet Flödl. „Die neun Euro bezahle ich schon in einer Woche.“
Die 34-Jährige möchte sich das 49-Euro-Ticket auf jeden Fall kaufen. „Das finde ich echt gut.“ Der Preis sei für sie selbst bezahlbar, ihre Tochter Emma kann derzeit noch kostenlos Bus fahren und wird später den Schulbus nehmen können. Mit dem Flatrate-Fahrschein seien dann auch wieder mehr Ausflüge möglich, sagt Flödl. Für die Oma sei das Deutschlandticket aber beispielsweise keine sinnvolle Lösung. „Für sie lohnt es sich nicht, weil sie nur ein paar Mal im Monat fährt. Dafür sind 49 Euro zu teuer.“
Dass man das 49-Euro-Ticket nur im Abo kaufen können wird, findet die Bad Friedrichshallerin nicht so gut. „Man hat dann immer im Hinterkopf, dass man etwas kündigen muss, damit nicht weiter abgebucht wird. Da war man mit dem 9-Euro-Ticket deutlich flexibler."
- Elisa Czerny und Jord Janssen (26, 22), Leingarten

Auf dem Arbeitsweg von Elisa Czerny und Jord Janssen aus Leingarten hat sich das 9-Euro-Ticket gelohnt. Die beiden besitzen kein Auto und pendeln täglich mit den S-Bahnen der Linie S4 nach Heilbronn und zurück. Zwischen Juni und August habe das gut geklappt und sei durch die Ersparnis attraktiv gewesen, berichtet Czerny. Von volleren Zügen haben die beiden selten etwas gemerkt, höchstens zeitweise in den Abendstunden und am Wochenende.
Für zwei reguläre Monatstickets zahlt das Paar rund 100 Euro. Allerdings gelten diese nur auf der Strecke zwischen Leingarten und Heilbronn, womit das 49-Euro-Ticket einen Vorteil hätte: "Das große Plus ist natürlich, dass wir damit viel uneingeschränkter sind", sagt Czerny. Mit dem neuen Ticket sei es kein Problem, auch außerhalb des Arbeitsweges mit der Bahn unterwegs zu sein, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen.
Angesichts jährlich steigender Preise im Nahverkehr hatten sich die beiden ein 365-Euro-Jahresticket als Nachfolge-Angebot gewünscht – ein solches Ticket hätte die beiden Leingartener nur halb so viel gekostet wie das 49-Euro-Ticket, das aufs Jahr gerechnet mit 588 Euro zu Buche schlagen wird. Dennoch werden sie sich das Deutschlandticket wohl kaufen, sagt Czerny. "Da wir wirklich gerne in der Region und darüber hinaus unterwegs sind, werden wir uns das Ticket sicher überlegen und anschaffen."