Kreisspitze im Gemeindetag fordert mehr Geld für Landesstraßen
Ausuferende Bürgerbeteiligung, zu wenig Geld für Straßenbau: Das kritisieren Klaus Holaschke und Björn Steinbach vom Kreisverband im baden-württembergischen Gemeindetag. Sorge macht ihnen die Verrohung der gesellschaftlichen Debatte.
Der Ton ist rau, die Menschen sind von Corona genervt, öffentliche Proteste nehmen zu, aktuell in der Region bei sogenannten Spaziergängen. Erleben wir tatsächlich eine Spaltung der Gesellschaft?
Klaus Holaschke: Man muss sagen: Die Gefahr besteht.
Björn Steinbach: Mir fällt auf, dass man zum Teil nicht mehr miteinander ins Gespräch kommt, weil das Gegenüber nicht reden, sondern nur eine Position loswerden will. Das ist schon eine neue Qualität.
Holaschke: Trotzdem müssen wir differenzieren. Bei den Spaziergängen oder Demonstrationen sind nicht nur Menschen dabei, die den Staat oder Kommunalpolitik grundsätzlich ablehnen.
Werden Sie als Amtsträger oder Ihre Gemeinderäte persönlich angegangen?
Holaschke: Ja, wir werden persönlich diffamiert, gerade wenn es um Corona geht. Da muss ich sagen: Den Stil bin ich nicht gewohnt. Man kommt an viele Leute nicht mehr ran, auch an die, die man kennt. Manche stellen alles in Frage. Wie gehen wir denn miteinander um, wenn die Pandemie vorbei ist?
Erleben wir ein Corona-Phänomen, oder ziehen sich grundsätzlich mehr Menschen aus der Gesellschaft zurück?
Steinbach: Es gibt schon Entwicklungen, die unabhängig von Corona Sorge machen. Wir erleben, dass Vereine Mitglieder verlieren. Es ist schwerer, Ehrenämter zu besetzen. Immer mehr Menschen engagieren sich nur noch punktuell dort, wo sie betroffen sind.
Gleichzeitig boomen Bürgerinitiativen, mitunter werden Projekte ausgebremst. Übertreiben wir es mit der Bürgerbeteiligung?
Holaschke: Für mich ist die repräsentative Demokratie mit den Gemeinderäten der Kern. Ich sage immer, im Gemeinderat habe ich 29 Bürgerinitiativen. Aber solche, die sich auch beim Ausfechten komplexer Themen bewährt haben, die nicht nur Ja oder Nein sagen. Es gibt immer mehr Sachverhalte, bei denen die Kommunen Bürger frühzeitig anhören sollen. Uns geht das absolut zu weit. Das untergräbt auch die demokratische Autorität eines Gemeinderats.
Steinbach: Wir können nicht bei jedem Punkt auch den Allerletzten anhören und uns dann wundern, warum alles so lange dauert. Man muss diese Abläufe wieder etwas herunterfahren, kompakter halten.
Holaschke: Nicht umsonst sind wir in Deutschland Weltmeister beim Ziele setzen, aber mittlerweile in der Amateurliga, wenn es an die Umsetzung geht.
Lassen Sie uns konkret werden. Wo hapert es in der Region an der Umsetzung?
Holaschke: Ganz klar beim Landesstraßenbau, bei Sanierungen, aber auch beim Neubau von Umgehungsstraßen. Es hat uns nicht weitergebracht, dass seinerzeit die grün-rote Regierung im Land Kriterien und eine Rangliste für Straßenbauprojekte eingeführt hat.
Die Landesregierung sagt stets, es werde viel Geld in den Straßenbau gesteckt.
Holaschke: Es reicht hinten und vorne nicht aus. Radinfrastruktur ausbauen, Radschnellwege - das ist gut. Aber das kann nicht das Mantra sein, wir müssen auch den Individualverkehr weiter ermöglichen.
Steinbach: Der Bürger unterscheidet nicht, wer für welche Straße zuständig ist. Aber man muss unterscheiden: Gemeinde- und Kreisstraßen sind gut in Schuss. Das Land ist richtig hinterher. Dazu kommt, dass wir bei den Kommunen das Land bei der Planung unterstützen müssen, weil dort das Personal fehlt.
Personal fehlt auch in der Kinderbetreuung, jetzt kommt der Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter. Wie geht es hier weiter?
Holaschke: Das kommt schrittweise ab 2025 auf uns zu. Das Gesetz fordert, dass wir mit Fachpersonal arbeiten. Da laufen wir sehenden Auges in ein Problem. Wir bekommen auch keine Antworten. Aber wir haben das umzusetzen.
Mit Leuten, die Sie nicht haben.
Holaschke: Die wir nicht haben und die wir, falls wir sie finden, bezahlen müssen.
Steinbach: Es ist frustrierend, dass das in der Politik nicht anzukommen scheint. Der Personalmangel ist flächendeckend, trotzdem wird wieder draufgesattelt nach dem Motto: Das schaffen die schon.
Was können die Kommunen tun?
Steinbach: An den Standards zu schrauben, Gruppengrößen zu erhöhen, das ist schwierig, weil die Erzieherinnen natürlich auch zu Recht darauf hinweisen, dass die Arbeitsbedingungen nicht einfacher werden. Aber man muss darüber sprechen. Meine Befürchtung ist, dass nur einige Kommunen das schaffen, die reichen vielleicht, die Abwerbeprämien bezahlen.
Kämpfen die Kommunen schon mit harten Bandagen gegeneinander um Personal?
Holaschke: Bei uns in der Region beobachte ich das noch nicht. Von einmaligen Prämien, um Personal zu locken, halte ich persönlich gar nichts. Wenn man Kinderland sein will, müssen alle staatliche Ebenen verstärkt daran arbeiten.