Bürger-Uni: Insa Thiele-Eich will als erste deutsche Frau ins All
Die Faszination fürs Universum liegt in der Familie: Nach ihrem Vater will nun auch die Meteorologin und Klimaforscherin Insa Thiele-Eich Astronautin werden. Bei der Bürger-Uni spricht sie über das harte Training, die geplante Mission und sexistische Sprüche.

Eine bemannte Marsmission wird es nie geben. Da ist sich Insa Thiele-Eich sicher. Eine gemischtgeschlechtliche hingegen schon. Und zwar womöglich noch während ihrer Lebenszeit, wie die gebürtige Heidelbergerin, Jahrgang 1983, schätzt. "Gemischte Teams funktionieren und kommunizieren immer besser, sicherer und effizienter." Das hätten Studien gezeigt, erklärt die Meteorologin und Klimaforscherin - und fügt grinsend hinzu: "Wenn man nur Frauen schickt, würde man Sauerstoff sparen und Ressourcen, weil wir kleiner sind."
Mehr als 600 Menschen waren bisher im All, zwölf davon waren Deutsche. Angefangen bei Sigmund Jähn über den Künzelsauer Alexander Gerst bis zu Matthias Maurer handelt es sich dabei ausschließlich um Männer. Insa Thiele-Eich hofft nun, als erste deutsche Astronautin Geschichte schreiben zu können. Dafür trainiert die sympathische Wissenschaftlerin seit 2017 an der Seite von Mitkandidatin Suzanna Randall im Rahmen einer privaten Initiative.
Bei der 23. Bürger-Uni plaudert die Wissenschaftlerin am Donnerstagabend in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung gut eine Stunde lang munter und frei über die harte Auswahl- und Vorbereitungphase, die geplante Mission und darüber, wie sich Raumfahrt und Nachhaltigkeit zusammenbringen lassen.
Bürger-Uni Heilbronn: Insa Thiele-Eich ist seit ihrer Jugend vom Universum fasziniert
Auch wenn ihre fünf Kinder noch kein Interesse daran haben, in ihre Fußstapfen zu treten, kann die Leidenschaft für den Beruf von einer Generation auf die nächste sehr wohl abfärben, weiß die Tochter des Ex-ESA-Astronauten Gerhard Thiele. Dessen Ausbildung auch in den USA erlebt Thiele-Eich hautnah mit, gut erinnert sie sich noch an den Moment, in dem ihre Faszination für das Universum geweckt wird. Auf dem Nachhauseweg vom Familienurlaub in den Bergen ist es, als der Vater beim Blick in den Nachthimmel die mehr als 2,5 Millionen Lichtjahre entfernte Andromeda-Galaxie zeigt, die als kleiner Lichtfleck mit bloßem Auge erkennbar ist. "Das hat mich umgehauen", erzählt die Wissensvermittlerin.
Zwar steht für Thiele-Eich Astronautin als Berufswunsch schon im Jugendalter fest. "Sehr schnell wurde mir gesagt, man darf das niemals als Plan A wollen", begründet die Referentin, warum sie dann Meteorologin wird. Hinzukommt, dass sie sich damals als Deutsche nur bei der Europäischen Weltraumorganisation bewerben kann und als 1,60 Meter große, strenge Vegetarierin ursprünglich schlechte Karten hat. Die Mindestkörpergröße wird mit der Zeit abgesenkt, auch Fleischesser muss nicht mehr zwingend sein, wer heute ins All will.
Hier gibt es das vollständige Video der Veranstaltung zum Nachschauen. Klicken Sie ggfs. auf "Akzeptieren", um das Youtube-Video starten zu können:
Das Auswahlverfahren und die Trainingsphase sind kein Zuckerschlecken
Als die Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik Claudia Kessler 2017 die Stiftung "Die Astronautin" gründet, die erstmals eine deutsche Frau ins All bringen möchte, sieht Thiele-Eich ihre Chance gekommen. Sie bewirbt sich und schafft es neben Suzanna Randall durch das Auswahlverfahren, das etwa Interviews und mehrere Tests umfasst. "Es war nervlich eines eines meiner härtesten Jahre", sagt die selbsternannte Fastronautin rückblickend. Dabei hört sich auch das anschließende dreistufige Training nicht gerade nach Zuckerschlecken an. Grundkenntnisse zu erwerben, zu vertiefen und sich gezielt auf die Mission vorzubereiten: Darum geht es. Schwerelosigkeit wird beispielsweise auf Parabelflügen simuliert, die nicht ohne Grund "The Vomit Comet" - auf Deutsch etwa: Kotz-Komet - genannt werden, wie Insa Thiele-Eich berichtet. Die vermehrte Schwerkraft, die auf den Körper beim Start einer Rakete einwirkt, wird bei einer Fahrt in einer Zentrifuge nachempfunden. Unter Wasser im Raumanzug üben die Kandidatinnen, wie man sich auf der Mondoberfläche fortbewegt.

"Wir wollen so viele Erfahrungen sammeln wie möglich, damit wir dann in Überraschungsmomenten, die kommen werden, weil immer irgendwas schiefgehen wird, so viel Ruhe bewahren wie möglich", sagt die Buchautorin und Kommunalpolitikerin. Mental einer Situation immer um fünf Minuten voraus sei, das hat Thiele-Eich auch auf ihr Privatleben übertragen.
"Wir haben das große Ziel, mit einer SpaceX-Kapsel zur internationalen Raumstationen zu fliegen als eine der ersten deutschen kommerziellen Missionen", erklärt Insa Thiele-Eich. Gut 14 Tage will sie dort oben quasi als Servicepersonal für die Teams an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Boden deren Experimente durchführen. Wobei ein Sechstel ihrer Zeit an Bord der ISS bereits fix verplant ist für die Erforschung der medizinischen Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf den weiblichen Körper. Auch soll das gesamte Projekt pflanzenbasiert sein, weil dies die einzige Ernährungsform für künftige Langzeitmissionen sei. "Wir sind startklar", bekundet Thiele-Eich und ergänzt: "Es braucht jemand in der Politik, der sagt, ich mache das jetzt zur Priorität." Auch hapere es derzeit noch an der Finanzierung des Vorhabens.
Warum die Meteorologin und Klimaforscherin fast einen Rückzieher gemacht hätte
Weil sie zunächst keinen Weg gesehen habe, den erhöhten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß, den sie durch eine Mission generiere, als Klimaforscherin zu rechtfertigen, hat Insa Thiele-Eich eine Zeit lang tatsächlich überlegt, aus dem Programm auszusteigen. Für sich einen Kompromiss gefunden hat die Meteorologin, indem sie ihre neue Position nutzt, um immer wieder auch über den Klimawandel zu sprechen und zu schauen, wie die Raumfahrt ihren CO2-Fußabdruck verringern kann.
Wobei das Thema Nachhaltigkeit in der Raumfahrt schon deswegen eine wichtige Rolle spiele, weil bei Reisen im All möglichst viele Dinge wiederverwertbar sein müssen, erläutert Thiele-Eich im Gespräch mit Moderator und Stimme-Redakteur Tobias Wieland. Dabei berichtet sie auch von sexistischen Sprüchen, die sie in der "politischen Lobbymühle" höre. "Es gibt viele Momente, in denen man seinen Humor manchmal ein bisschen suchen muss, um drüber lachen zu können."
Dass der Flug ins All für die potenzielle Pionierin tatsächlich nur ein ganz kleiner Teil vom Astronautendasein ausmacht, erklärt wohl, warum sie es verschmerzen könnte, wenn nicht sie das Rennen macht, sondern Mitstreiterin Suzanna Randall. Und nicht nur Raumfahrerinnen in Wartestellung werden Insa Thiele-Eich folgen können, die abschließend sagt: "Schön ist, dass es jeden Tag immer noch etwas Neues zu entdecken gibt, wenn man neugierig bleibt."




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