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Chef des Kampfmittelbeseitigungsdiensts: Ein Leben mit Bomben

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Der Chef des Kampfmittelbeseitigungsdiensts Ralf Vendel hat einst im Stimme-Interview über Bomben, Gefahren und viele Blindgänger im Heilbronner Boden gesprochen.

Von Alexander Klug
Ralf Vendel bei der Entschärfung einer 250-Kilogramm-Bombe.
Foto: privat
Ralf Vendel bei der Entschärfung einer 250-Kilogramm-Bombe. Foto: privat  Foto: privat

Am 26. September war der Kampfmittelbeseitigungsdienst mal wieder nach dem Fund zweier Bomben in Heilbronn im Einsatz. Vor einigen Jahren hat sich die Redaktion mit dem Leiter der Behörde unterhalten. Hier das Interview aus unserem Archiv. 

Tausende Bomben fielen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs auf Heilbronn, wie auch auf viele andere Städte. Einige von ihnen sind nicht explodiert, sondern schlummern bis heute im Boden unter der Stadt. Ab und zu, zum Beispiel wenn ein Bagger eine Baugrube aushebt, kommt einer der manchmal tonnenschweren Sprengkörper zum Vorschein.

Dann rückt der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Regierungspräsidiums Stuttgart aus. Auch der Leiter der Behörde, Ralf Vendel, ist oft vor Ort. Wir haben mit ihm über seine Arbeit, die Gefahr und Angst gesprochen.

Wie viele Bomben haben Sie in Ihrem Berufsleben schon zu Gesicht bekommen, Herr Vendel?

Ralf Vendel: Ich mache den Job seit 1986. Am Anfang zählt man die Bomben noch, aber irgendwann hört man damit auf. Ich habe keine Ahnung, ob es 300 oder 400 waren.
 

Was waren Ihre letzten Bombenbesuche in Heilbronn?

Vendel: Zwei englische 500-Kilo-Fliegerbomben führten mich hierher. 2015 wurde eine im Zuge der Experimenta-Baustelle gefunden, eine zweite im Januar 2016 in der Nähe des Mediamarkts.
 

Wann hatten Sie am meisten Angst?

Vendel: Angst hatte ich noch nicht. Aber man darf den Respekt nicht verlieren. Respekt ist wichtig, sonst wird man leichtsinnig und macht Fehler, die gefährlich sein können.
 

Mit Luftbildern versuchen Fachleute, die Belastung von Grundstücken durch Blindgänger einzuschätzen. Die Aufnahme zeigt Heilbronn 1945.
Foto: Landesamt für Geoinformation
Mit Luftbildern versuchen Fachleute, die Belastung von Grundstücken durch Blindgänger einzuschätzen. Die Aufnahme zeigt Heilbronn 1945. Foto: Landesamt für Geoinformation  Foto: Landesamt für Geoinformation

Wie oft explodieren Weltkriegsbomben 72 Jahre nach Kriegsende?

Vendel: Ich würde sagen, dass einmal pro Jahr eine Bombe explodiert. Manchmal mit fatalen Folgen, wie im Fall der Bombe, die bei Arbeiten an der A3 bei Aschaffenburg einen Mann getötet hat. Deswegen habe ich kein Verständnis für die Kritik am Sicherheitsradius von eineinhalb Kilometern, den unsere Kollegen in Frankfurt angeordnet haben. Die Druckwelle einer Explosion ist sehr gefährlich, auch weil sie auf viele Angriffsflächen wie Hauswände oder Glasscheiben treffen würde.
 

Wie schützen Sie sich?

Vendel: Durch sehr vorsichtiges Vorgehen. Schutzanzüge oder Ähnliches helfen bei einer Fünf-, Zehn- oder 20-Zentner-Bombe nicht.
 

Wie viele Bomben vermuten Sie im Untergrund von Heilbronn?

Vendel: Das ist schwer zu sagen. Die Bomber haben bei den Luftangriffen zwischen 1940 und 1945 Hunderttausende abgeworfen, in verschiedenen Größen. Wir gehen von einer Quote an Blindgängern zwischen zehn und 30 Prozent aus. Davon stecken noch Tausende im Untergrund.
 

Kamen auch Bomben in der Größe zum Einsatz wie die in Frankfurt, wegen der zuletzt 65.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen mussten?

Vendel: In Frankfurt wurde eine 1,8 Tonnen schwere Bombe vom Typ HC 4000 gefunden. Das war nicht die größte Sorte, die zum Einsatz kam. Beim Luftangriff auf Heilbronn fielen auch Bomben mit drei Mal mehr Gewicht und Sprengstoff. Sie sollten an der Oberfläche explodieren und durch die Druckwelle Häuser zerstören. Deswegen wurden sie auch Wohnblockknacker genannt.
 

Wo liegen die meisten Blindgänger?

Vendel: Das hängt von mehreren Faktoren ab, zum Beispiel der Flughöhe des Bombers, dem Typ der Bombe und von der Beschaffenheit des Untergrunds. Am stärksten betroffen ist die Bodenschicht in der Innenstadt in einer Tiefe zwischen zwei und dreieinhalb Metern.
 

Welche sind besonders gefährlich?

Vendel: Langzeitzünder sollten die Explosion einer Bombe zwischen einer halben Stunde und 144 Stunden nach dem Auftreffen auslösen und die Lösch- und Aufräumarbeiten stören. Solche Blindgänger sind hochgefährlich, vor allem, wenn der Bagger sie berührt und bewegt hat.
 

Wie verläuft denn die Suche?

Vendel: Soll ein Gebäude entstehen, machen wir eine Auswertung von Luftbildern aus dem Krieg. Auf den Fotos sind allerdings nur die Krater der explodierten Bomben zu erkennen. Das Loch im Boden, das ein Blindgänger hinterlässt, nicht. Besteht für eine Fläche ein erhöhter Verdacht, schauen wir bei einem Ortstermin, was zu tun ist. Das reicht von der Suche mit Metalldetektoren über Bohrungen und den Einsatz von Sonden bis zum Abtragen von Bodenschichten. Vor allem in Innenstädten funktioniert die Suche mit Metalldetektor oft nicht, weil zu viel Metall im Boden ist, da stört jeder Nagel oder Draht.
 

Wie sieht es mit Großbaustellen aus wie der Bundesgartenschau?

Vendel: In diesem Fall hat der Bauherr eine private Firma mit der Suche beauftragt. Wenn die Firma etwas findet, gibt sie eine Info an uns, wir entschärfen die Bombe dann oder transportieren sie ab. Das dürfen nur wir.

 
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