Bei der HNV-Tarifreform geht es ran an die Waben
Neben einer Fusion mit dem Nachbarverbund Kreisverkehr Schwäbisch Hall prüft der Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV) einen Umbau des Zonensystems. Geld vom Land Baden-Württemberg fließt nur dann, wenn es bei der Reform nicht nur um kosmetische Korrekturen geht.

"Es wird nicht so bleiben, wie es ist." Mehr lässt sich HNV-Geschäftsführer Gerhard Gross derzeit nicht entlocken. Ein Schweizer Fachbüro prüft, wie die Tarifstruktur des Verbundes umgebaut werden kann. Ergebnisse sollen dieses Jahres vorliegen. Reförmchen oder neues ÖPNV-Zeitalter? Noch scheint beides möglich.
Gross lässt durchblicken, dass er eine einheitliche Zone für Heilbronn und Neckarsulm für sinnvoll hält. In Hohenlohe sei die Maxime "eine Gemeinde, eine Zone" nicht überall gewährleistet. "Im HNV scheint der hohenlohische Teil des Verbunds kleinteiliger und dahingehend noch Potenzial aufzuweisen", merkt auch das Landesverkehrsministerium an.
Verkehrsministerium will große Lösung
Soll Stuttgart den Geldhahn öffnen, muss echter Reformeifer her. "Die Bedingung ist, dass es auch wirklich zum großen Wurf kommt, also mindestens eine Halbierung der bestehenden Tarifzonen", heißt es aus dem Haus von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Als der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) die Zahl der Zonen radikal zusammenstrich, erklärte sich das Land bereit, sich mit 42 Millionen Euro zu beteiligen - das sind die Mindereinnahmen, die dort in einem Jahr anfallen. Wie groß dieser Betrag im Falle einer HNV-Reform wäre, wird untersucht.
"Allein durch den Fahrgastzuwachs", stellt Gerhard Gross klar, "trägt sich so etwas nicht." In der Region Stuttgarter war das Passagierplus spürbar, bevor der Corona-Knick kam. Eine umfassende Reform würde auch im Heilbronner Raum Fahrten günstiger machen und mehr Pendler zum Umstieg bewegen. Die VVS-Reform brachte deutliche Vergünstigungen, viele Preise sanken um 20 bis 30 Prozent.

Fahrgastvertreter befürworten Reform
"Die Stuttgarter haben das vorbildlich gemacht", sagt Hans-Martin Sauter, Vorstand im Regionalverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Hingegen sei das Zonensystem im Heilbronner Raum "vorsintflutlich", eine Neuausrichtung "überfällig", betont Sauter. "Radikal zusammenstreichen" ist seine Forderung. Drei Zonen von Heilbronn bis Schwäbisch Hall seien ausreichend, auch wenn das für die HNV-Eigner teuer werde. "Wer die Verkehrswende wirklich will, muss auch Geld auf den Tisch legen."
Fabian Kropf, der die Region Heilbronn im Fahrgastbeirat Baden-Württemberg vertritt, hält viel von einer Tarifreform: "Das ist immer förderlich für den ÖPNV", erwartet er. "Vor allem Gelegenheitsfahrer steigen dann eher auf Bus und Bahn um, vorausgesetzt, das Angebot stimmt."
In welchem Umfang Berufspendler profitieren, hängt von der Tarifstruktur ab. HNV-Chef Gerhard Gross weist darauf hin, der Umsatz werde zu 75 Prozent mit Zeitkarten gemacht. Von den Abonnenten hätten wiederum zwei Drittel ein Abo-Modell gewählt, das wie Franken-Ticket oder Sahne-Ticket im gesamten Netz gelte. Für die Hälfte der Kunden sei die Zahl der Waben unerheblich.
HNV kündigt eigene App an
Eine digitale Reform ist bereits auf den Weg gebracht. Der HNV bekommt voraussichtlich bis Anfang 2021 eine eigene App, wie sie in anderen Verbünden schon lange üblich ist.
Fahrgäste können sich dann am Smartphone in Echtzeit über Verbindungen informieren und Tickets kaufen. Bislang gibt es HNV-Fahrkarten online über die Navigator-App und im Online-Shop der Deutschen Bahn.
Kommentar: "HNV sollte Chance zu großem Wurf nutzen"
Von Alexander Hettich
In Berlin und Brandenburg gibt es genau einen Verkehrsverbund, der Tarife für Bus und Bahn regelt. In Baden-Württemberg, von der Fläche vergleichbar, sind es derer 22. Diese Kleinstaaterei ist ein Bremsklotz, denn sie behindert Innovationen. In der Corona-Krise blamierten sich einige Verbünde im Land damit, dass sie kein Online-Ticketing anboten. Große Einheiten sind hier schlagkräftiger und besser in der Lage, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Deshalb ist es auch richtig, dass Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV) und Kreisverkehr Schwäbisch Hall eine Fusion anpeilen.
Allerdings: Ein Zusammenschluss bedeutet nicht, dass es für die Kunden unmittelbar günstiger wird, den Nahverkehr zu nutzen. Einen echten Preiseffekt hätte eine Reform, die den Wust der Tarifzonen kräftig entrümpelt. Der Stuttgarter Verbund VVS hat vorgemacht, wie es geht, und wurde - vor Corona - mit einem kräftigen Passagierplus belohnt. Das Land stellt großzügige Förderung in Aussicht.
Letztlich würde eine neue Tarifstruktur für die Stadt Heilbronn und die Landkreise dauerhaft teurer. Die Situation des HNV ist ohnehin schwierig, weil Corona Millionen-Löcher in die Kasse reißt. Trotzdem ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, eine beherzte Reform anzugehen. Wer die verlorenen Fahrgäste zurückgewinnen will, muss die richtigen Anreize setzen und dafür Geld in die Hand nehmen.


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