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"Kampfansage an die Landwirtschaft" – Ampel-Beschlüsse treffen auch Bauern in der Region hart

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Die Bundesregierung will die Steuererstattung für Agrardiesel streichen. Bei den Landwirten brodelt es. Der Landesbauernverband will sich das nicht gefallen lassen und kündigt Demonstrationen an.

Bei den Etatberatungen in Berlin hat sich die Ampel-Koalition am Mittwoch auf ein Sparprogramm geeinigt, um das Milliardenloch im Haushalt 2024 zu stopfen. Unter anderem sollen die Steuererstattung für Agrardiesel für Landwirte wegfallen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, spricht von einer „Kampfansage an die Landwirtschaft“. Auch Bauern, Wengerter und Abnehmer in der Region Heilbronn kritisieren das Vorhaben scharf. „Die Streichung schlägt richtig durch“, sagt der Brackenheimer Biolandwirt Jürgen Winkler. Michael Wirth, zuständig für den Agrarbereich beim regionalen Großabnehmer Agroa-Raiffeisen in Bad Friedrichshall befürchtet, dass die Landwirte auf diesen Kosten sitzen bleiben werden.

 

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Erzeuger sind meist das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette

Auf knapp eine halbe Milliarde Euro werden die Landwirte bundesweit verzichten müssen, sollten die Pläne der Bundesregierung tatsächlich umgesetzt werden. „Mein erster Gedanke war, dass die Verantwortlichen der Landwirtschaft fernstehen“, sagt Landwirt Winkler.  Konkret bedeute die Maßnahme eine Kostensteigerung für landwirtschaftliche Betrieb im Bereich von rund fünf Prozent. Die Streichung werde die meisten landwirtschaftlichen Betriebe deshalb sehr hart treffen, ist der Brackenheimer überzeugt. Denn für den Biobauern steht fest, „dass die Erzeuger meist das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette sind und somit Kostensteigerungen nur bedingt aufschlagen können“.

In Stuttgart hat der Landesbauernverband Baden-Württemberg seine Vorstandssitzung aus aktuellem Anlass um anderthalb Stunden nach vorne verlegt. „Die Stimmung brodelt. Der Unmut ist sehr groß“, sagt Stefan Kerner, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg in einer Sitzungspause. Die Entscheidung in Berlin „ist ein Schlag ins Gesicht der Landwirte“, so Kerner.

 


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Umso mehr als Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zugesagt habe, dass genau das nicht eintritt, was jetzt passiert ist. Kerner beziffert die Zusatzkosten der Landwirte auf durchschnittlich zwischen fünf bis sieben Prozent. „Das tut weh“, zumal die Bauern laufende Kosten decken und gegebenenfalls Kredite bedienen müssen. Vor dem Aus sieht er die Landwirte in der Region zwar nicht. Es sei aber ein fatales Signal gerade für die junge Generation. „Die Motivation schwindet natürlich, wenn solche Pflöcke reingehauen werden.“

Landwirte planen am Montag eine Demonstration in Berlin

Die Landwirte wollen die Pläne der Bundesregierung nicht einfach hinnehmen. „Wir planen Aktionen“, sagt Kerner. Am Montag sei eine Demonstration in Berlin geplant. Wenn sich danach nichts ändere, würden regionale Demonstrationen folgen. Der Kreisvorsitzende betont, dass es sich nicht um die Streichung einer Subvention handele. Die Steuererstattung wurde eingeführt, weil Landwirte mit ihren Traktoren und Mähdreschern nicht auf Autobahnen fahren. Auf alternative Energie ausweichen könnten die Landwirte auch nicht. „Die Technik ist noch nicht so weit.“ Dazu komme, dass deutsche Landwirte mit Bauern aus anderen europäischen Ländern konkurrieren. Und während etwa die französischen Landwirte mit Heizöl fahren dürften, müssten deutschen Bauern ihre Tanks mit teurerem Diesel befüllen, so Kerner.


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Dass die Bauern auf den Kostensteigerungen sitzen bleiben, befürchtet auch Michael Wirth. Der Preis für Getreide etwa richte sich nicht nach dem Dieselpreis, den die Landwirte in Deutschland bezahlen müssen. „Solche Preise sind weltmarktgebunden und hängen von zahlreichen Faktoren ab“, so der Fachmann bei Agroa-Raiffeisen. Als Beispiele nennt er weltweite Ertragsmengen, Änderungen aufgrund des Klimawandels oder variierende Anbauflächen. Getreidepreise seien grundsätzlich schwer vorhersagbar. Am deutschen Dieselpreis orientierten sie sich jedenfalls nicht.

Auch der Geschäftsführer des Edeka Sommer in Eppingen kritisiert die Streichung der Steuererstattung für Agrardiesel. „Das ist bitter“, sagt Alexander Sommer. Preissteigerungen von kleinen Lieferanten, von denen er die Ware direkt bezieht, werde er mittragen und müsse sie deshalb an den Verbraucher weitergeben. Für das Gros des Einkaufs ist allerdings die Edeka-Zentrale für den Bereich Südwest in Offenburg zuständig. Dort war niemand zu erreichen.

Auch Wengerter in der Region sind von der Streichung betroffen

Auch die Wengerter in der Region sind von der Streichung der Ausgleichszahlungen betroffen. Wenn auch nicht so stark wie Landwirte mit großen Anbauflächen. Peter Albrecht bewirtschaftet in Heilbronn rund 18 Hektar Rebfläche. Weingärtner lebten mehr von Handarbeit als vom Einsatz von Maschinen, die dieselbetrieben sind. Dennoch seien die Weingärtner derzeit ohnehin in einer schwierigen Situation, sagt der Geschäftsführer des Heilbronner Weinguts Albrecht-Kiessling. „Die Wirtschaftlichkeit ist nicht mehr gegeben.“ Schon jetzt lebten viele Weinbaubetriebe von der Substanz und seien nicht mehr in der Lage zu investieren. „In dieser Situation tut alles weh, was wegfällt.“ Die Streichung der Ausgleichzahlungen für Agrardiesel sei ein weiterer Baustein, der vor allem kleinere Weinbaubetriebe in Existenznöte bringe, so Albrecht. Auch wenn es dabei um niedrige vierstellige Beträge pro Jahr gehe. 

 

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