Bedrückender Alltag auf der Covid-Isolierstation
Auf den Covid-Isolierstationen an den SLK-Kliniken in Heilbronn und Löwenstein werden seit Wochen um die 100 Patienten behandelt – deutlich mehr als während der ersten Welle, als die Patientenzahl im Maximum bei um die 60 lag. Eine Pflegerin, ein Arzt und Seelsorger berichten über den Alltag mit Covid-Patienten.

Während im Frühjahr noch viele Patienten von der Normal- auf die Intensivstation wechselten, wenn sich ihr Zustand verschlechterte, entscheiden sich inzwischen viele an Covid-19 Erkrankte mit schlechter Prognose gegen intensivmedizinische Maßnahmen.
Eine Pflegende, ein Arzt und der Klinikseelsorger vom Klinikum am Gesundbrunnen schildern ihr Erleben. An manchen Tagen seien vier oder fünf Tote zu beklagen, sagt die pflegerische Bereichsleiterin Hong Thuong Brinkmann. Die Situation sei extrem belastend, erzählt Klinikseelsorger Siegfried Fischer. Oberarzt Günter Schiele berichtet von seiner Sorge, es nicht mehr zu schaffen.
Hong Thuong Brinkmann, pflegerische Bereichsleitung der internistischen Abteilung HI4, aktuell Isolierstation für Covid-Patienten

"Seit Wochen sind dauerhaft bis zu 100 Patienten auf unseren Covid-Stationen. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zur ersten Welle und es bedeutet auch mehr Todesfälle. Es gibt Nächte, in denen sterben vier oder fünf Patienten. Wir sehen Menschen sterben, die vielleicht noch einige Jahre gelebt hätten, wenn Covid-19 nicht wäre – und wir können so wenig tun. Dass wir so wenig tun können, ist auch für uns als Pflegende eine große Belastung.
Wir haben alle Altersgruppen bei uns, auch Menschen um die 20. Wenn man 20 oder 30 Jahre alt ist, sind die Voraussetzungen da, die Krankheit gut wegzustecken. Wer Vorerkrankungen hat oder älter als 60 oder 70 ist, der muss doppelt kämpfen. Bei diesen Patienten führen die Ärzte schon bei der Aufnahme oder spätestens, wenn sich der Zustand verschlechtert, Gespräche und fragen, was der Patient möchte, wenn es kritisch wird. Viele wollen nicht mehr beatmet oder reanimiert werden, wenn ihre Prognose schlecht ist. Dann ist klar, dass sie bei uns sterben werden. Liegt ein Patient im Sterben, versuchen wir, den Angehörigen zumindest noch einen kurzen Besuch zu ermöglichen – natürlich muss der in kompletter Schutzausrüstung erfolgen.
Auch bei uns im Team sind natürlich Sorge und Angst da, dass wir uns anstecken könnten, leider gibt es auch einige Fälle beim Personal. Eine große Herausforderung ist zusätzlich die sich ständig verändernde Lage. Man muss jeden Tag und manchmal auch mehrmals täglich umplanen, weil neue Patienten dazukommen und sich Krankheitsverläufe so rapide ändern. Dann müssen wir kurzfristig reagieren, denn es ist ein Unterschied, ob auf einer Station 20 Patienten liegen, die sich noch selbst einigermaßen orientieren können oder 20 schwer Erkrankte. Die Klinikleitung und das Pflegemanagement tun alles, damit wir Personal aus anderen Bereichen bekommen, das uns unterstützt. Und sehr viele Kollegen wollen bei uns helfen. Dieser Zusammenhalt im Team ist so wichtig. Wir reden ganz viel miteinander und auch unser Klinikseelsorger steht für Gespräche bereit. Vieles wird erträglicher, wenn man es ausspricht. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder in der Öffentlichkeit seine Maske so trägt, wie das vorgesehen ist – enganliegend über Mund und Nase."
Siegfried Fischer betreut als Klinikseelsorger Patienten auf der Covid-Isolierstation

"Der Tod schwebt wie eine Dunstglocke über der Station. Das Krankheitsbild insgesamt geht mit großer Erschöpfung einher, die Menschen kommen hier geschwächt an und man kann teilweise nur sehr begrenzt helfen. Ich habe den Eindruck, diese Erschöpfung überträgt sich auf das Personal, insbesondere, weil das jetzt schon so lange geht. Die Pflegekräfte können nicht so da sein für die Patienten, wie sie das gerne möchten – sie haben natürlich auch Angst, das Virus könnte auf sie überspringen. Und es ist schwer erträglich, Menschen zu sehen, die apathisch im Bett liegen, an die Decke starren und um Luft ringen – man kann so wenig tun. Auch mir geht es sehr nahe, wenn ich über die Station gehe und in die Zimmer hineinschaue, in denen Menschen zusammengekrümmt in ihren Betten liegen. Das ist eine gespenstische Situation, man geht da mit einem anderen Gefühl wieder raus.
Natürlich haben wir es hier im Krankenhaus häufig mit Schwerkranken und mit Sterbenden zu tun, zum Beispiel in der Onkologie. Aber bei dieser Krankheit ist alles anders, weil Abschiednehmen nicht möglich ist. Bei manchen Patienten geht es ganz schnell, andere siechen tagelang dahin und hoffen, dass der Sauerstoff reicht. Ganz viele werden auch wieder gesund, aber in manchen Bereichen hat sich die Covid-Station fast zur Palliativstation entwickelt.
Für die Angehörigen ist es extrem schwierig, dass sie erst auf die Station dürfen, wenn klar ist, dass der Mensch sterben wird. Für viele ist die Vorstellung, dass Mutter oder Vater alleine sterben, das Schlimmste. Sie bekommen jedes Mal Angst, wenn das Telefon klingelt."
Günter Schiele, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II und derzeit verantwortlich für zwei Covid-Isolierstationen

"Ich bin angespannter als sonst, das sagt zumindest meine Frau (lacht). Es belastet schon, wenn so viele Patienten erkrankt sind und man nicht so gut helfen kann, wie man das gern tun würde – obwohl es inzwischen Medikamente gibt, mit denen man den Verlauf von Covid-19 zumindest ein wenig positiv beeinflussen kann. Die Sorge, ob wir es weiter gut schaffen, ist schon da. Das Gesundheitssystem kommt klar an seine Grenzen, auch wenn ich für uns sagen kann, dass wir in der Inneren Medizin am Gesundbrunnen Hilfe aus den anderen Abteilungen bei SLK bekommen.
Ich hätte mir einen früheren Lockdown gewünscht, denn die Infektionszahlen werden ja nun frühestens in zwei bis drei Wochen nach unten gehen. Und ich habe schon den Wunsch, dass jeder seine Kontakte einschränkt. Meinen guten Mut verliere ich trotzdem nicht. Der Beginn der Impfungen steht ja kurz bevor. Trotzdem wird auch danach noch eine weite Strecke vor uns liegen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir auch das schaffen werden."