Baukrise als Chance für geförderten Wohnraum, auch in der Region
Zuschüsse im Wohnungsbau wurden in Baden-Württemberg bislang selten komplett abgerufen: Jetzt werden sie attraktiv, weil die Branche schwächelt.
Die großen Wohnungsbauverbände hatten jüngst gewarnt: Die Baubranche stehe vor dem Kollaps, wenn nicht bald gehandelt werde. Das Ziel der Regierung, 400.000 Wohnungen jährlich zu bauen, ist für 2023 schon vertagt. Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten machen auch städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu schaffen. "Wir bauen weiter", hatte Stadtsiedlungs-Geschäftsführer Dominik Buchta im Gespräch mit der Heilbronner Stimme Anfang des Jahres gesagt.
Aktuelle Zinsentwicklung bereitet Probleme
Nichtsdestotrotz liegen manche Projekte wie die geplanten 41 Wohnungen in Heilbronn-Böckingen derzeit brach - auch wegen der aktuellen Zinsentwicklung. Weiter geht es aber im Neckarbogen und im Baugebiet Hochgelegen.
Stuttgart bezuschusst seine Wohnbaugesellschaft SWSG
Stuttgart hat eine unorthodoxe Lösung gefunden, den Bau günstiger Mietwohnungen zu sichern und fördert die städtische Wohnbaugesellschaft SWSG mit 200 Millionen Euro. Andernfalls hätte das Neubauprogramm um rund ein Drittel gekürzt werden müssen, teilt die Stadt mit. Dass ein solcher Weg keine Option für Heilbronn ist, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus. Die Rahmenbedingungen seien schwierig, trotzdem baue die Stadtsiedlung weiter, sagte Sprecherin Claudia Küpper.
Deutscher Mieterbund: Sozialer Wohnungsbau als realer Vermögenszuwachs
"Stuttgart schwimmt im Geld und hat Überschüsse", bewertet Rolf Gassmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart und Vorstandsmitglied des Deutschen Mieterbundes, die Lage. "Das kann sich nicht jede Stadt leisten." Kommunen sollten aber bedenken, dass es sich beim sozialen Wohnungsbau nicht um verlorenes Geld handele, sondern um einen realen Vermögenszuwachs. In Stuttgart sei der Wert einer Wohnung in den vergangenen acht Jahren im Schnitt um 100 Prozent gestiegen, das sei in einer wirtschaftsstarken Stadt wie Heilbronn ähnlich.
Mieterbund-Vorsitzender hält Drauz-Projekt für ungewöhnlich
Für landesweit ungewöhnlich hält er das Projekt der Heilbronner Drauz-Stiftung, die in Weinsberg 44 ausschließlich geförderte Wohnungen realisiert und rund zehn Millionen Euro investiert. "Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau wurden in den vergangenen Jahren eher schleppend abgerufen." Auch Wohnungsunternehmen hätten wegen niedriger Zinsen auf Subventionen verzichtet, um die Marktmiete verlangen zu können.
Weiteres Hindernis: Selbst Bürgermeister kleinerer Kommunen, in denen Wohnraum fehlt, seien mit den Förderrichtlinien teilweise überfordert. "Hier ist eine Verbesserung nötig, was die Beratung angeht." Trotz ihrer Vorerfahrungen hatte auch Stifterin Roswitha Drauz bemängelt: "Für uns war es teilweise ein Antragsdschungel." "Wir haben es uns einfacher vorgestellt."
Landesmittel wurden bislang kaum komplett abgerufen
Die Landesmittel seien bislang nie komplett abgerufen worden - außer 2022, sagt der Stuttgarter Mietervereinschef. Als Grund nennt er steigende Zinsen, die die Förderung interessant machten und eine Rendite von vier Prozent ermöglichten. "Das ist eine Chance für den sozialen Wohnungsbau, die dringend nötig ist." Zwar fordert er nicht direkt einen Fonds wie es ein Bündnis aus Gewerkschaft-, Branchen- und Sozialverbänden getan hatte.
Aber die Förderung müsse erhöht werden, damit es weiteren Schwung gebe, auch mit Blick auf die Auftragsrückgänge im Hochbau um 25 Prozent und auf die betroffenen Fachkräfte. Es sei wichtig, diese bei der Stange zu halten, weil sie sonst in andere Bereiche abwanderten. Zwar sei die Landesbauministerin Nicole Razavi auf den Bau von 2000 Sozialwohnungen 2022 stolz. Doch wenn in der Koalitionsvereinbarung von 400.000 Wohnungen die Rede war, davon 100.000 geförderten, bedeute dies für Baden-Württemberg den Bau von 14.000 Sozialwohnungen im Jahr. "Wir sind gerade mal bei einem Siebtel."
Sondervermögen
Gerald Bürkert, Geschäftsführer der Aufbaugilde, die Kooperationspartner des Drauz-Projekts in Weinsberg ist, würde ein Sondervermögenprogramm begrüßen, wie es bundesweit Sozial- und Branchenverbände gefordert hatten: Einen Fonds von 50 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau. Es müsse auf kommunale Wohnbaugesellschaften, Genossenschaften und Stiftungen zugeschnitten sein, so Bürkert.