Schule aus, die Ferien beginnen: Und jetzt?
Tausende Kinder freuen sich auf sechseinhalb Wochen, in denen sie nicht in die Schule gehen. Vielen Familien ist diese unterrichtsfreie Zeit aber zu lang. Das sagt eine Rektorin zur Diskussion über kürzere Sommerferien.

Wenn am Mittwoch, am letzten Schultag vor den Sommerferien, die Schulglocke an der Heilbronner Wartbergschule den Unterricht beendet, freuen sich alle auf die lange Auszeit. Das auslaufende Schuljahr war anstrengend. "Die Corona-Pandemie hat immer noch Nachwirkungen", sagt Rektorin Bärbel Hetzinger. Kinder, Eltern, Lehrer sowie die Schulleitung - alle waren gefordert. "Es ist uns so viel Flexibilität zugemutet worden. Man hatte nicht das Gefühl, aufatmen zu können", sagt Hetzinger.
Nun stehen die Sommerferien bevor: Endlich ausschlafen, keine Hausaufgaben oder Schularbeiten mehr, und das rund sechs Wochen lang. Sommerferien bedeuten aber auch: Über 40 Tage die Klassenkameraden, Freunde und Lieblingslehrer nicht mehr sehe. Da kullert auch mal die eine oder andere Träne bei den Grundschülern. "Natürlich freuen sich die Kinder erst mal auf die Ferien", sagt Bärbel Hetzinger. "Viele sagen aber auch: Sechseinhalb Wochen Sommerferien sind einfach zu lang." Was fängt man mit so viel Freizeit an?
Sechseinhalb Wochen Sommerferien: Das steckt dahinter
Die Tradition der langen Ferien stammt aus Zeiten vor der Industrialisierung vor über 100 Jahren, als Kinder noch auf den Feldern bei der Ernte mithelfen sollten. Seitdem hat sich das gesamtgesellschaftliche Leben verändert. Heute wissen viele Familien nicht, was sie mit ihren Kindern in dieser langen unterrichtsfreien Zeit tun sollen. Nicht alle Elternteile können sich so lange am Stück Urlaub nehmen. Geschweige denn, dass sie es sich (noch) leisten können, mit den Kindern wegzufahren.
Trotzdem brauchen die Schüler diese längere, unterrichtsfreie Zeit, meint Rektorin Bärbel Hetzinger, selbst wenn sie dann aus der Übung kommen sollten. Über den Sinn der langen unterrichtsfreien Zeit darf diskutiert und nachgedacht werden, findet Hetzinger, die die Wartbergschule seit 23 Jahren leitet. Grundsätzlichen seien sechs Wochen an sich lang. "Aber die Kindheit sollte nicht nur verschult werden. Sie muss ihre Freiräume und Nischen haben. Die Kinder brauchen das Begreifen, eine Selbstwirksamkeitserfahrung außer dem Lernen", sagt Hetzinger. Dazu müssen sie aber auch angeregt werden. Weshalb vorrangig die Schulsozialarbeit oder Kooperationspartner der Wartbergschule, etwa die Nordstadtkids, Ferienprogramme anbieten. Dazu kommen die weiteren Ferienangebote in der Stadt, wie die Jugendfreizeit am Gaffenberg. "Es gibt Ferienangebote, und das ist sinnvoll", sagt Bärbel Hetzinger, "Ich halte das für ungeheuer wichtig. Einige Kinder bleiben sonst zu sehr sich selbst überlassen."
Heilbronner Schulen werben für Sommerangebote
Bei den Wartbergschülern wurde das Ferienprogramm schon beworben, vor allem an jene herangeführt, von denen die Verantwortlichen glauben, dass sie während der Ferien sonst zu lange allein wären. Geboten werden Ausflüge in die Experimenta, Bücherkisten oder das "Warm-up" in den letzten Wochen vor dem Schulstart, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Das Angebot ist zum Teil kostenlos oder gibt es zu einem geringfügigen Betrag. "Wir haben gemerkt, dass die Bedarfe groß sind", sagt Bärbel Hetzinger. "Wenn die Eltern arbeiten oder aus verschiedenen Gründen nicht für ihre Kinder da sein können, braucht es Anleitungen. Langeweile ist gut für Kinder, die es schaffen, auf Ideen zu kommen. Andere brauchen den Impuls."
Den gibt es schon beim Schwimmen im Badesee, einem Brettspiel, beim Steineschnippen am Neckar, bei einer Waldwanderung oder einer Radtour mit Abschluss an der Eisdiele. "Die Kinder brauchen gute Angebote - und sie brauchen diese realen Erfahrungen", sagt Bärbel Hetzinger. Wenn sie nur sich selbst überlassen bleiben, ist die Gefahr größer, dass sie nicht wissen, wie sie mit Langeweile umgehen sollen - und verbringen die Zeit stattdessen am Handy oder vor dem Fernseher. Abgelenkt sein von den eigenen Gedanken und Gefühlen, das ist ein Muster, zu dem auch Erwachsene neigen.
Denn Langeweile aushalten, das will gelernt sein. Der Zustand ist essenziell wichtig fürs Gehirn, um Verarbeitungsprozesse in Gang zu setzen, sagt beispielsweise der Psychologe Dr. Leon Windscheid.
Lehrer bereiten Unterricht vor
Bei den Lehrerinnen und Lehrern kommt Langeweile in den Sommerferien wohl selten auf. Sie haben keine volle sechs Wochen Ferien, sondern müssen den Unterricht vor- und nachbereiten. Mehr als 30 Tage Urlaub am Stück, das ist in dem Fall angemessen, sagt Bärbel Hetzinger. "Die Lehrer brauchen die Auszeit. Gerade die emotionale Belastung hat bei ihnen zugenommen", sagt die Rektorin. Sie selbst sitzt in der letzten Sommerferienwochen schon wieder am Schreibtisch - und bereitet alles für das neue Schuljahr vor.