Aus für beschleunigtes Verfahren: Was das Urteil für Neubauprojekte bedeutet
Kein Neubau ohne Umweltprüfung: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zu Baugebieten sind Städte und Gemeinden in der Region verunsichert. Das jetzt nicht mehr mögliche beschleunigte Verfahren verzögert die Planungen. Was betroffene Bürgermeister und Bauamtsleiter sagen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nach einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) das beschleunigte Verfahren zur Ausweisung von Baugebieten nach § 13 b Baugesetzbuch für unwirksam erklärt. Die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg, Sylvia Pilarsky-Grosch, begrüßt das Urteil: „Deutsches Baurecht darf europäisches Umweltrecht nicht aushebeln."
Aus für das beschleunigte Verfahren: Wenig Begeisterung bei Bürgermeistern und Bauamtsleitern
Bürgermeister und Bauamtsleiter in der Region sind weniger begeistert. In Untereisesheim ist das geplante Baugebiet Hoffeld am Ortsrand betroffen. „Das bedeutet, dass die beschleunigte Wirkung weg wäre“, sagt Bürgermeister Christian Tretow. Weil das Baugebiet noch in einem frühen Stadium ist, wird es bei der Umsetzung „wahrscheinlich zu Verzögerungen kommen“.
Im jetzt gekippten Verfahren waren weder eine Umweltprüfung, Artenschutzgutachten noch Ausgleichsmaßnahmen notwendig, hatte auch der Deutsche Naturschutzring kritisiert. Dies widerspreche dem Ziel "Innenentwicklung vor Außenentwicklung". In Neckarsulm habe man bewusst auf die Ausweisung von Baugebieten mit weniger als 10.000 Quadratmetern im vereinfachten Verfahren ohne Umweltprüfungen verzichtet, so Rathaussprecher Andreas Bracht und setze gezielt auf die Entwicklung im innerstädtischen Bereich.
In Neudenau ist der Bebauungsplan "Salzäcker" gerade in der Mache. Die Umstellung auf das normale Verfahren bedeute zwar keinen Planungstopp, teilt Bürgermeister Jochen Hoffer mit. "Der Flächennutzungsplan muss parallel fortgeschrieben werden. Dies benötigt mehr Zeit und verursacht mehr Aufwand."
Hohe Nachfrage nach Bauland in Weinsberg
Die Nachfrage nach Bauland war extrem hoch, sagt Thomas Goth, Leiter des Baurechtsamts bei der Stadt Weinsberg. Deshalb habe die Stadt 2018 die Gelegenheit beim Schopf gepackt, ein kleines Baugebiet in Gellmersbach nach dem neu erlassenen Paragrafen 13b des Baugesetzbuches im beschleunigten Verfahren zu erschließen.
„Salmannsäcker III“ rundet die Bebauung in den beiden ersten Bauabschnitten am Ortsrand Richtung Eberstadt ab. Auf den 300 Ar bebaubarer Fläche entstanden 46 Grundstücke. „Es war eine reine Ackerfläche“, sagt er zu dem Gelände, in dem seit 2021 gebaut wird. Selbst bei einer Umweltprüfung hätte es keinen Hinderungsgrund für eine Bebauung gegeben, ist Goth überzeugt. Allerhöchstens hätte man Ausgleichsmaßnahmen machen müssen. Das sei allerdings immer ein Kostenfaktor.
Die Stadt habe noch ein zweites Gebiet für 13b im Visier gehabt, es dann aber nicht realisiert, weil „Spitzäcker“ vorgezogen wurde. Goth hatte es sich schon gedacht, dass der Paragraf 13b auf Dauer nicht haltbar sein werde. Man dürfe aber 2018 nicht mit der heutigen Situation vergleichen, in der der Bauboom und die Nachfrage nach Grundstücken sinke.
Keine Sorgen nach Spatenstich in Flein
Flein hat gerade den ersten Spatenstich im Wohnbaugebiet „Leimengrubenäcker II“ getätigt, dessen Bebauungsplan ebenfalls im beschleunigten Verfahren abgewickelt wurde. Dass der BUND mit seiner Klage gegen den Paragrafen 13b vor Gericht erfolgreich war, das macht Bauamtsleiterin Annika Gärtner keine Sorgen. Es handle sich um eine Einzelfallentscheidung, und der Bebauungsplan in Flein sei rechtskräftig. Sollte die Umweltprüfung nachgeholt werden müssen, sei das kein Problem. Die artenschutzrechtliche Untersuchung jedenfalls hatte die Vergrämung der streng geschützten Zauneidechsen für mehrere zehntausend Euro erforderlich gemacht.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts führt zu einer großen Verunsicherung in vielen weiteren Kommunen. "Diese haben im Vertrauen auf gültiges Bundesrecht und im Eindruck eines dringenden Bedarfs zur Schaffung von Wohnraum, die Beschleunigungsmöglichkeiten des § 13 b Baugesetzbuch genutzt. Sie dürfen dafür nun nicht abgestraft werden", teilt Leonie König von der Zentralstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg mit.
Was der Gemeindetag zu dem Urteil sagt
Deshalb sei der Bundesgesetzgeber gefordert, möglichst schnell eine praktikable Lösung zu finden, um den nun eingetretenen Schwebezustand zu überwinden. "Allein in Baden-Württemberg müssen hunderttausend neue Wohnungen geschaffen werden, aber die Städte und Gemeinden stehen vor einem großen Dilemma: Im Innenbereich stehen immissionsschutzrechtliche Regelungen und immer häufiger der Widerstand der Bürgerschaft einer Nachverdichtung entgegen. Im Außenbereich schränken immer strenger werdende Umwelt- und Artenschutzregelungen und restriktive Flächenvorgaben die Handlungsmöglichkeiten zunehmend ein", so die Stellungnahme des Gemeindetages zu dem Urteil. Die Bereitstellung von Flächen für den Wohnungsbau werde damit immer mehr zu einer unmöglichen Aufgabe, einer „Mission Impossible“. "Die Kommunen brauchen einen verlässlichen Rechtsrahmen, der es ihnen ermöglicht, die notwendigen Bauleitpläne belastbar aufzustellen."
Unklar sei noch, ob das beschleunigte Verfahren weiter angewandt werden könne und nur die Umweltprüfung "nachgeholt" werden müsse, so der Gemeindetag, Hierzu müsse man noch die Urteilsbegründung abwarten. "Die zahlreichen Rechtsfragen klären wir mit Nachdruck und in Abstimmung mit den Spitzenverbänden auf Bundesebene und den maßgeblichen Ministerien." Der Gemeindetag werde sich auch "mit Nachdruck" dafür einsetzen, dass der Bund mit einer Neufassung des Baugesetzes Klarheit schaffe.