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Kaum noch Förderung für Langzeitarbeitslose

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Der Bund kürzt die Förderung für Langzeitarbeitslose, das sorgt für Probleme bei Sozialunternehmen wie der Aufbaugilde.

Fühlen sich vom Bund im Regen stehengelassen: Gerald Bürkert (von links), Dagmar Lägler und Frank Hanser in der fast leeren Lager-Logistik-Halle des Bildungsparks.
Fühlen sich vom Bund im Regen stehengelassen: Gerald Bürkert (von links), Dagmar Lägler und Frank Hanser in der fast leeren Lager-Logistik-Halle des Bildungsparks.  Foto: Seidel, Ralf

Gerald Bürkert hat es, genau wie sein Kollege Frank Hanser, nicht leicht derzeit. Teilbereiche der Aufbaugilde sind gefährdet. "Die finanzielle Situation ist so unsicher wie nie", sagt Bürkert über die Entwicklung des diakonischen Sozialunternehmens.

"Der zweite Arbeitsmarkt ist im Sinkflug", sagt Gerald Bürkert

Bauchschmerzen bereitet den beiden Geschäftsführern wie den Vorsitzenden des Vereins Aufbaugilde, dass der Bund an der Förderung Langzeitarbeitsloser spart. Die Folge: Agentur für Arbeit und Jobcenter können kaum noch Menschen für Secondhand-Kaufhaus, Verpackung und Montage oder Garten- und Landschaftsbau vermitteln. "Der zweite Arbeitsmarkt ist im Sinkflug. Jetzt ist die Frage, ob er vollends aufschlägt", sagt Bürkert. "Wir können den Leuten im Stadt- und Landkreis kein adäquates Angebot mehr machen."

 


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Deshalb wollen die Geschäftsführer mit Stadt- und Landkreis das Gespräch suchen. "Wir brauchen eine kommunale Arbeitsmarktpolitik, eine Finanzierung für den zweiten Arbeitsmarkt, um Angebote aufrecht zu halten."

Jobcenter müssen massiv sparen

Marco Krebs, Leiter des Jobcenters Landkreis Heilbronn, kennt die heikle Lage. "Massive Einsparungen stehen im Raum", sagt er. "Unser Budget ist in Verwaltungskosten unterteilt, etwa für Personal und Miete, und ins Eingliederungsbudget für die Kunden. Und weil die Verwaltungskosten nicht auskömmlich sind, müssen wir Geld aus der Eingliederung nehmen." Er findet: "Es ist schlimm für unsere Kunden, wenn die Förderungen eingespart werden." Das Problem habe er auf allen politischen Ebenen platziert.

"Wir müssen vorausdenken", sagt Joachim Drauz vom Vorstand des Vereins. "Die Situation wird nicht besser." Die Auswirkungen treffen die Aufbaugilde und ihre Klientel hart. Ganze Geschäftsbereiche sind gefährdet oder weggebrochen. Die Schreinerei als Integrationsfirma für Langzeitarbeitslose musste schließen. Genauso wie Metall- und Lager-Logistik als Qualifizierungbereiche. Mangels Zuweisungen wurde der Garten- und Landschaftspflegebereich zurückgebaut. Gab es 2008 mehr als 500 Plätze für Beschäftigungsmaßnahmen bei der Aufbaugilde, sind es derzeit 43.

Aktuell hakt es auch bei der Zeitarbeitsfirma, denn die Situation in der Automobilbranche hat sich geändert, so Hanser. Von einst 400 ist die Zahl der Mitarbeiter auf 40 geschrumpft.

Das Secondhand-Kaufhaus braucht Spenden

Zudem ist die Lage im Secondhand-Kaufhaus schwierig, einem der größten seiner Art in Deutschland, das als Beschäftigungsbetrieb und als Daseinsvorsorge für Menschen mit wenig Geld mehrere Funktionen hat. Vom Wintermantel bis zum Sofa gibt es hier ausschließlich Gespendetes. "Wir brauchen dringend Spenden, sonst laufen wir leer", sagt Bürkert. Für die Zukunft fürchten die Chefs, dass sie vom Jobcenter keine Langzeitarbeitslosen für die Beschäftigungsförderung mehr bekommen. "Dann wäre die Gemeinnützigkeit bedroht. Komplett undenkbar", sagt Hanser.

Eigentlich steigt der Bedarf an Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Gab es im Mai vergangenen Jahres 1534 Langzeitarbeitslose in Heilbronn, hat sich ihre Zahl diesen Mai laut Jobcenter-Statistik auf 1637 erhöht.

Beschäftigungsförderung zu kappen, birgt Risiken

Bürkert sieht die Risiken, wenn Beschäftigungsförderungen wegfallen. Sie sollen Langzeitarbeitslosen zwar einerseits den Weg in den ersten Arbeitsmarkt ebnen. Doch selbst, wo das nicht möglich ist, verbessere ein geregelter Tagesablauf, ein Arbeitsvertrag, Leben und Selbstwertgefühl. "Es bringt nichts, nur Wohnraum zu bieten", sagt der 43-Jährige mit Blick auf die Anfänge der Aufbaugilde. Damals hätten die Nichtsesshaften im Wald Holz gemacht, weil sie Arbeit brauchten, und es verkauft. "Wir sollten nicht den Fehler machen, Strukturen abzubauen, und uns wundern, wenn das Gewaltpotenzial steigt", sagt er.

"Von der Straße zurück in den Wohnraum, zurück in die Gesellschaft", lautet die Mission der Gilde. Langer Atem und Gottvertrauen nennt Dagmar Lägler, Vorsitzende des Vereins Aufbaugilde, als Voraussetzung für die Arbeit dort. Das scheint nötig: Für 2024 plant der Bund Kürzungen von 500 Millionen Euro bei den Jobcentern. 

 

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