Apotheken beklagen Mangel an Fiebersäften für Kinder
Fiebersäfte für Kinder, aber auch viele andere Arzneien kommen derzeit nicht bei Patienten an. Apotheker rechnen mit einer Entspannung der Lage bis Herbst. Was ein Kinderarzt dazu sagt.

Eltern, die ihre Reiseapotheke auffüllen wollen oder ein krankes Kind zu Hause haben, schauen derzeit mitunter in die Röhre. In den Apotheken in der Region sind vor allem Schmerz- und Fiebersäfte schwer zu kriegen. Auch bei Online-Apotheken sind diese Produkte ausverkauft.
"Ab und zu kommen ein paar Flaschen bei den Lieferungen mit", berichtet Dirk Homann von der Harfensteller-Apotheke in Heilbronn. Die wenigen Fläschchen würden jedoch sofort wieder verkauft. Einige Kunden habe man bereits wegschicken müssen. So geht es derzeit den meisten Apotheken in Baden-Württemberg und ganz Deutschland, sagt Frank Eickmann, Pressesprecher des Landesapothekerverbandes.
Die Gründe seien jedoch unklar. "Wir wissen nicht, ob es am Vorlieferanten oder am Endhersteller liegt", sagt Frank Eickmann. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) begründet den Mangel an Fiebersäften für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen mit "dem Rückzug eines Marktteilnehmers". Zudem gebe es eine "Verteilproblematik".
Bedarf ist überproportional gestiegen
Hinzu kommt laut BfArM, dass 2022 der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln überproportional angestiegen ist. Die Ursachen hierfür habe die Behörde bislang nicht befriedigend ermitteln können. "Im Herbst soll sich die Lage entspannen", sagt Frank Eickmann. Das Gute sei, dass es mit Zäpfchen eine Alternative für die Fiebersäfte gebe und diese auch noch besser zu bekommen seien - auch wenn die Darreichungsform bei Eltern nicht die erste Wahl sei.
"Säfte spielen eine zentrale Rolle", berichtet Kinderarzt Peter Walz aus seinem Praxisalltag in Bad Friedrichshall. Eltern suchten immer etwas, was sie tun könnten. Insofern sei der Medikamentenmangel in den Apotheken durchaus Thema in der Sprechstunde.
Aus ärztlicher Sicht sei der Liefereengpass bei Fiebersäften allerdings keine Katastrophe. "Wichtig zu wissen ist, dass Fieber als Zeichen der Abwehr in erster Linie etwas Positives ist." Er rate Eltern deshalb ohnehin, erst einmal abzuwarten und nicht sofort Fiebersaft zu verabreichen. Hausmittel wie Wadenwickel seien, zum richtigen Zeitpunkt angewendet, oft sogar sinnvoller. Die Gabe von Fiebersaft könne eine Krankheit auch in die Länge ziehen. Wichtig sei immer, das Kind im Ganzen zu betrachten. Kämen zum Fieber etwa stärkere Schmerzen hinzu, rate er eher zu den Säften, die nicht nur fiebersenkend, sondern auch schmerzlindernd wirken.
Individuelle Rezepturen sind um einiges teurer
Sollte ein Patient das Medikament dringend brauchen, könnte Peter Walz auch eine individuelle Rezeptur verschreiben, die Apotheker herstellen. "So eng war es bisher noch nie", sagt der Kinderarzt. Man wisse aber nicht, wie sich die Lage im Herbst wirkich entwickle. Solche individuell hergestellten Medikamente wären jedoch um einiges teurer, sagt Walz. "Die Rohstoffe haben wir da", erläutert Apotheker Dirk Homann. Aber auch er verweist auf die Kosten. Ein Fläschchen Fiebersaft koste zwischen vier und sechs Euro. Rechne man nur den Wareneinsatz, käme man bei der individuellen Herstellung auf zirka das Doppelte.
Frank Eickmann vom Apothekerverband gibt zu bedenken, dass der Mangel an Fiebersäften zwar eine hohe Aufmerksamkeit errege, das Problem in anderen Bereichen aber viel gravierender sei. Es fehlten zeitweise nämlich zahlreiche andere, teils lebenswichtige Medikamente etwa für die Therapie nach Brustkrebs, gegen Asthma oder Psychopharmaka. Die Liste sei lang.
Das stellt auch die hauseigene Apotheke der SLK-Klinik in Heilbronn fest, teilt Pressesprecherin Marlies Kepp mit. "Viele Stammartikel sind nicht lieferbar." Noch sei der Klinikverbund aber gut aufgestellt, man setze auf mehrere Lieferanten, um einzelne Abhängigkeiten zu vermeiden. "Aufgrund der Engpässe, die es in der Corona-Pandemie immer wieder gab, haben wir zudem einen größeren Lagerbestand als früher aufgebaut", so Kepp. Anders als bei öffentlichen Apotheken könne die SLK-Apotheke viele Bedarfe der Fachbereiche, für die sie ausschließlich arbeitet, gut planen und vorsorgen. Gleichzeitig sei es möglich, manches selbst herzustellen. Das sei zu Beginn der Pandemie bei Desinfektionsmitteln erforderlich gewesen.
Fieber-App kann Eltern helfen
Wenn Eltern verunsichert sind, wie sie sich verhalten sollen, wenn ihr Kind Fieber hat, empfiehlt Kinderarzt Peter Walz die Fever-App. Diese wird auch vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte unterstützt. Sie ist ein Tagebuch zur Dokumentation von akuten Infektionskrankheiten, Medikamenteneinnahmen, Symptomen, Impfstoffen und vielem mehr, heißt es auf der Internetseite www.feverapp.de. Nutzer erhielten zudem auf aktuellen Leitlinien basierende Aufklärung über Fieber und fieberhafte Erkrankungen. Ein Medikamentenscanner helfe etwa bei der Einnahmedosierung. Die eingegebenen Daten dienen einem wissenschaftlichen Modell-Register, das vomBundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
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