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Abschaltfest am GKN: Letzter friedlicher Protest unter Neckarwestheimer Fahne

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Hunderte Atomkraftgegner fanden sich zu einem bunten, aber ruhigen „Abschaltfest“ auf dem Parkplatz des GKN 2 in Neckarwestheim ein. Prominente Redner schärften den Aktivisten ein, dass der Kampf gegen Atomkraft mit Abschalten der letzten Kernkraftwerke noch nicht vorbei ist.

Farbenfroh, fröhlich und friedlich ging es am Samstagnachmittag auf dem Parkplatz vor dem Kernkraftwerk Neckarwestheim zu. Die Veranstalter des Abschaltfests zählten etwa 500 Besucher. Die Atomkraftgegner waren gekommen, um das endgültige Aus der letzten drei Meiler in Deutschland zu feiern – und sich selbst. Denn dass es nun tatsächlich so weit ist und neben dem GKN 2 am Samstag bis 24 Uhr auch Isar 2 in Bayern sowie Emsland in Niedersachsen vom Netz gehen, ist ein Erfolg, den die Aktivisten ihrem jahrzehntelangen Protest zuschreiben.

Aktivisten sind noch nicht am Ziel

Von einer „Veranstaltung mit Volksfestcharakter“ wie vom Energiekonzern EnBW befürchtet, konnte jedoch trotz Bierbänken, Pavillons und Live-Musik nicht die Rede sein. Denn weder gab es Tische zu den Bänken vor der Bühne, noch Alkohol, noch schien jemandem zum Tanzen zumute zu sein, auch wenn die Samba-Rhythmen der Band Elf (für Egalité, Liberté, Fraternité, also Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit) durchaus dazu einluden. Schließlich sehen sich die Aktivisten mit dem Abschalten der letzten AKWs noch lange nicht am Ziel.


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Auf die Jungen kommt noch einiges zu

„Es ist absurd, die Atomkraftwerke hier abzuschalten, aber andere AKWs weiter mit Uranstäben zu speisen“, ruft Wolfgang Ehmke mit Blick auf die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen kämpferisch in die Menge. Der gebürtige Wendländer ist langjähriger Pressesprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Er glaubt auch hinsichtlich der Endlagersuche: „Da kommt auf die junge Generation noch einiges zu.“ Den Proteststab möchte der 72-Jährige nun gerne „an jüngere Leute“ weitergeben.

Keine Kinder in diese Welt gesetzt

Sichtlich gut gelaunt steht ein Paar aus Ludwigsburg im Publikum. „Nach 40 Jahren Arbeit ist das endlich mal am Ende“, findet der Mann. Auf wie vielen Protestaktionen der 65-Jährige und seine 70-jährige Ehefrau seit den 1980er Jahren gewesen sind, vermögen die beiden nicht zu sagen: „Wir haben nicht mitgezählt.“ Schon in Wackersdorf seien sie dabei gewesen. Und hätten aufgrund der unsicheren Zukunft „mit Absicht keine Kinder“ in die Welt gesetzt. Auch jetzt hätte sich die Sache noch nicht erledigt, sagt der Ludwigsburger, der seinen Namen nicht nennen will, mit Blick auf den Rückbau.


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„Es bleibt schwierig“, sagt Barbara Weingand mit Blick auf die aktuelle Entwicklung auf dem Energiesektor. Dennoch hat es sich die gebürtige Heilbronnerin nicht nehmen lassen, zu dem Event mit Ehemann aus Ofterdingen anzureisen. Die 59-Jährige war schon beim Protest gegen die Pershing-Raketen auf der Waldheide dabei und steht weiterhin hinter dem Atom-Ausstieg 

„Glücklich“ ist Elke Pfeiffer aus Walheim, „dass um 24 Uhr Schluss ist und kein Atommüll mehr entsteht“. Doch müsse man die Lage weiterhin beobachten. Schließlich bauten andere Länder die Atomkraft noch aus. Etwa Südkorea. Ji-Won Noh ist als Europa-Korrespondentin der Seouler Zeitung Hankyoreh vor Ort. In ihrer Heimat gebe es nur wenige Aktivisten. Die Wirtschaft sei so wichtig für viele Menschen.

Radioaktivität kann man nicht abschalten

„Atomkraftwerke kann man abschalten, aber Radioaktivität nicht“, warnt auch der ehemalige Regionalgeschäftsführer beim Regionalverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Heilbronn-Franken, Gottfried May-Stürmer, auf dem Podium. Und Christian von Hirschhausen verwendet den Begriff „Ausstieg“ sowieso nicht gern. Der Professor für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik in Berlin spricht lieber von Atomwende, „da man aus diesem Prozess nicht aussteigen kann wie aus der Straßenbahn“. Den Mitarbeitern im Kraftwerk zollt er Respekt, bevor er in die Gitarrensaiten greift und „Here comes the sun“ anstimmt - mit eigenem Text natürlich.

Dabei ist die Sonne im Laufe des Nachmittags eher verschwunden. Die Wolken verdecken, dass aus dem Reaktor im Hintergrund immer noch Wasserdampf aufsteigt. Erst am Sonntag wird die „Fahne“, die seit Jahrzehnten Neckarwestheims Wahrzeichen war, nicht mehr zu sehen sein.

Streit vor dem Abschaltfest

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es Spannungen gegeben zwischen dem Energiekonzern EnBW und dem Bündnis „endlich-abschalten Neckarwestheim“. Eine Protestaktion wollte die EnBW genehmigen, aber keine Party. Erst quasi in letzter Minute kam dann der erforderliche Versammlungsbescheid aus dem Landratsamt Ludwigsburg, nachdem die Behörde nochmal Rücksprache mit der EnBW gehalten hatte und gewisse Auflagen, die nicht bekannt wurden, gemacht hatte. 


Wegen des großen medialen Interesses an dem historischen Abschaltmoment ist auch Neckarwestheims Bürgermeister vor Ort gefragt. Jochen Winkler verspürt zwar „ein Stück weit Wehmut aus wirtschaftlicher Sicht“, zeigt aber auch Verständnis für die Leute, die da feiern: „Die haben dieser Sache ihr Leben verschrieben.“ Doch er fürchtet auch energietechnisch unsichere Zeiten nahen.

Nicht zu sehen zwischen gelben Atomkraft-Nein-Danke-Fahnen sind grüne mit Sonnenblume. „Wir hätten sehr gerne gestern was gemacht“, sagt MdB Harald Ebner bei der Matinee der Grünen am Sonntag (16. April 2023) in Heilbronn. Knapp beantwortet er die entsprechende Nachfrage eines Gastes: „Wir wurden ausgeladen.“


Grünen-Matinee: Die Grünen nahmen nicht am Abschaltfest der Aktivisten teil. Sie luden stattdessen am Sonntag zu einer „Matinee zum Atomausstieg“ in die Heilbronner Zigarre. Kern der Veranstaltung war eine Diskussionsrunde mit dem Bundestagsabgeordneten Chris Kühn, der BUND-Landesvorsitzenden Sylvia Pilarsky-Grosch und Dr. Christoph Pistner vom Ökoinstitut Darmstadt, moderiert vom Hohenloher Bundestagsabgeordneten Harald Ebner. Mit ihnen würdigten auch prominente Grüne wie MdB Sandra Detzer und Sylvia Kotting-Uhl den Moment.

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Kommentare

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Raphael Benner am 16.04.2023 01:04 Uhr

wenn bei der Umfrage über 90% der Befragten gegen eine Abschaltung sind, ist die Politik am Versagen und Deutschland wird zum Entwicklungsland verkommen

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