15 Jahre Polizistenmord an Michèle Kiesewetter in Heilbronn: Es bleiben Fragen
Auch 15 Jahre nachdem Rechtsterroristen die Polizistin Michèle Kiesewetter auf der Heilbronner Theresienwiese kaltblütig erschossen und ihren Kollegen Martin A. schwer verletzt haben, sind nicht alle Fragen zu dem Verbrechen geklärt. Ob sich das je ändert: ungewiss.

Sirenengeheul, Hubschrauber, Straßensperren, Ringfahndung, Ausnahmezustand: Niemand, der den 25. April 2007 in Heilbronn und Umgebung erlebt hat, wird den Tag vergessen. An den Tätern gibt es nach den Ermittlungen und zahlreichen Untersuchungsausschüssen in Bund und acht Bundesländern keinen Zweifel: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, aus Thüringen stammende Rechtsextremisten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), steckten hinter dem Mordanschlag auf die Polizisten.
Gab es Unterstützer vor Ort? "Restzweifel bleiben"
Warum die Terroristen an dem Tag in Heilbronn waren, was genau ihr Motiv war, ob sie Helfer vor Ort hatten, die bis heute auf freiem Fuß sind - viele Fragezeichen. "Für ein Unterstützernetzwerk in Heilbronn gibt es keine konkreten Anhaltspunkte", sagt Nico Weinmann, Stadtrat, Landtagsabgeordneter und Mitglied im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Landes, der 2018 seinen Abschlussbericht vorlegte. Was mögliche Komplizen angeht, "bleiben gewisse Restzweifel".

Ob mit neuen Erkenntnissen zu rechnen ist? Weinmann hält das für denkbar. Aufklärung könnte wohl vor allem Beate Zschäpe liefern. Die Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess wurde 2018 als Mittäterin bei zehn Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Neun Kleinunternehmer ermordete die NSU-Gruppe zwischen 2000 und 2006. Motiv: Rassismus. Der Heilbronner Anschlag war der letzte der Mordserie. Zschäpe schwieg meist vor Gericht, das eine besondere Schwere der Schuld feststellte. Ob und wann sie aus dem Gefängnis kommt, hängt auch von ihrem Verhalten ab.
Ehemaliger Minister Gall blickt zurück
Dass Beate Zschäpe doch noch redet, dass einen möglichen Helfer das schlechte Gewissen plagt - das hält auch Reinhold Gall für nicht ausgeschlossen. "Was hat ermittelt werden können, wurde ermittelt", sagt der Obersulmer, der von 2011 bis 2016 baden-württembergischer Innenminister war.
Ermittlungsfehler gab es zuhauf. Unvergessen: die Jagd auf das "Phantom von Heilbronn". Die vermeintlich heiße DNA-Spur war letztlich auf verunreinigte Probenstäbchen zurückzuführen. Gall begrüßt, dass "alles getan wurde", die Pannen aufzuklären. Anderes sei "völlig daneben gewesen". Vorwürfe, politische Instrumentalisierungen, wilde Theorien, die sich für Reinhold Gall als "Unfug" entpuppt haben. Geheimdienste sollen involviert gewesen sein, der Ku-Klux-Clan, Islamisten. Für nichts davon fanden sich Belege.
Stilles Gedenken am Jahrestag

Wie die Polizei Heilbronn ankündigt, wird es am Montag ein stilles Gedenken geben. Teilnehmen werden unter anderem Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel, Heilbronns Polizeipräsident Hans Becker und der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl. Die Gedenkfeier soll aber in sehr kleinem Rahmen stattfinden. Im Oktober dieses Jahres wird zum Gedenken an Kiesewetter zudem ein Blauglockenbaum am Neubau des Polizeipräsidiums gepflanzt.
Michèle Kiesewetter war nur 22 Jahre alt geworden. Ihre Familie leidet bis heute unter ihrem Verlust. Ein Anwalt ihrer Mutter sagt, er sei froh, dass das Verfahren gegen Zschäpe einen Abschluss gefunden habe und der Bundesgerichtshof deren Revision bereits im vergangenen Sommer verworfen hat. Weiter möchte er sich aber auch anlässlich des 15. Jahrestages des Mordes in Heilbronn nicht äußern - da sich die Familie nach Ruhe sehne und ein immer wiederkehrendes Aufreißen von Wunden vermeiden wolle, die nur langsam heilten.
Gedenktafel erinnert an zehn NSU-Opfer
Auf der Gedenktafel am Tatort sind inzwischen die Namen aller Mordopfer des NSU zu lesen, anfänglich war dort nur Michèle Kiesewetter namentlich gedacht worden. Für OB Harry Mergel hat der 25. April "einen festen Platz in der Erinnerungskultur unserer Stadt. Als Tag der Trauer um die junge Polizistin Michèle Kiesewetter, aber auch als Tag der Mahnung". Und es sei "ein Tag der uns deutlich macht, wie verletzlich unsere offene, demokratische Gesellschaft letztlich ist". Innenminister Thomas Strobl erinnert an "eine extrem kaltblütige und hinterhältige Tat" und schließt alle NSU-Morde in das Gedenken ein: "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen aller Opfer der Terrorgruppe, denen unendlich schreckliches Leid zugefügt und zugemutet wurde." Er hofft auf weitere Aufklärung. "Darum ist es wichtig, dass jedem Hinweis nachgegangen wird."