Plädoyers im Heilbronner Islamisten-Prozess – Verteidiger: „böse Bubenstreiche“
Im Prozess gegen drei mutmaßliche Islamisten haben Anklage und Verteidigung am Donnerstag, 23. Januar, ihre Plädoyers gehalten. Die Forderungen reichen von mehrjährigen Haftstrafen bis Freispruch.
Die Stuttgarter Staatsanwältin Silke Busch sieht sich in ihrer Anklage gegen die drei Beschuldigten im sogenannten Heilbronner Islamisten-Prozess bestätigt. Demnach hätten sich die Angeklagten der Verabredung zum Mord sowie der Vorbereitung und der Beihilfe zu einer staatsgefährdeten Straftat schuldig gemacht, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer vor der 15. Großen Strafkammer des Heilbronner Landgerichts.
Islamisten-Prozess in Heilbronn: Diese Strafen fordert die Anklägerin
Sechs Jahre und neun Monate Gefängnis forderte die Anklägerin für den Hauptbeschuldigten Y. aus Bad Friedrichshall. Er ist im April vergangenen Jahres in die Türkei geflogen, um von dort aus nach Syrien einzureisen, wo er mit der islamistischen Partisanengruppe Hai’at Tahrir al-Scham (HTS) das Regime von Baschar al-Assad stürzen wollte.
Darüber hinaus habe Y. mit dem zweiten Angeklagten Ö. aus Weinheim für Mai 2024 einen Mordanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Heidelberg oder Frankfurt geplant, um sich anschließend von der Polizei erschießen zu lassen. „Heimtückisch und aus niederen Beweggründen“, sagte die Staatsanwältin.
Für Ö, der an diesem Prozesstag seinen 19. Geburtstag hatte, beantragte Busch wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer staatsgefährdende Straftat sowie wegen Verabredung zum Mord eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
Für den dritten Angeklagten H. aus Untereisesheim forderte die Staatsanwältin eine Haftstrafe von sechs Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden könne. H. soll Y. zum Flughafen nach Stuttgart gefahren haben, damit er von dort über die Türkei nach Syrien einreisen könne. Damit habe er sich der Beihilfe zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat schuldig gemacht.
Prozess in Heilbronn: Verteidiger fordern Freispruch für Untereisesheimer
Während Y. und Ö. sich im Laufe des Prozesses im Sinne der Anklage geständig zeigten, bestritt H. bis zuletzt, von Ys. Plänen in Syrien gewusst zu haben. Weil es keine Beweise für das Gegenteil gebe, forderten seine beiden Verteidiger Freispruch für den Untereisesheimer.
Als vollkommen überzogen bezeichnete Rechtsanwalt Dr. Friedhelm Possemeyer die Forderung der Staatsanwaltschaft für seinen Mandanten Y. „Was ist denn passiert? Nichts“, so der Verteidiger. Die vermeintliche Verabredung zum Mord und der Versuch, in Syrien einzureisen, bezeichnete er als „dilettantisch“ und als „böse Bubenstreiche“.
Verhandlung am Landgericht: Verteidiger glaubt, dass kein jüdischer Bürger mehr arglos ist
Auch das von der Staatsanwältin benannte Mordmerkmal der Heimtücke greife nicht. Denn dabei müsse das potenzielle Opfer arglos sein. „Das ist ein ganz schlimmer Befund. Aber ich glaube, dass kein jüdischer Bürger mehr arglos ist“.
Für Rechtsanwalt Roman Schweitzer steht bei seinem Mandanten Ö. der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Der inzwischen 19-Jährige benötige Hilfe, um „endlich in seinem Leben einmal einen Fuß auf den Boden zu bekommen“. Er forderte eine Bewährungsstrafe für den Weinheimer. Zuvor hatte sich der Vertreter der Jugendgerichtshilfe dafür ausgesprochen, Ö. nach Jugendstrafrecht zu beurteilen, weil bei ihm eine Entwicklungsverzögerung vorliege.
Islamisten-Prozess in Heilbronn: Was der psychiatrische Sachverständige sagt
Der psychiatrische Sachverständige Dr. Matthias Michel schloss dagegen eine verminderte Urteilskraft oder Steuerungsfähigkeit beim Hauptangeklagten Y. während der Tatzeit aus. Zwar sei bei ihm als Kind ADHS diagnostiziert worden. Mit zunehmendem Alter könne diese Erkrankung aber abklingen. Im Zeitraum der Tat zwischen April und Mai vergangenen Jahres habe er keine Anknüpfungspunkte, dass der Angeklagte noch Symptome von ADHS aufweise. Auch Hinweise auf eine schwere Depression oder Wahnvorstellungen könne er nicht feststellen.
Den Vorschlag von Y., seine deutsche Staatsbürgerschaft zurückzugeben, um ausgewiesen zu werden“, lehnte Richter Kurz ab. Darum ginge es in diesem Prozess nicht. Y. begründete seinen Vorschlag damit, dass er nach der Haftentlassung nicht für den Rest seines Lebens Bürgergeldempfänger sein wolle.
Die 15. Große Strafkammer wird voraussichtlich am Freitag um 10 Uhr das Urteil verkünden.