Roland Eisele war von 2006 bis Ende 2015 Leitender Polizeidirektor in der damaligen Polizeidirektion Heilbronn, wurde danach kurze Zeit Vizepräsident im Polizeipräsidium Ludwigsburg und war von 2016 bis 2023 Präsident des Polizeipräsidiums Aalen. Der 68-Jährige hat zwei Kinder und vier Enkel und sitzt für die CDU im Gemeinderat von Obersulm.
Ex-Polizeichef in Heilbronn kritisiert Film zu Kiesewetter-Mord – „völlig daneben“
Film und Doku zum Mord an Michèle Kiesewetter sorgen für Diskussionen. Roland Eisele war damals Direktor der Polizeidirektion Heilbronn. Er übt Kritik an einem kürzlich veröffentlichten Spielfilm.
Sie haben die Dokumentation gesehen. Wie nah war sie an der Realität?
Roland Eisele: Sie war sachlich, an den Fakten orientiert und es wurden keine weiteren Mutmaßungen und Verschwörungstheorien geschaffen. Es gibt nichts Neues, das war von vornherein klar. Dass Michèle Kiesewetter ein Zufallsopfer war, muss man fast annehmen.
Polizistenmord in Heilbronn: Hinrichtung am Trafohaus
Vor der Doku zeigte die ARD einen Spielfilm, der Fiktion und Realität verband. Ihre Meinung?
Eisele: Das war völlig daneben, wie der Polizeiberuf, die Polizei und die Polizistin im Film dargestellt wurden. Für die Mutter von Michèle Kiesewetter muss das ja furchtbar gewesen sein. Wäre das ein rein fiktionaler Kriminalfilm gewesen, wäre das ok. Zu Beginn stellt man die Hinrichtung am Trafohaus an der Theresienwiese nach und dazwischen ist der Film, die Fiktion. Für den neutralen Betrachter lässt sich das nicht unbedingt auseinanderhalten.
Im Film bekommt man den Eindruck, die Anwärter werden gedrillt.
Eisele: So wie das dargestellt wird, trifft es nicht zu. So trainieren keine Einheiten der Polizei, denen Kiesewetter angehörte. Die Darstellung der Polizei im Film hat eine ganz klare Zielrichtung.
Welche?
Eisele: Ein falsches Bild der Polizei zu zeichnen, als handle es sich um eine verschworene Gemeinschaft, maskulin dominiert. Frauen werden eher geduldet, dann wird die Polizistin auch noch sexualisiert. Das ist schlimm für alle Polizeibeamten und die Hinterbliebenen. Außerdem entspricht es nicht im Geringsten der Realität.
Vertrauen in die Polizei ist groß
Polizeibeamte werden als zum Teil rechtsextrem dargestellt.
Eisele: 80 Prozent der Bevölkerung vertrauen der Polizei. Wenn es dort extreme Tendenzen gibt, halten wir dagegen – übrigens in alle Richtungen. Da wird konsequent eingeschritten. Die Selbstreinigungskräfte bei der Polizei sind vermutlich besser als in sonst einem anderen Beruf.
Doku und Film enden widersprüchlich. Einmal ist Kiesewetter Zufallsopfer, dann soll sie den Täter gekannt haben.
Eisele: Nach meiner Einschätzung haben sie sich wirklich nicht gekannt. Das war von vornherein eine Verschwörungstheorie. Die Motivlage ist letztlich unklar. Und das wird vermutlich in der Zukunft noch so sein. Natürlich bietet das Raum für Spekulationen. Ich persönlich glaube nicht an Verbindungen von Kiesewetter zu Rechten nach Thüringen, wie oft behauptet wird.

Nach zwei Jahren Ermittlungen in Heilbronn hat das LKA übernommen. Gibt man so einen Fall leicht ab?
Eisele: Wir haben es sehr lange gut bewältigt. Irgendwann waren wir personell ab einem Punkt angelangt, wo wir sagten, es geht nicht mehr. Wir mussten hier ja auch den ganz normalen polizeilichen Alltag bewältigen. Es war eine rational notwendige Entscheidung.
Funkverkehr nahm stark zu
Wie ist Ihre Erinnerung an den Zeitpunkt, als Sie vom Mord erfuhren?
Eisele: Ich saß im fünften Stock in meinem Büro, die Tür war offen. Ich habe Akten bearbeitet. Plötzlich bemerkte ich, wie der Funkverkehr anschwoll. Ich ging rüber zum Funkgerät und hörte, dass auf der Theresienwiese ein Kollege angeschossen wurde, und die Kollegin vermutlich tot ist. Und dann ging es los.
Sie haben die Stadt abriegeln lassen, was zu Kritik geführt hat. Würden Sie heute wieder so entscheiden?
Eisele: Das war ein Ausnahmezustand, die Tat war aber auch eine Ausnahmetat. Es hat keine fünf Minuten gedauert, dann war klar, wir brauchten Unterstützung von benachbarten Polizeidienststellen, weil wir das allein personell nicht stemmen konnten. Wir hatten keine Zeugen, die Täter waren mutmaßlich im Stadtgebiet mit Waffen unterwegs. Es blieb uns nichts anderes übrig, als Ausfallstraßen abzusperren und intensiv zu kontrollieren. Es gibt Einsätze, die kann man vorbereiten, in dem Fall musste ad hoc entschieden werden. Ich habe das entschieden und würde das in der Rückschau auch heute wieder so machen. Es gab keine Alternative.
Beschäftigt Sie der Fall heute noch?
Eisele: So einen Fall vergisst man nicht. Für mich war es das einschneidendste Ereignis meiner polizeilichen Laufbahn. Es war die größte Herausforderung für mich als Führungskraft. Leider haben wir es nicht geschafft, die Täter und das Motiv zu ermitteln. Im Alltag verdrängt man das. Aber der Mordtag, der 25. April 2007, wird mir nie aus dem Kopf gehen. Die Ungewissheit nagt immer noch. Ich kann es nicht abhaken, weil der Fall nicht völlig aufgeklärt ist.