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Islamisten-Prozess in Heilbronn: Angeklagter entschuldigt sich bei Polizisten, Familie und Nachbarn

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Im Prozess gegen einen mutmaßlichen Islamisten aus Bad Friedrichshall unter anderem wegen versuchten Totschlags fordert die Staatsanwaltschaft eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Der Verteidiger weist auf etwas anderes hin.


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Der 25 Jahre alte Y.  ist bereits am Freitag, 24. Januar, von der 15. Großen Strafkammer des Heilbronner Landgerichts zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Richter dort befanden den Bad Friedrichshaller der Verabredung zum Mord und der Vorbereitung einer staatsgefährdeten Straftat für schuldig.

Im Parallelprozess wegen versuchten Totschlags an einem Polizisten und wegen eines besonders schweren Falls eines Angriffs auf Vollstreckungsbeamte haben Anklage und Verteidigung am Montag, 27. Januar, vor der Schwurgerichtskammer ihre Plädoyers gehalten.

Islamisten-Prozess in Heilbronn: Angeklagter wurde in anderem Verfahren verurteilt

Während Erster Staatsanwalt Thomas Hochstein eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren forderte, sah Verteidiger Friedhelm Possemeyer keinen Strafanspruch bei der Kammer. „Hier läuft der Angeklagte Gefahr, in einer Sache zweimal verurteilt zu werden“, sagte der Rechtsanwalt. Das sei nach deutscher Rechtsprechung nicht erlaubt. Denn, so argumentierte der Anwalt, die Verfahren bei der 15. Großen Strafkammer und bei der Schwurgerichtskammer stünden in unmittelbaren Zusammenhang.

„Ich weiß gar nicht, warum die Verfahren voneinander getrennt wurden“, so Possemeyer. Das Urteil der 15. Großen Strafkammer ist noch nicht rechtskräftig.

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Islamisten aus Bad Friedrichshall unter anderem wegen versuchten Totschlags eines Polizisten haben Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers gehalten.
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Islamisten aus Bad Friedrichshall unter anderem wegen versuchten Totschlags eines Polizisten haben Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers gehalten.  Foto: Berger, Mario

Am 3. Mai vergangenen Jahres rückten Polizeibeamte des Staatsschutzes in der Wohnung des Angeklagten an. Sie hatten Grund zur Annahme, dass der Beschuldigte ein gemeinschaftliches Attentat auf jüdische Synagogen in Heidelberg, Frankfurt oder München geplant hatte. Dabei sollten willkürlich Juden getötet werden, um sich anschließend bei einem Angriff auf Polizisten erschießen zu lassen und den Märtyrertod zu sterben, so der Plan.

Islamisten-Prozess in Heilbronn: in Bad Friedrichshall Messer auf Polizisten geworfen 

Bei dieser Hausdurchsuchung griff der Angeklagte offenbar zu vier Messern und attackierte einen Beamten auf der Straße. Zwei Messer habe er geworfen, mit den verbliebenen zwei Messern sei er auf einen Polizisten zugerannt, der im letzten Moment vier Schüsse abgab. Einer traf den Angreifer am rechten Oberarm, zwei weitere am rechten Oberschenkel. Ein Schuss ging daneben.

In seinem Plädoyer berücksichtigte der Stuttgarter Anklagevertreter am Montag die Lebensumstände des Beschuldigten. Seine schulische Laufbahn und seine Versuche, beruflich Fuß zu fassen, seien gekennzeichnet von Abbrüchen und Enttäuschungen. „Er hat sich daraufhin auf den islamischen Glauben gestürzt, sich vertieft und online radikalisiert“, sagte Hochstein.

Den deutschen Staat und die Gesellschaft habe Y. abgelehnt. Der Gaza-Krieg habe ihn weiter radikalisiert. Er habe daraufhin in ein Land gehen wollen, „in dem er den Kampf gegen Ungläubige führen kann“, so der Erste Staatsanwalt weiter. Aber auch dabei sei er „letztlich wieder gescheitert“.

Staatsanwalt im Islamisten-Prozess in Heilbronn: Angeklagter fühlte sich verletzt und enttäuscht

Als Y. bei der Hausdurchsuchung erfahren habe, dass sich seine Eltern aus Sorge um ihren Sohn und das Leben Unschuldiger an die Polizei gewandt hatten, „fühlte er sich verletzt und enttäuscht“. In Deutschland sei kein Platz für ihn, und auch seine Familie habe sich gegen ihn gewandt, müsse der Angeklagte gedacht haben, so der Staatsanwalt. „Er wollte aus dem Leben scheiden.“

Um erschossen zu werden, habe er den Polizisten angegriffen, ist Hochstein überzeugt. Dass der Angeklagte dabei einen bedingten Tötungsvorsatz gefasst habe, bezweifelte der Staatsanwalt zwar. Weil er aber auf jeden Fall getötet werden wollte, hätte auch dazu gehört, „dass er den Polizisten wirklich angreift und tatsächlich auf ihn einsticht“. 

Angeklagter entschuldigt sich bei Polizisten, Familie und Nachbarn

Der Angeklagte selbst bedankte sich in seinem letzten Wort beim Ersten Staatsanwalt und entschuldige sich bei seiner Familie, den Polizisten und den Nachbarn. Er wolle sich der Verantwortung stellen und nichts verharmlosen. Ob er auf den Polizisten aber wirklich eingestochen hätte, hätte der nicht vorher geschossen, könne er nicht sagen.

Wie schon im Parallelprozess vor der 15. Strafkammer hatte zuvor der psychiatrische Gutachter Dr. Matthias Michel, Ärztlicher Direktor beim Zentrum für Psychiatrie im Klinikum am Weißenhof, den Angeklagten auch vor der Schwurgerichtskammer für uneingeschränkt schuldfähig erklärt. Ein Aufenthalt im Maßregelvollzug komme deshalb aus seiner Sicht nicht in Betracht. Richter Martin Liebisch kündigte den Urteilsspruch für den 10. Februar um 11 Uhr an.

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