Nilgans-Plage oder Naturwandel? Heilbronner Experten klären auf
Die Nilgans polarisiert, auch im Stadt- und Landkreis Heilbronn. Experten der Ornithologen Arbeitsgemeinschaft Heilbronn fordern Fakten statt einer emotionalen Debatte. Ihre Zählungen der Nilgans-Population zeigt ein klares Bild.
Ein Trupp Nilgänse stakst über die Grünfläche im Wertwiesenpark. Als sich Jochen Fischer, Bernd Zoldahn und Henning Mehrgott von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft (OAG) Heilbronn nähern, recken die Tiere die Hälse. „Da sind Jungvögel von diesem und letztem Jahr darunter“, stellt Jochen Fischer fest, ausgehend von den Ringen, die einige Gänse tragen. Was Fischer ebenfalls abliest: Nicht alle Tiere leben dauerhaft vor Ort, sondern bewegen sich dynamisch. Und doch sorgen solche Ansammlungen auf Wiesen oder im Stadtgebiet für Diskussionen und Vorurteile.
Die Nilgans polarisiert. Seit sich die aus Afrika stammende Art hierzulande etabliert hat, sorgt sie immer mal wieder für Schlagzeilen. Viele Menschen stören sich vor allem an den Verschmutzungen, sowohl in Naherholungsgebieten als auch in der Stadt, in Heilbronn etwa auf dem Buga-Gelände. Das können die Ornithologen nachvollziehen.
Nilgänse in Stadt und Landkreis Heilbronn werden verstärkt bejagt
Stadtverwaltungen und Betreiber von Freizeitflächen fühlen sich zum Handeln gezwungen. „Die Verunreinigungen auf Wegen und Liegewiesen sprechen für sich“, sagt Zaberfelds Bürgermeisterin Diana Danner mit Blick auf die Ehmetsklinge. Für diese Erkenntnis brauche es keine Erhebung. Die Sorge besteht, dass sich der Vogelkot bei steigenden Temperaturen auch negativ auf die Wasserqualität auswirkt. Im schlimmsten Fall würden Einnahmeverluste drohen, so Danner. Die Stadt Heilbronn spricht dagegen von einer „hohen Population“ der Nilgänse im Stadtgebiet, die sich „nach unserem Eindruck“ nicht wesentlich erhöht habe, teilt Harald Wild vom Ordnungsamt mit. Man gehe von derzeit 70 bis 80 Tieren aus und möchte die tatsächliche Population mit der OAG prüfen lassen.

Die Nilgans ist in Verruf geraten, obwohl die Graugans ähnliche Verhaltensweisen aufweist. Die Nilgans fällt jedoch durch ihre markante Färbung und ihre Lautstärke auf, sagt Henning Mehrgott. Das präge auch die Sicht auf ihr Vorkommen.
Vogel-Experte: Nilganspopulation im Raum Heilbronn wächst nur noch langsam
Die Ornithologen beobachten die Tiere seit der ersten Sichtung und Brut 2009 im Stadt- und Landkreis. Die Diskussion um die Nilgans ist ihrer Meinung nach vor allem eines: ein menschengemachtes, subjektiv gefärbtes Problem. Sie bedauern, dass sich viele fachfremde Menschen mit ihren Meinungen in die Diskussion einmischen, statt sich auf konkrete Zahlen und langfristige Beobachtungen zu stützen.
Nach einem deutlichen Anstieg vor zehn bis fünfzehn Jahren nimmt die Population der Nilgans im Stadt- und Landkreis nur noch langsam zu. „Die Zahlen gehen vermutlich nicht mehr durch die Decke“, sagt Jochen Fischer. Ein Trupp Nilgänse bedeute nicht automatisch, dass sich alle Tiere dort fortpflanzen: „Wir unterscheiden zwischen Brut- und Rastbeständen.“ In der Regel brüteten Nilgänse ein bis zwei Mal im Jahr, Dreifachbruten kämen nur in Ausnahmefällen vor.
Nilgänse in der Region Heilbronn: Große Unterschiede bei Zählungen
Der Gesamtbestand setzt sich in Stadt- und Landkreis aus 40 bis 50 aktiv brütenden Nilgans-Paaren zusammen. Die große Gänsezählung im Stadt- und Landkreis ergab im September 2024 einen Bestand von 392 Nilgänsen, im Jahr davor waren es 462. Zum Vergleich: Die Graugans kam 2023 auf 355, 2024 bereits auf 555 Tiere. „In diesem Rahmen werden wir uns mit jährlichen Schwankungen weiter bewegen“, sagt Fischer.
Anfang Juni zählte er am Badesee Ehmetsklinge bei Zaberfeld 75 Graugänse mit zwei Familien und vier Jungtieren. Bei den Nilgänsen waren es zehn Tiere mit einer Familie und vier Küken. Am Breitenauer See hielten sich beide Arten die Waage: „Dort hatten wir 20 bis 40 Graugänse und circa 30 Nilgänse.“ Die kürzlich vom Naherholungszweckverband genannte Zahl von 100 Nilgänsen könne er anhand der Ornitho-Meldungen nicht nachvollziehen.
Bejagung der Nilgans: Kann, aber muss eigentlich nicht
Eine Bejagung könne bei der Nilgans eine Lösung sein, eine Bestandsreduzierung lasse sich, wenn überhaupt, jedoch nur bei langjähriger und konsequenter, großflächiger Bejagung erreichen. Auch Maßnahmen wie ungemähte Rasenstreifen oder Abwehrzäune könnten helfen, die Nilgänse von bestimmten Flächen fernzuhalten. Die Entnahme von Eiern sei dagegen schwieriger, da die Tiere nicht immer an denselben Stellen brüten.
Zudem sei es keine gute Idee, Gelege ganz zu entfernen, weil die Elternvögel sonst eine Ersatzbrut beginnen, so die Experten. Henning Mehrgott appelliert: „Wir müssen tolerieren, dass die Gänse zum Stadtbild dazugehören.“
Verdrängt die Nilgans andere heimische Vogelarten?
„Nilgänse verhalten sich Menschen gegenüber grundsätzlich nicht aggressiv“, sagt Ornithologe Bernd Zoldahn. „Auch Junge führende Brutpaare halten Abstand und fliehen eher.“ Dass Nilgänse heimische Vogelarten verdrängen, konnten die Ornithologen nicht beobachten. Vielmehr sehen sie eine Gefährdung für Wasservögel durch die verstärkte Freizeitnutzung an den Gewässern.