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Ende einer Ära
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Antik Cleversulzbach: Zum Schluss gibt’s noch einmal Silber und Sherry

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Nach dem Tod von John Birchall sind die Tage des beliebten Geschäfts gezählt. Ex-Frau erzählt, wie alles begann.

Edda Birchall hat mit ihrem Ex-Mann John Birchall Antik Cleversulzbach aufgebaut. Nun ist das Geschäft bald Geschichte.
Edda Birchall hat mit ihrem Ex-Mann John Birchall Antik Cleversulzbach aufgebaut. Nun ist das Geschäft bald Geschichte.  Foto: Peter, Katharina

Edda Birchall sitzt zwischen antiken Möbeln in ihrem früheren Zuhause in der Eberstädter Straße in Cleversulzbach. Wo heute Stühle, Sofas, Schränke, Tische und haufenweise Silber ausgestellt sind, hat sie früher mit John Birchall und vier Kindern gewohnt. Die heute 82-Jährige hat das Geschäft Antik Cleversulzbach einst zusammen mit ihrem Ex-Mann aufgebaut. Jetzt hilft sie bei der Auflösung. Denn nach dem plötzlichen Tod von John Birchall im April geht die Ära Antik Cleversulzbach endgültig zu Ende. Aber nicht ohne eine Tradition einzuhalten. Am ersten Dezemberwochenende findet wie seit fast 50 Jahren eine Silberausstellung statt mit Vanillekipferl, Sherry und Portwein.

John und Edda Birchall hatten sich nach 32 Jahren Ehe zwar getrennt und er hatte wieder geheiratet. Trotzdem denkt seine Ex-Frau noch gern an die gemeinsamen Jahre in Cleversulzbach zurück und verliert kein schlechtes Wort über ihn. „John war ein wunderbarer Mensch“, betont sie und erzählt, dass sie drei Kinder mit in die Beziehung gebracht hatte, die John Birchall behandelt habe als wären sie seine. „Sie haben alles gekriegt.“ Zusammen bekamen sie noch eine Tochter, Alison Birchall. Da weder sie, noch John Birchalls Witwe Andrea Kaufmann das Geschäft weiter betreiben möchten, wird es aufgelöst. Seit Monaten läuft ein Ausverkauf.  

Bekannte Personen waren unter den Kunden von Antik Cleversulzbach

Vieles ist schon weg, trotzdem finden sich in den verwinkelten Räumen der drei Häuser noch einige Schätze. Zum Jahresende möchten die Erbinnen aber einen Schlussstrich ziehen, sagt Edda Birchall. Da sie sich gut mit Antiquitäten und Silber auskenne, helfe sie bei den letzten Terminen mit. „Ich war früher die Organisatorin und John der Top-Restaurator und Verkäufer.“ Edda Birchall erinnert sich an viele skurrile Geschichten. Zum Beispiel habe mal ein Sultan bei ihnen eine Pickelhaube und eine kurze Lederhose gekauft. Auch der frühere Bundespräsident Roman Herzog sowie bekannte Firmenchefs hätten bei ihnen eingekauft. „Die haben auch alle Werbung für uns gemacht. Das war so schön“, sagt Edda Birchall. Überhaupt hätten sie auch im Ort viel Unterstützung erfahren.

Dabei seien sie selbst immer einfache Leute gewesen und geblieben. Als das erste Haus, das sie in Cleversulzbach bezogen, zum Verkauf stand, hätten sie lediglich 30.000 D-Mark bieten können. „Ein anderer Käufer war abgesprungen, so haben wir es tatsächlich bekommen“, erinnert sie sich. Damals war Edda Birchall 28, hatte bereits drei Kinder und gerade wieder begonnen zu studieren. John Birchall war Folkmusiker.

Sie hatten zuvor bereits mit Schallplatten gehandelt, dann kamen sie auf die Idee mit den Antiquitäten. „Wir haben mit einem wurmigen Schrank und einem verbeulten Zinnbecher angefangen.“ Zu den ersten Dingen, die sie verkauft hatten, gehörte auch ein Gründerzeit-Sekretär und eine Standleuchte. Manchmal seien sie alle zwei Wochen nach England gefahren – die Heimat von John Birchall – um Antiquitäten zu kaufen. Auch in Schottland waren sie unterwegs. Zurück in Cleversulzbach seien manchmal Lkw-Ladungen schon am ersten Abend ausverkauft gewesen, erzählt Edda Birchall. 

Mitarbeiterin hilft, das Silber ein letztes Mal zum Strahlen zu bringen

John Birchall hatte sich immer weitergebildet, um die Möbel selbst restaurieren zu können. „Eine Schreinerlehre hatte er.“ Neben den Antiquitäten verkaufte er auch immer schon Silber. „Manche Kunden hielten ihn für den  größten Silberhändler in Europa – ausgenommen England“, so Edda Birchall. Er habe auf Qualität und Originalität geachtet. Das Silber zu polieren ist eine Kunst für sich. Das weiß niemand besser als Sylvia Buba. Bereits ihre Mutter hatte für John Birchall gearbeitet. „Er war der beste Chef“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Nun helfe sie ein letztes Mal, das Silber für die letzte Ausstellung zum Strahlen zu bringen. 

Die Häuser in Cleversulzbach hatten die Birchalls in Eigenregie saniert, jetzt werden sie verkauft. „Es wäre schön, wenn alle drei an einen Käufer gehen würden.“ Sie könne sich gut eine Gastronomie und Wohnungen dort vorstellen. „Das äußere Bild sollte erhalten bleiben“, findet die 82-Jährige. 

Die letzte Ausstellung markiert einen schweren Abschied aus Cleversulzbach

Die Silberausstellung startet an diesem Wochenende, 5. bis 7. Dezember, jeweils von 10 bis 18 Uhr und ist an allen Wochenenden im Dezember geöffnet. „Diese letzte Ausstellung ist für uns ein Abschied aus der Welt der Antiquitäten und ein Abschied aus dem Mörikedorf Cleversulzbach. Ein schwerer Abschied“, schreibt Edda Birchall in einer Ankündigung. Gleichzeitig seien Werke zweier unbekannter Künstler aus Rheinhessen, Werner Rutsch und Jochen Rößler, in den Räumen von Antik Cleversulzbach (Eberstädter Straße 2-4) zu sehen.   

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