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„Wird schwer zu stemmen sein“: Landwirte fordern Ausnahme beim Mindestlohn 

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Die Landwirtschaft leidet unter steigenden Kosten bei gleichbleibenden Erzeugerpreisen. Im Obst-, Wein- und Gemüseanbau ist dieses Ungleichgewicht besonders groß. Nun kommt womöglich noch die Mindestlohn-Erhöhung hinzu. 


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Der jüngste Beschluss der Mindestlohnkommission sorgt in der Landwirtschaft für Stirnrunzeln. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll demnach von derzeit 12,82 Euro soll in zwei Schritten bis zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. 2026 soll der Mindestlohn im ersten Schritt auf 13,90 Euro steigen. Nun gibt es dazu erste Stimmen aus der Region. 

Für ausländische Saisonarbeiter, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, müsse es Ausnahmen beim Mindestlohn geben, findet Stefan Kerner, Vorsitzender des Bauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg. Als Begründung nennt der Erlenbacher Landwirt die geringeren Lebenshaltungskosten in den Herkunftsländern der Erntehelfer. Erleichterungen für die Betriebe könne es durch die Verlängerung der Einsatzzeiten geben.

Trägt der Mindestlohn zum Rückgang des Obst- und Gemüseanbaus bei?

Bisher dürfen Saisonarbeiter innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen höchstens 90 Tage lang arbeiten. Kerner könnte sich eine Verlängerung um 30 Tage vorstellen. Ein alternativer Weg sei, die Sozialversicherungsbeiträge abzusenken. Kerner erinnert daran, dass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Stärkung der heimischen Obst- und Gemüseproduktion festgelegt ist.

Die Zahlen sehen anders aus. Negative Auswirkungen der Lohnsteigerungen zeigen sich an der Entwicklung der Anbauflächen. Wie der Verband der Süddeutschen Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE) mitteilt, ist die Anbaufläche für Erdbeeren in Baden-Württemberg seit 2015 von 3738 Hektar auf 2381 Hektar geschrumpft. Im selben Zeitraum ist die Spargelanbaufläche von 2764 Hektar auf 2112 Hektar zurückgegangen.

Öhringer Obstbauer bewertet Pläne zur Mindestlohn-Erhöhung

Gerald Heinrich, der auf seinem Obst- und Gemüsehof in Öhringen-Büttelbronn vor allem Erdbeeren und Gurken anbaut und vermarktet, sagt: „Die schrittweise Erhöhung auf 13,90 und 14,60 Euro ist erstmal besser als gleich auf einmal 15 Euro.“ Aber: „Auch das wird nur sehr schwer zu stemmen sein.“

Eine Erntehelferin aus Bulgarien sortiert im Gewächshaus frisch geerntete Erdbeeren. Arbeitsintensive Sonderkulturen leiden besonders unter hohem Lohndruck.
Eine Erntehelferin aus Bulgarien sortiert im Gewächshaus frisch geerntete Erdbeeren. Arbeitsintensive Sonderkulturen leiden besonders unter hohem Lohndruck.  Foto: Bernd Wüstneck

Die Produkte müssten teurer werden, „doch ob wir die Preise am Markt halten können, wird sich zeigen“. Heinrich konkurriert wie viele andere mit ausländischen Herstellern, die ihren Saisonarbeitern nur wenige Euro zahlen. Entsprechend günstiger sind die Waren.

„Wenn immer mehr aus dem Ausland kommt und es irgendwann gar keine richtige Saison mehr gibt, weil immer alles verfügbar ist, wird es natürlich ganz schwer, die deutschen Waren noch am Markt zu positionieren.“ Schon jetzt stammten 80 Prozent des Obstes und 70 Prozent des Gemüses aus dem Ausland.

Womöglich müsste die Produktion in Deutschland dann irgendwann ganz eingestellt werden. Doch so weit sei man noch nicht. „Wir müssen jetzt halt erneut in den sauren Apfel beißen“, will Heinrich weiter kämpfen. Er beschäftigt in seinem Betrieb 200 Saisonarbeiter. Die Erdbeerernte ist fast zu Ende, die Gurkenernte läuft gerade voll hoch.

Mindestlohn: Was der Bauernverband für Saisonarbeiter fordert

Heinrichs größte Hoffnung ist, dass sich der Bauernverband mit seiner Forderung durchsetzt, Saisonarbeitern in der Landwirtschaft nur 80 Prozent des Mindestlohns zu zahlen. Agrarminister Alois Rainer zeigt sich offen dafür, SPD und Gewerkschaften lehnen dies ab. „Meine Fachleute prüfen, ob es einen rechtssicheren Weg gibt, Ausnahmen vom Mindestlohn möglich zu machen“, sagte Rainer vor kurzem.

Die Bundesregierung stehe grundsätzlich zum Mindestlohn, nehme aber die Sorgen der Obst- und Gemüsebauern sehr ernst, so der CSU-Politiker. „Ohne die wichtige Unterstützung der Saisonarbeitskräfte könnten viele Betriebe ihre Ernte nicht einbringen“, meinte Rainer. „Gerade lohnintensive landwirtschaftliche Betriebe stellt die Erhöhungen des Mindestlohns vor finanzielle Herausforderungen.“

Wie sich der Mindestlohn im Weinbau auswirkt

Die Steigerungen des Mindestlohns in den vergangenen Jahren stünden in keiner Relation zur Erlössituation der Weinbaubetriebe, meint der Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg, Hermann Morast. Dauerhaft seien bereits die bisherigen Regelungen für die Betriebe nicht darstellbar: „Wenngleich die politisch angekündigte 15-Euro-Grenze noch nicht überschritten wurde, haben die nun zu erwartenden Mindestlohnsteigerungen direkte negative Auswirkungen auf unsere Betriebe“, so Morast. Der Verband fordert Ausnahmen für die arbeitsintensive Sonderkultur Weinbau, in denen saisonal viele, vor allem ausländische Erntehelfer eingesetzt werden. „Diese Mitarbeiter haben in ihren Heimatländern ja ganz andere Kostenstrukturen als wir hier“, so der Verbandsgeschäftsführer.  

Mindestlohn ein Ausstiegsprogramm für Sonderkulturen?

Der Bauernverband hatte zuvor erklärt:  „Wir schlagen vor, dass sie 80 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns erhalten“, so Präsident Joachim Rukwied. Er begründete dies damit, dass Saisonarbeitskräfte ihren Lebensmittelpunkt „schließlich nicht in Deutschland“ hätten. Rukwied mahnt seit Monaten, dass eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf ein Niveau von 15 Euro gravierende Folgen für die Landwirtschaft hätte. „Sollte dies ohne Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte kommen, wäre das ein Strukturwandelbeschleunigungs- und Ausstiegsprogramm für viele Gemüse-, Obst- und Weinbaubetriebe.“

Zur Entscheidung der Mindestlohnkommission sagte Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und Vorsitzende der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern: „Die heutige Entscheidung der Mindestlohnkommission ist ein Schlag ins Gesicht unserer Landwirtinnen und Landwirte und wird der Landwirtschaft schweren Schaden zufügen. Der Anbau von Obst, Gemüse und Wein wird weiter zurückgehen.

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