Von der Stadt Heilbronn heißt es: Da sie im Verteidigungsfall eigene Staatsaufgaben im Rahmen der zivilen Verteidigung wahrzunehmen habe, sei ein kurzfristiger Personalabzug in großem Umfang auszuschließen. „Mitarbeitende in kritischen Bereichen verbleiben dann im Dienst der Stadt, um die zivile Verteidigung sicherzustellen.“ Aufgaben der Stadt laut dem Operationsplan Deutschland sind demnach etwa die Versorgung und Sicherstellung von Land-/Forstwirtschaft, Energie-/gewerblicher Wirtschaft, Wasser-/Abwasserbeseitigung, Verkehrswesen. Ein Katastrophenschutzstab sei eingerichtet, der bei Bedarf sofort handlungsfähig sei.
Militärischer Ernstfall: Wie sind Firmen aus dem Raum Heilbronn auf Szenario vorbereitet?
Im Bündnisfall wären Menschen für die Landesverteidigung gefordert, die bislang in zivilen Berufen arbeiten. Mediziner mahnen eine Planung für den Umgang mit bis zu 1000 Verletzten täglich an.
Die über Polen abgeschossenen russischen Drohnen haben der Öffentlichkeit erneut vor Augen geführt, wie real die Gefahr einer Ausweitung des Kriegs in der Ukraine auf Kerneuropa ist. Experten mahnen seit Monaten, dass sich die deutsche Zivilgesellschaft besser auf ein solches Szenario vorbereiten muss. Russlands Kriegswirtschaft laufe auf Hochtouren, das Land sei spätestens 2029 in der Lage, Nato-Gebiet in Europa anzugreifen. Doch es geschehe zu wenig, um die deutsche Gesellschaft resilient zu machen, so der Fachbegriff.
Kriegsgefahr in Europa: Szenario von 1000 Verletzten pro Tag in Deutschland
Diese Kritik erneuerte am Montag Gernot Marx, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, vor Journalisten in Berlin. „Im Moment sind wir nicht vorbereitet, wir sind nicht ausreichend kriegstüchtig“, sagte er und meinte das deutsche Gesundheitswesen insgesamt. Die Nato plant im militärischen Ernstfall mit 1000 Verletzten täglich, die zusätzlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik versorgt werden müssten.

Dazu brauche es eine digitale Echtzeit-Erfassung aller Behandlungskapazitäten, genauso wie eine verpflichtende telemedizinische Infrastruktur und die Möglichkeit, innerhalb eines noch besser vernetzten Kleeblatt-Systems zu verlegen. Dieses System benachbarter Kliniken war in der Pandemie für die Verlegung und Versorgung Covid-Kranker aufgebaut worden. Zudem brauche es klare Einsatz- und Notfallpläne und eine Bevorratung lebensnotwendiger Medikamente „und zwar jetzt“, damit alle Beteiligten Prozesse und Strukturen einüben könnten.
Militärischer Ernstfall: So bereiten sich Firmen in der Region Heilbronn vor
Auch Industrie und Wirtschaft haben sich bislang wenig mit einem militärischen Krisenszenario auseinandergesetzt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse zu Personalstrategien in Unternehmen und Behörden. Demnach seien 84 Prozent auf den Fall, dass Teile der Belegschaft zur Landesverteidigung abgezogen werden, nicht eingestellt.
Auf eine stichprobenartigen Umfrage unserer Redaktion zur Resilienzplanung in Unternehmen in der Region kommen einige ausweichende Antworten. Von Audi heißt es, „selbstverständlich erleichtert uns eine möglichst frühzeitige und transparente Kommunikation durch die zuständigen Stellen des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Unternehmen, den Abruf von Mitarbeitenden besser planbar zu machen“.
Bechtle und die EnBW erfassen nach Auskunft von Sprecherinnen nicht, welche Mitarbeitenden als freiwillige Reservisten für die Bundeswehr tätig sind. Notfallpläne und Vertretungsregelungen seien aber, „unabhängig von dem konkreten Hintergrund für einen kurzfristigen Ausfall“ vorhanden, so Bechtle.
Die EnBW als Unternehmen der kritischen Infrastruktur hat nach eigenen Angaben Vertretungsmodelle für Schlüsselpositionen. Weiter heißt es: „Zur Sicherstellung unserer Reaktionsfähigkeit führen wir regelmäßig Tests und Übungen durch. Dabei trainieren wir unsere Notfallorganisation und überprüfen die Wirksamkeit bestehender Meldeketten.“ Auch der direkte Austausch mit Bundeswehrstellen zur zivil-militärischen Zusammenarbeit werde intensiviert. Die Schwarz-Gruppe wollte keine Angaben machen.
Stadt Heilbronn: „Grundsätzlich auf ein solches Szenario vorbereitet“
Von der Stadt Heilbronn heißt es, man sei „grundsätzlich auf ein solches Szenario vorbereitet“ und habe „die strukturellen und organisatorischen Vorbereitungen für eine Bewältigung der Herausforderungen getroffen“. Eine Erfassung von Reservisten erfolgt jedoch laut einer Sprecherin auch dort nicht. Die Unkenntnis darüber, wer im Krisenfall möglicherweise sofort ausfällt, sei problematisch, sagt Markus Mühlbauer. Der Oberstleutnant der Reserve leitet das Verbindungskommando der Bundeswehr zur Stadt Heilbronn. Er sagt: „In Österreich gibt es einmal pro Jahr einen Tag, an dem Reservisten in Uniform an ihren zivilen Arbeitsplatz kommen. Dadurch wird sichtbar, wer alles ausfallen würde.“