Kein Silvester ohne Sekt: Zu Besuch in der Nordheimer Privatkellerei Rolf Willy
Wenn dieses Silvester schon nicht ausgelassen geböllert werden darf, sollen zumindest die Korken knallen. In der Nordheimer Privatkellerei Rolf Willy ist die Sektherstellung echte Handarbeit.

Die Gläser sind gerichtet, die Spannung steigt. Nur wenige Minuten trennen das alte vom neuen Jahr. Für unzählige Menschen weltweit beginnt die alljährliche Zeremonie so: Die Banderole wird vom Hals der Sektflasche gelöst, die Agraffe vorsichtig aufgedröselt, das Korkendeckelchen entfernt und der Korken je nach Temperament mit einem lauten Knall oder einem sanften Blubb herausgedreht. Um Mitternacht erklingen die Gläser. Prost! Eine Tradition, auf die man auch im Coronajahr nicht verzichten muss, wenn hierzulande schon nicht geböllert werden darf.
Ein Schluck Sekt wie ein leidenschaftlicher Kuss
"Das Korkenknallen, die Perlage, das macht Lust auf ein neues Jahr", sagt Jürgen Willy in einem stilvoll dekorierten Gewölbe der Kellerei in Nordheim: Kerzenständer, funkelnde Gläser, einige Fässer und eine ganze Reihe Rüttelpulte, in denen die Sektflaschen schon fast senkrecht stehen. Der Önologe, der neben seinem Studium ein Sektfach belegt hatte, vergleicht den Gaumenreiz der Perlen, den Genuss des Getränks mit einem "leidenschaftlichen Kuss."
In der Nordheimer Privatkellerei Rolf Willy steige zwar der Umsatz von Sekt am Jahresende, sagt Jürgen Willy, aber auch während des Jahres sei die Nachfrage recht hoch und Anlässe gebe es viele für das spritzige Getränk.
Hintergrundwissen aus der Sektanlage
In der Sektanlage degorgiert Kai-Uwe Riedel Flasche um Flasche. Die Hefe, die sich während der traditionellen Champagner-Flaschengärung über neun Monate am Kronkorken abgelagert hat, wird beim Degorgieren entfernt. Dazu wird die Flasche kopfüber in ein Solebad getaucht, die Hefe vereist. Mit einem kleinen Messer wird dann der Kronkorken entfernt, und durch den Druck in der Flasche schießt der vereiste Pfropfen mit einem kräftigen Laut – und etwas Sekt – aus der Flasche. Aufgefüllt wird mit einigen Millilitern der Dosage, einem Likör aus demselben Grundwein, über den man die Süße bestimmen kann. Danach wird die Flasche mit dem Korken verschlossen. Die Agraffe sorgt dafür, dass sich der Korken nicht löst.
Sektmeister Riedel hantiert an halben Flaschen mit 0,375 Litern Inhalt. Das ist die kleinste Einheit, bei der die Champagnermethode angewandt wird. Die kleinen Flaschen sind eine sehr beliebte Größe für "zwischendurch zu Hause", sagt er. "Sekt soll ja frisch getrunken werden, innerhalb von zwei Tagen nach dem Öffnen." Da biete sich die halbe Flasche an.
Den Sekt besser nicht alt werden lassen
In der Kellerei wird nur so viel Sekt produziert, wie in einem kurzen Zeitraum verbraucht wird. "Anders als Wein wird Sekt im Alter nicht besser", sagt Riedel. Degorgiert man den Schaumwein nach neun Monaten, schmeckt er richtig frisch. Je länger man damit wartet, desto intensiver wird der Champagnergeschmack. Riedel: "Er schmeckt dann nach Brioches", dem französischen Hefebrötchen. Neben Sektsorten gibt es in der Kellerei auch klassische Champagner-Cuvées, weiß gekeltert, aus den drei Rebsorten Chardonnay, Pinot Meunier und Pinot Noir.
Jürgen Willy, der mit seinen Brüdern Holger – Ansprechpartner für Fachhändler und zuständig für die Logistik – und Günter, der für den Verkauf zuständig ist, den vom Vater übernommenen Betrieb leitet, freut sich über die Entwicklung der Sektanlange. Im kommenden Jahr soll weiter investiert werden. Die Voraussetzungen sind gegeben, und das Weingut hat die geeigneten Trauben.
Ein Trend, über den die Familie nachdenken muss, sind alkoholfreie Weine und Sekte. Zudem steigt die Nachfrage nach säurearmen Sekten. Da ist man bei den Willys genau richtig: "Das ist genau der Willy-Stil: säurearm, fruchtbetont, harmonisch".
Hintergrund
Seit August Willy 1950 in Nordheim die kleine Küferei gegründet hatte, haben sich die nachfolgenden Generationen der Weinleidenschaft des Gründers verschrieben und die Kellerei zu einem erfolgreichen Betrieb ausgebaut. In den 90er Jahren gab Augusts Sohn Rolf die Leitung an seine Söhne Jürgen, Önologe, Dipl.-Kaufmann Günter und Dipl.-Ökonom Holger ab. Jürgen Willys Tochter Selina und Sohn Leon stehen mittlerweile auch schon in den Startlöchern. 182 Winzer gehören zur Erzeugergemeinschaft Rolf Willy. Auf 250 Hektar gedeihen 33 Rebsorten, die fast alle von Hand gelesen werden.

