Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer: Wie Schüler mit virtuellen Brillen und Chatbots lernen
Die Kultusministerkonferenz macht den Weg frei für noch mehr Künstliche Intelligenz. Manche Schule ist da weiter. Vom Aufsatz bis zur Relativitätstheorie: Wie das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn Künstliche Intelligenz im Schulalltag einsetzt.

Auch Künstliche Intelligenz (KI) kann mal hängen. Die KI-Ansprechpartner des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums in Neufahrn bei München wollen eine Anwendungen präsentieren, die Kindern und Jugendlichen sogar beispielsweise bei der Relativitätstheorie helfen kann. Doch bei einer Aufgabe, in der es nur um eine Ampelschaltung an einer mehrspurigen Straße geht, passt die KI-Antwort nicht zum absichtlich falsch geschriebenen Ergebnis. Die Lehrer tüfteln, suchen, woran es gelegen haben könnte. Peter Sander, der stellvertretende Schulleiter, schmunzelt: Wenn man so immer arbeiten müsste, sei es mit der Zeitersparnis nicht weit her. Dieser Moment kann über die KI-Begeisterung an der Schule nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil: Das Beispiel zeigt eben auch, worauf es beim Einsatz künstlicher Intelligenz im Unterricht genauso ankommt: den kritischen Umgang mit dem Medium. "Dafür müssen wir sensibilisieren", sagt Peter Sander.
Das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium gilt in Bayern im Bereich der Digitalisierung als eine "absolute Leuchtturmschule". Zu dieser Einschätzung kommt jedenfalls Anna Stolz, Bayerische Staatsministerin für Unterricht und Kultus. Kein Wunder ist es also, dass das Gymnasium auch am Projekt KI@School teilnimmt, hinter dem die Stiftung Bildungspakt Bayern steht. Hier bringen sich unter anderem Unternehmen oder Verbände finanziell ein. Damit haben sich diese Schulen schon lange auf den Weg gemacht, wozu sich die Kultusministerkonferenz erst im Oktober ausgesprochen hat: für einen offenen Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Schulalltag aus. Bei einer Konferenz in Berlin vereinbarten sie Empfehlungen zum Umgang mit der Technologie, thematisierten dabei aber auch mögliche Gefahren und schlugen Maßnahmen vor, diesen zu begegnen.
Beim KI-Projekt in Bayern experimentieren die beteiligten Schulen mit der Technik und erforschen neue digitale Lernprozesse. Für Neufahrn bedeutet das: Hier kommt natürlich auch Chat-GPT wie an vielen Schulen zum Einsatz. Lehrer bekommen über den Chatbot neue Ideen für den Unterricht, von einer Entlastung der Kollegen spricht Peter Sander. Den Datenschutz hat das Gymnasium so geregelt, dass zumindest bei den Schulaufgaben spezielle Ipads aus der Schule zum Einsatz kommen und sich Kinder und Jugendliche nicht selbst mit eigenen Accounts einloggen. KI in Neufahrns Unterricht ist aber mehr als das gängige Tool. Die Lehrer testen verschiedene Systeme.
Beispielsweise steht die Schule mit dem Lehrstuhl für Didaktik der Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Kontakt und setzt deren Plattform Leap ein. Lehrer erstellen Aufgaben, erklären der KI, worauf es bei der Antwort ankommt und wie eine Musterantwort aussieht. Schüler sehen nur die Frage und bekommen dann auf ihre Antworten ein schnelles Feedback. "Die größte Herausforderung", sagt Peter Sander, sei es dabei für die Lehrer, einen so passenden Prompt zu formulieren, damit die KI weiß, worauf es beim Bewerten ankommt. Hinter Prompt steht der Befehl ans beziehungsweise die Kommunikation mit dem System.
Leap zeigte dem Kollegium aber auch, dass die Jugendlichen nicht automatisch begeistert sind. "Wir gingen optimistisch ran", erzählt Peter Sander von seiner Idee, damit Elftklässler für Einsteins Relativitätstheorie zu begeistern. Es sei kein Selbstläufer gewesen. "Ich musste sie in den Computerraum tragen", erinnert er sich mit einem Schmunzeln. "Für Schüler war es etwas Neues." Diese Art des selbstständigen Lernens sei für sie unbekannt gewesen. Sie bevorzugen eben doch manchmal den direkten Kontakt zum Lehrer.
Mit KI kann dem Lehrer eine neue Rolle zukommen. Zumindest bietet es laut Schulleiter Stefan Bäumel die Chance, die Rolle neu zu denken. Ein Beispiel dafür ist das Fach Deutsch, wo Übungsaufsätze von der KI bewertet werden können. Man müsse als Lehrer aber auch loslassen können, ergänzt Peter Sander. Das soll heißen: Wer als Lehrer weiterhin alles lesen will, für den bietet KI keine Entlastung. Bleibt aber die Frage nach den Folgen für die Schüler: "Für die Guten ist es gut", sagt Peter Sander. Schon bei herkömmlichen Arbeiten sei bei Schwächeren die Frage gewesen: Würden sie die Rückmeldungen der Lehrer überhaupt lesen? Auf KI verzichten könne keine Schule mehr, findet Lehrerin Antje Hanusch. Man müsse allen wenigstens dieselben Startchancen geben. "Allen Schülern die Möglichkeiten zu geben, das ist Aufgabe der Schule."
Die Schule steht KI aufgeschlossen gegenüber. "Die Technologie ist neu und muss von der Schule mitgedacht werden", sagt Stefan Bäumel. "Wir gehen sehr offen an dieses Thema heran, um daraus eine für uns gangbare Strategie zu entwickeln." Das heißt für ihn zugleich, dass Schüler "für die schwierigen Themen im Zusammenhang mit KI" sensibilisiert und die Lehrer geschult werden müssten.
Das Gymnasium testet Systeme, die manchmal allerdings mehr versprechen als sie halten - und schaltet sie auch wieder ab. Von anderen Anwendungen sind die KI-Verantwortlichen begeistert. Ein System nimmt Lehrern bei der Vorbereitung viel Zeit ab. Viel verspricht sich Lehrer Jan Heistermann außerdem von einer Anwendung, bei der Schüler üben können, Präsentationen zu halten - ausgestattet sogar mit virtueller Brille. Wie schnell sprechen sie, verwenden sie Füllwörter, wohin blicken sie? Darauf gibt es dann Rückmeldung. "Für uns hört es sich super an." Wie die Jugendlichen reagieren, bleibt abzuwarten. Deutlich wird an diesem Beispiel aber auch: KI-Elemente sind sogar mit finanzieller Unterstützung durch Unternehmen nur bedingt zu kaufen. Beispiel VR-Brillen: "Bald haben wir 17", sagt Jan Heistermann. Das Gymnasium hat fast 1000 Kinder.
Dank KI denken Lehrer auch über neue Bewertungskriterien von Arbeiten nach. Jan Heistermann sagt beispielsweise, dass es Abzüge für schlechtes Layout in Powerpoint-Präsentationen geben müsste. KI-Anwendungen könnten schließlich alles glätten. Und zumindest Antje Hanusch, die Mathematik, Informatik und Chemie unterrichtet, findet bei Präsentationen in ihren Fächern: Die Kinder sollten eine KI das Geschriebene kontrollieren lassen. "Ich verlange einen flüssigen Text."


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