KI-Experte: Alles an die KI auszulagern ist weder sinnvoll noch zielführend
|
3 Min
Erfolgreich kopiert!
KI hilft beim Erklären, sie unterstützt Schüler bei Übungsaufgaben: Dieses Potenzial sieht Christopher Muhler, der selbst Lehrer an Gymnasien im Ausbildungsseminar in Heilbronn im Bereich Künstliche Intelligenz fortbildet.
Christopher Muhler unterrichtet in Obersulm am Evangelischen Paul-Distelbarth-Gymnasium und bildet Lehrer an Gymnasien im Ausbildungsseminar in Heilbronn im Bereich Künstliche Intelligenz fort.
Foto: Gajer, Simon
Künstliche Intelligenz ist nicht mehr wegzudenken. Auch viele Lehrer an Schulen in der Region setzen sie ein. Christopher Muhler ist selbst Lehrer und bildet Kollegen weiter. Diese Chancen sieht der Heilbronner.
Viele setzen auf Künstliche Intelligenz im Unterricht: Können Lehrer mittlerweile alles einsetzen, was sinnvoll ist?
Christopher Muhler: Ich denke prinzipiell schon. Es hängt aber immer noch stark davon ab, ob es das Thema in den Schulen nach oben schafft, es liegt noch sehr an der jeweiligen Lehrkraft. Fortbildungen gibt es mittlerweile auf vielen Ebenen. Auch der Datenschutz spielt eine große Rolle, aber es gibt Lösungsansätze.
Wo liegen der Vorteil im Unterricht?
Muhler: KI hilft zum Beispiel bei der Vorbereitung. Es geht effizienter, wenn man weiß, wie unter anderem ein Chatbot funktioniert. Es ist ideal, wenn man eine leistungsheterogene Klasse hat und dann ein Arbeitsblatt differenziert formulieren kann. Früher war das immer sehr aufwendig. Wenn ich jetzt die KI mit anonymisierten Informationen zur Klassensituation füttere, dann bekomme ich Aufgaben in drei unterschiedlichen Niveaus.
Prüfen Sie die Aufgaben?
Muhler: Ja. Ich muss noch drüberschauen und Kleinigkeiten anpassen. Es ist noch Arbeit, aber ich muss nicht mehr alles komplett schreiben, ich kann damit zielgerichteter arbeiten. Das kommt sicherlich auch vielen Kollegen mit vollem Deputat und Zusatzaufgaben entgegen.
Und bei Schülern?
Muhler: Mit Fachtexten tun sich Schüler manchmal schwer. Ich erkläre es, ein Mitschüler erklärt es, manchmal verstehen sie es dennoch nicht. Dann sage ich auch: „Jetzt fragen wir mal gemeinsam Chat-GPT.“ Dann geben wir alles Relevante zusammen ein, reflektieren das, und dann beurteilen wir mit der bisherigen Fachkompetenz im Hinterkopf, was da generiert wird. Das hilft Schülern manchmal schon.
Wie schätzen Sie die individuellen Rückmeldungen an Schüler durch KI ein?
Muhler: Es gibt Tools, die man dafür nutzen kann, zum Beispiel Fiete AI oder standardisierte Prompts mit Chat-GPT. Bei mir am Gymnasium in Obersulm gibt es Wochenhausaufgaben mit einem Feedback. Ich kann der KI meine Stichworte mündlich oder schriftlich geben und bekomme ein ausformuliertes Feedback beziehungsweise einen Vorschlag, individuell für das jeweilige Produkt. Gerade bei einem vollen Deputat kann ich das allein nicht schaffen. Wir besprechen alles natürlich im Unterricht. Alles an die KI auszulagern ist weder sinnvoll noch zielführend. Kommunikation und Austausch muss unbedingt stattfinden.
Wie arbeiten Schüler damit?
Muhler: Schüler können unter anderem ihre Klassenarbeiten überarbeiten, in dem sie einen entsprechenden Prompt formulieren, der Korrekturzeichen und Anmerkungen, schriftliches Feedback und Aspekte aus der Besprechung im Unterricht enthält. Das Ergebnis lassen sie sich als Tabelle anzeigen: mit dem Ursprungstext, den Verbesserungen durch die KI. Die dritte Spalte ist die Wichtigste: Darin geht es um die Reflexion, warum die KI denkt, dass ihre Verbesserung angemessen sei. Wenn wir dann darüber im Unterricht oder individuell ins Gespräch kommen, kann ein Schüler sich konstruktiv weiterentwickeln. Rückmeldungen durch KI sind dabei manchmal auch objektiver als meine.
Warum?
Muhler: Manche Schüler haben den Eindruck, dass Lehrer zum Teil sehr subjektiv urteilen. Eine KI ist aber, ganz vereinfacht gesagt, eine neutrale Instanz. Die kennt die Schüler nicht, geht ja auch gar nicht. Viele nehmen Rückmeldungen weniger persönlich, weil sie auch alles Schwarz auf Weiß sehen. Die fehlende Emotionalität kann hier gegebenenfalls ein Vorteil sein. Mancher getraut sich auch, der KI freier seine Schwächen zu gestehen als dem Lehrer, weil die Beziehungsebene nicht tangiert wird.
Hilft KI, die Schere beim Leistungsniveau zu schließen?
Muhler: Das kann man schwer verallgemeinern. Meine subjektiven Erfahrungen aus Fortbildungen und Gesprächen zeigen, dass die Guten noch besser werden. Den Schwächeren fehlt manchmal dennoch die Motivation, KI einzusetzen. Das hat mit einer grundlegenden Sache zu tun: Viele Schüler sind mittlerweile ernüchtert davon, wieviel Arbeit in KI steckt, dass man sich da richtig reinfuchsen muss, sonst wird es zum bloßen Spielzeug ohne Mehrwert und das Ergebnis nicht gut. Es geht nicht darum, der KI die Hausaufgaben zu geben. In der Besprechung merken Lehrer, wer es nicht verstanden hat. Hausaufgaben sind kein Selbstzweck, sind in einem spezifischen unterrichtlichen Kontext, lagern vor allem in der Schule nicht leistbare Schreibaufträge aus, zum Beispiel in der Oberstufe. Es gibt einen Witz, den ich mal mit Kollegen besprochen habe: „Woran merkt man, dass ein Schüler KI benutzt hat? Er lacht beim Vorlesen.“ Wir kennen unsere Schüler, wir wissen um ihr Niveau, ihren Stil und ihren aktuellen Stand. Wenn da plötzlich ein Uniniveau mit Fachtermini anklingt, dann kriegt man mit ein paar Fragen schnell raus, was Sache ist. Besonders, wenn die Jugendlichen dabei anfangen zu grinsen oder zu lachen.
Was erschwert den Einsatz von KI?
Muhler: Das Hauptproblem ist, dass es Zeit kostet. Um damit richtig zu arbeiten, muss man eine Grundkompetenz im Unterricht vermitteln. Es lohnt sich: Wie funktioniert KI, wie kann man sie steuern, wie promptet man, wie reflektiert man den Mehrwert, welche Rolle hat das Fachwissen? Wenn man das immer wieder übt, bekommt man ein Gefühl dafür, mit KI richtig zu arbeiten, was alles möglich ist. So eine Grundkompetenz sollte auch deshalb vermittelt werden, weil KI nicht zuletzt im Beruf eine Rolle spielt. Es ist ein Thema, das über die Schule hinausreicht. Daher muss Schule eine grundlegende KI-Kompetenz legen, auf die aufgebaut werden kann.
Zur Person
Christopher Muhler, 35 Jahre, wohnt in Heilbronn und unterrichtet am Evangelischen Paul-Distelbarth-Gymnasium in Obersulm. Außerdem ist er Dozent "KI und Schule" und Autor, beispielsweise hat er sich bereits mit Pädagogik, Digitalität/Digitalisierung und Künstliche Intelligenz beschäftigt.
Traurig, aber keine Sorge: Sie können natürlich trotzdem weiterlesen.
Schließen Sie einfach diese Meldung und sichern Sie sich das andere exklusive Angebot auf der Seite. Bei Fragen hilft Ihnen unser Kundenservice unter 07131/615-615 gerne weiter.
Kommentare