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Justizministerin Marion Gentges in JVA-Außenstelle Talheim: Hier lesen Gefangene ersten Bio-Wein

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Der Hohrainhof in Talheim ist der einzige Gefängnisbetrieb in Deutschland, der Weinbau betreibt – jetzt sogar in Bioqualität. Justizministerin Marion Gentges war für diesen besonderen Anlass am Freitag zu Besuch.

Justizministerin Marion Gentges und ein Gefangener in den Weinbergen der Staatsdomäne Hohrainhof in Talheim bei der Biowein-Traubenlese.
Justizministerin Marion Gentges und ein Gefangener in den Weinbergen der Staatsdomäne Hohrainhof in Talheim bei der Biowein-Traubenlese.  Foto: Christiana Kunz

Gereift im Gefängnis: Der zukünftige Slogan auf den Flaschen ist so außergewöhnlich wie die Umstände, unter denen die Weine und Sekte entstehen: Der Hohrainhof in Talheim, eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Heilbronn, ist der einzige landwirtschaftliche Betrieb in einem deutschen Gefängnis, der Weinbau betreibt – seit diesem Jahr auch nach Biostandard.

Derzeit arbeiten und leben 15 Gefangene auf dem Hof im sogenannten offenen Vollzug, wo sie in den Bereichen Weinbau, Ackerbau, Gemüseanbau und Viehhaltung tätig sind. Im September 2020 wurde ein Konzept zur nachhaltigen Neuausrichtung der Staatsdomäne entwickelt, das mittlerweile erfolgreich umgesetzt ist. Alle Produkte – von Wein über Obst und Gemüse bis hin zu Rindfleisch – entsprechen nun der Bioland-Qualität. Die Umstellung war eine organisatorische Herausforderung, sagt Ralf Schäfer, der die Außenstelle leitet. Doch dank seines engagierten Teams mit 13 Bediensteten sei alles gemeistert worden.

 

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Justizministerin Marion Gentges in Talheim: "Die Landwirtschaft im Justizvollzug erfüllt höchste ökologische Standards“

Zur Traubenlese des Bioweins besuchte Marion Gentges, Ministerin für Justiz und Migration, am Freitag den Hohrainhof. Sie lobte das Projekt und betonte: „Als staatliche Institution tragen wir Verantwortung für Natur und Umwelt. Mit der heutigen Lese des ersten Bioweins können wir stolz sagen: Die Landwirtschaft im Justizvollzug erfüllt höchste ökologische Standards.“ Weinbau sei eine herausfordernde Angelegenheit, für die Gefangenen sei es dementsprechend besonders, daran mitzuwirken, so die Justizministerin 

In der Außenstelle sieht Andreas Vesenmaier, Leiter der JVA Heilbronn, eine Einrichtung mit Vorbildcharakter und Alleinstellungsmerkmal. „Wir sehen sie als ideales Lernfeld für unsere Insassen. Im Gesamtgefüge des Vollzugs spielt sie eine ganz bedeutende Rolle. Die Insassen lernen einen respektvollen Umgang mit Tier, Natur und Umwelt, was wiederum ein wichtiger Beitrag zur Resozialisierung ist.“

Häftlinge: "Wir sehen die Zeit hier nicht als Bestrafung, sondern als Chance“ 

Faktoren wie ein strukturierter Tagesablauf, die Förderung des Sozialverhaltens, die Stärkung des Selbstvertrauens durch Erfolgserlebnisse und nicht zuletzt die Übernahme von Verantwortung seien entscheidend, um nach der Entlassung ein Leben ohne Straftaten führen zu können. „Wir sehen die Zeit hier nicht als Bestrafung, sondern als Chance“, erklären zwei Häftlinge, die Zwiebel- und Kartoffelkuchen liefern. Obwohl die Arbeit körperlich anstrengend ist, empfinden sie den Alltag auf dem Hohrainhof als einfacher als in der JVA, da sie besser auf das Leben draußen vorbereitet werden – etwa durch Familienausflüge am Wochenende.

Stephan Oppenländer (von links), Marion Gentges, Andreas Vesenmaier und Ralf Schäfer.
Stephan Oppenländer (von links), Marion Gentges, Andreas Vesenmaier und Ralf Schäfer.  Foto: Christiana Kunz

Ein besonderer Schwerpunkt beim Hohrainhof liegt auf dem Weinbau: Jährlich werden hier zwischen 50.000 und 60.000 Liter Wein produziert. Auf rund elf Hektar Rebfläche werden Rot- und Weißweine, Säfte, Secco und Sekt im traditionellen Flaschengärverfahren hergestellt.

Seit 1945 ist der Hohrainhof Außenstelle der JVA Heilbronn

Stephan Oppenländer leitet das Weingut auf dem Hohrainhof seit fast 25 Jahren. „Was wir hier lesen, entscheidet über die Qualität im Weinkeller“, betont er. Auch nach Jahrzehnten schätzt er seinen Arbeitsplatz: „Alles ist so idyllisch.“ Auch Wochenend- oder Nachtschichten gehören zu dem Arbeitsalltag des gelernten Winzers, der ebenfalls eine Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten absolvierte. Abseits der Arbeit hat Stephan Oppenländer aber auch ein offenes Ohr für „die Jungs“, wie er sagt. „Wir verbringen viel Zeit miteinander, da bekommt man auch Sorgen oder Nöte mit.“

Seit dem Jahr 1945 ist der Hohrainhof Außenstelle der Justizvollzuganstalt Heilbronn. Das Gebäudeensemble besteht im Kern aus zwei Ställen, zwei Unterkunftsgebäuden, einem Keltergebäude sowie einer Kapelle. Laut einer Informationsbroschüre der JVA Heilbronn war der Hohrainhof weltweit lange Zeit die einzige JVA, in der Wein nicht nur angebaut, sondern auch vor Ort ausgebaut wird. Inzwischen hat das Konzept auch außerhalb Deutschlands Nachahmer gefunden, wie etwa in Italien, wo Häftlinge in Velletri bei Rom seit 2002 Weißwein keltern.

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