Häusliche Gewalt in Heilbronn und Hohenlohe: Gefahr für Kinder während Ferien
Erlebt ein Elternteil häusliche Gewalt, hat das auch in Heilbronn und dem Hohenlohekreis oft Folgen für die Kinder. Ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, prüfen die Fachkräfte der Jugendämter vor Ort.
Die eigenen vier Wände sollten eigentlich Schutz bieten. Doch für einige Menschen lauert gerade hier Gefahr. Häusliche Gewalt betrifft vor allem Frauen. Aber auch Kinder bleiben davon nicht verschont.
„Seit Beginn der Sommerferien am 31. Juli 2025 wurden bis zum 28. August 2025 insgesamt 23 Verfahren wegen Kindeswohlgefährdungseinschätzungen eröffnet, davon fünf Meldungen wegen häuslicher Gewalt in Familien“, erklärt Sarah Krauter, Kinderschutzfachkraft des Jugendamts Hohenlohekreis.
Häusliche Gewalt: Jugendamt Hohenlohe erhält auch in Sommerferien Meldungen
Das Jugendamt schätze mit mehreren Fachkräften das Gefährdungsrisiko ein, mache sich einen unmittelbaren Eindruck vom Kind und seiner persönlichen Umgebung und biete der Familie geeignete Hilfe an. Allerdings, betont Krauter, bedeutet nicht jede Meldung und anschließende Gefahreneinschätzung automatisch, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.
Dass es mehr Meldungen von Kindeswohlgefährdung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt während der Sommerferien im Vergleich zum restlichen Jahr gibt, ist derzeit nicht erkennbar, erklärt die Kinderschutzfachkraft.
Mehr Meldungen in der Schulzeit: Häusliche Gewalt gegenüber Kindern in Heilbronn
Sabine Schmidt, Leiterin des Amts für Familie, Jugend und Senioren der Stadt Heilbronn erklärt, dass bis zum 5. September sieben Fälle körperlicher Gewalt in den Ferien gemeldet wurden. Einen Fallanstieg in den Ferien gebe es nicht. Im Gegenteil: „Während der Schulzeit ist die Anzahl von Meldungen zu körperlicher Gewalt im Vergleich in der Regel höher als in den Sommerferien.“ Ob und warum sich die Fallzahlen in Ferien und Schulzeit unterscheiden, sei nicht untersucht. Gemeldet werden demnach alle Altersklassen gleichermaßen in Heilbronn, männliche Kinder öfter.
Ferienzeit besonders für junge, von Zwangsheirat bedrohte Frauen brisant
„Die Sommerferien sind für Betroffene von häuslicher Gewalt immer eine kritische Zeit“, sagt Kathrin Geih, Abteilungsleiterin der Mitternachtsmission Heilbronn. Die Betreuungszeit in Schule und Kindergarten falle weg und womöglich habe auch der Täter Urlaub und verbringe mehr Zeit daheim. Dadurch gebe es potenziell mehr Situationen, in denen Gewalt eskalieren könne, sagt Geih. Und damit sei auch die Gefahr, dass Kinder Gewalt mitbekommen oder selbst betroffen sind, deutlich höher. „Auch wenn sie die Gewalt ‚nur’ sehen oder hören, können die Folgen schwerwiegend sein.“ Geih weist außerdem darauf hin, dass die Ferienzeit besonders für junge, von Zwangsheirat bedrohte Frauen brisant sei. Zwangsheiraten erfolgen demnach oft im vermeintlichen Heimaturlaub. Hilfe-Anfragen von Betroffenen treten in der Regel vermehrt vor den Ferien auf, erklärt Geih.
Einen besonderen Trend könne die Mitternachtsmission in diesem Jahr noch nicht feststellen. Die Anzahl von Aufnahmeanfragen für das Schutzhaus hänge vor allem davon ab, ob Plätze frei seien. Wenn dem so ist, sei die Nachfrage das ganze Jahr über sehr hoch.
Häusliche Gewalt gegenüber einem Elternteil wirkt sich auch erheblich auf Kinder aus
Nach Einschätzung des Jugendamts im Landkreis Heilbronn gibt es in den Ferien kein erhöhtes Aufkommen von häuslicher Gewalt, erklärt Andreas Zwingmann, Sprecher des Landratsamts. Der Fachdienst Trennung, Scheidung, Umgang (TSU) und die Beratungsstelle für Familie und Erziehung registrieren demnach schon seit Monaten eine Häufung der Fälle. Ein weiterer Anstieg in den Ferien könne nicht festgestellt werden.
Aus Sicht der Beratungsstelle für Familie und Erziehung wirkt sich häusliche Gewalt gegen einen Elternteil immer erheblich auf die Kinder aus, die auch in dem Haushalt leben, sagt Zwingmann. Überwiegend – in 70 bis 90 Prozent der Fälle – seien die Kinder anwesend oder im Nebenraum und erleben so die Gewalt direkt oder indirekt mit. Oft seien die Kinder auch selbst von körperlicher oder auch seelischer Misshandlung betroffen, erklärt der Sprecher.
Grundsätzlich können sich Kinder und Jugendliche immer beim Jugendamt beraten lassen. Die Betroffenen können sich auch an andere Beziehungsberatungsstellen wie der Caritas oder der Diakonie wenden – auch ohne das Wissen der Eltern, sofern durch eine Mitteilung an diese der „Beratungszweck vereitelt“ werden würde.
Nicht alle von häuslicher Gewalt betroffenen Kinder haben sichtbare Spuren
Es kommt auch vor, dass sich junge Betroffene an ihre Ärzte wenden. „Das sind komplexe Herausforderungen in der Gemengelage, aber diese Situationen zeigen auch deutlich, dass wir im Zweifel die Ärzte und damit auch Anwälte der Kinder sind“, erklärt Hans Stechele, Kinderarzt in Heilbronn. Generell könne man sagen, dass die Kinderärzte bei ihrer Arbeit nur sehr wenige konkrete Verdachtsfälle körperlicher Gewalt sehen. „Uns ist schmerzlich bewusst, dass wir den größten Teil nicht sehen oder übersehen“. Denn Betroffene mit sichtbaren Spuren körperlicher Gewalt stellten nur einen kleinen Teil der Betroffenen dar, die körperliche, seelische oder sexualisierte Gewalt erfahren. Der Kinderarzt fürchtet: „Misshandelte Kinder mit deutlichen Spuren werden wohl eher nicht gezeigt.“