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Heilbronner Anwältin: "Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten vor"

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Im Stimme-Interview spricht die Heilbronner Anwältin Ute Langner-Zimmermann über Frauen, die sich von brutalen Partnern trennen, und warum das Umgangsrecht ein heikles Thema ist.

Von ihrem Arbeitsplatz aus hat Ute Langner-Zimmermann einen weiten Blick. Mit rechtlichen Mitteln eine Perspektive schaffen will sie auch für ihre Mandantinnen.
Foto: Berger
Von ihrem Arbeitsplatz aus hat Ute Langner-Zimmermann einen weiten Blick. Mit rechtlichen Mitteln eine Perspektive schaffen will sie auch für ihre Mandantinnen. Foto: Berger  Foto: Berger

Die Heilbronnerin Ute Langner-Zimmermann vertritt von häuslicher Gewalt Betroffene vor Gericht. In Interview erklärt sie, wie Frauen es aus der schlimmen Situation daheim herausschaffen.

Wie arbeiten Sie mit Mandantinnen, die Partnerschaftsgewalt erfahren haben?

Ute Langner-Zimmermann: Seit 2004 bin ich Mitglied des runden Tisches gegen häusliche Gewalt der Stadt Heilbronn. Dadurch bin ich mit dem Verein Frauen helfen Frauen in Kontakt gekommen und habe viele Frauen vertreten, die häusliche Gewalt erlebt haben. Der Partner ist etwa von der Polizei der Wohnung verwiesen worden. Dann kommen sie zu mir, damit ich tätig werden kann.

Was heißt das konkret?

Langner-Zimmermann: Die Polizei erteilt dem Mann einen Platzverweis für ein, zwei Tage, der vom Ordnungsamt auf zwei Wochen verlängert werden kann. In der Zeit muss die Frau sich einen Anwalt suchen, um einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. Wenn der durchgeht, gibt es eine einstweilige Anordnung vom Familiengericht. Sie beinhaltet, dass der Mann mindestens ein halbes Jahr nicht mehr in die Wohnung darf und sich der Frau und Orten zu denen sie regelmäßig gehen muss, etwa der Arbeitsstelle, dem Kindergarten oder der Schule, um die Kinder abzuholen, nicht nähern darf.

Passiert das oft?

Langner-Zimmermann: Ja, das ist meist der Grund, warum die Frauen mich aufsuchen. Manche sind auch ins Frauenhaus geflohen oder in eine andere Stadt. Wenn sie zu mir kommen, vertrete ich sie bei Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung. Sie sind dann oft an einer neuen Adresse, die geheim gehalten werden muss. Wenn ich die Frauen gerichtlich vertrete, arbeite ich mit Kolleginnen vor Ort zusammen, weil beispielsweise das Gericht des ursprünglichen Wohnsitzes zuständig ist. Aus Schutzgründen darf nicht bekannt werden, wo sich die Frau jetzt befindet.

Wie erleben Sie Ihre Mandantinnen?

Langner-Zimmermann: Eingangs sind sie eingeschüchtert, verstört und verunsichert, weil sie jetzt Fakten schaffen. Sie haben Angst, denn sie sind auch finanziell abhängig von den Männern und wissen nicht, wie es weitergeht mit den Kindern, dem Geld und der Wohnung.

Parallel läuft häufig eine Anzeige bei der Polizei wegen Körperverletzung. Manche machen aber auch wieder einen Rückzieher, lassen den Mann erneut ins Haus. Doch die meisten, die den Schritt getan haben, hierherzukommen, ziehen es durch. Das ist das Erfreuliche. Meist sind sie anschließend froh.

Gibt es trotzdem nur wenige, die Anzeige erstatten?

Langner-Zimmermann: Das ist natürlich ein großer Schritt, seinen eigenen Mann oder Partner anzuzeigen, mit dem man lange zusammen gelebt hat. Aber die, die ihn nach dem Gewaltschutzverfahren aus der Wohnung haben wollen, sind meist schon entschlossen.

In den Frauenhäusern sind viele ausländische Frauen. Ist häusliche Gewalt ein Thema, das primär Migrantinnen betrifft?

Langner-Zimmermann: Nein. Sie kommt in allen Schichten vor. Ich habe immer wieder deutsche Familien, wo das hinter verschlossenen Türen an der Tagesordnung ist. In den Frauenhäusern sind mehr Migrantinnen, weil sie niemanden haben und nicht wissen, wohin. Deutsche verfügen eher über ein Netzwerk aus Freundinnen und Familie, teils können sie sich selbst helfen. Ich habe gerade einen Fall, wo die Frau selbst den Gewaltschutzantrag bei Gericht gestellt hat. Das geht mit Sprachbarriere nicht.

Warum suchen Frauen sich brutale Männer aus?

Langner-Zimmermann: Ich denke, dass jeder Mensch einen bestimmten Typ Partner favorisiert. Es ist häufig so, dass wenn Frauen sich von einem Partner getrennt haben, sie wieder an einen ähnlich gewaltbereiten Mann geraten. Sie binden sich an vermeintlich starke Männer, die dann wieder gewalttätig werden.

Gibt es Auslöser dafür, dass es daheim eskaliert?

Langner-Zimmermann: Wenn Kinder da sind, kommen neue Belastungen, Stress, finanzielle Sorgen. Manche Männer sind damit überfordert. Die Frau kümmert sich seiner Ansicht nach zu viel ums Kind, er wird eifersüchtig. Wenn der Mann Alleinverdiener ist, höre ich oft den Vorwurf: ,Ich arbeite hier allein. Sie macht nichts, gibt nur Geld aus.' Die Frauen kümmern sich um die kleinen Kinder, können gar nicht arbeiten gehen.

Es entsteht Aggression, die in Gewalt umschlägt. Arrangierte Ehen sind auch nicht unbedingt von gegenseitiger Liebe geprägt. Die Paare kommen aus Afghanistan, Syrien, Türkei, dem Irak. Ein Problem, und das betrifft auch eher migrantische Beziehungen, ist auch die unbegründete krankhafte Eifersucht.

Warum kehren Frauen zu Schlägern zurück?

Langner-Zimmermann: Oft ist es die Unsicherheit, die Angst. Das Umfeld ist bekannt. Man hat das so gelebt, sich ein Stück an die Ausbrüche gewöhnt. Die Alternative ist eine komplette Neuausrichtung des Lebens. Aber die Frau hat vielleicht noch nie selbstständig gewirtschaftet, gearbeitet. Das erfordert viel Mut.

Verändern sich Ihre Mandantinnen während des Trennungsprozesses?

Langner-Zimmermann: Anfangs sitzen hier kleingemachte verunsicherte Personen. Aber im Frauenhaus wird ihnen geholfen. Ich bin da für rechtliche Angelegenheiten wie Umgang, Unterhalt, Sorgerecht. Wenn das alles geregelt ist, sitzt hier ein neuer Mensch. Die Frauen haben Selbstbewusstsein erlangt, glauben an sich. Sie haben gemerkt, dass sie unterstützt werden. Aber es ist ein schwieriger Weg, und er dauert zum Teil mehrere Jahre. Nicht alle schaffen das.

Wie beurteilen Sie es, wenn Kinder Kontakt zum gewalttätigen Elternteil haben?

Langner-Zimmermann: Das ist ein großes Problem, auch im Frauenhaus. Die Frau soll geschützt sein, aber dann gibt es gerichtlich angeordnet begleiteten Umgang, damit die Frau nicht allein mit dem Mann zusammentrifft.

Es wird zu wenig beachtet, dass der Opferschutz nicht untergeordnet werden darf. Das besagt die Istanbul-Konvention, die Frauen vor Gewalt schützen soll. Wenn in einem Strafverfahren festgestellt wurde, dass der Mann die Frau verprügelt und mit dem Tod bedroht hat, ist es sinnwidrig, wenn die Mutter dafür sorgen muss, dass er die Kinder sieht. Solche Fälle habe ich oft. Die Frau will den begleiteten Umgang nicht, die Kinder auch nicht. Aber ein Umgangsausschluss ist sehr selten und fast gar nicht durchzusetzen.

Gibt es auch Fälle, in denen Männer fälschlich beschuldigt werden?

Langner-Zimmermann: In den Fällen, bei denen ein Gewaltschutzantrag schnell durchgeht, habe ich Fotos der Verletzungen der Frauen. Da kann mir niemand erzählen, dass das durch einen Treppensturz passiert ist. Psychische Gewalt ist schwerer zu beweisen.

Erleben Sie auch Fälle von Gewalt gegen Männer?

Langner-Zimmermann: An einen Fall erinnere ich mich, das gibt es vereinzelt. Aber Frauen üben teils psychische Gewalt über die Kinder aus, der Umgang mit ihnen wird vereitelt. Das ist teils auch brutal. Durch Druck, Streit und Manipulation sagen sie sich komplett vom anderen Elternteil los, auch wenn es anfangs noch gut lief. Das habe ich sogar häufig. Meist sind es die Väter, aber ich habe es auch schon umgekehrt erlebt, die ihre Kinder dann komplett verlieren.

 


Zur Person: Ute Langner-Zimmermann

Ute Langner-Zimmermann ist Fachanwältin für Familienrecht, stammt aus Marbach am Neckar und hat in Mannheim Jura studiert. Die 60-Jährige lebt in Heilbronn, ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter. Beim Verein Frauen helfen Frauen, der neben der Diakonie ein Frauenhaus in Heilbronn betreibt, ist sie Vorstandsvorsitzende und hofft auf baldige Zusage des Ministeriums für die geplante Erweiterung des Hauses. Ehrenamtlich bietet sie zudem bei Pro Familia Rechtsberatung an. Privat joggt sie gern und geht ins Fitnessstudio, wenn Zeit bleibt.

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