19 Prozent Mehrwertsteuer: Harte Auswirkungen auf Gastro-Branche in Heilbronn
Ein halbes Jahr nach der Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent werden die Befürchtungen der Wirte Realität. Dehoga-Chef Thomas Aurich sieht die System-Gastronomie auf dem Vormarsch.

"Die Corona-Zeit war nicht so schlimm wie jetzt", sagt die Geschäftsführerin des Hotel-Restaurants Herzogskelter in Güglingen, Diana Hoffmann. Ein halbes Jahr nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen von sieben auf 19 Prozent spüren auch ihre Kollegen schmerzliche Auswirkungen. Für den Heilbronner Dehoga-Chef Thomas Aurich befindet sich die Branche aktuell sogar "in einer Phase der Transformation zum amerikanischen Modell: Nur noch System-Gastronomie und zwei, drei feine Lokale".
"Die Leute kommen nur noch, wenn sie etwas Besonderes zu feiern haben", berichtet Diana Hoffmann. In ihrem Restaurant äßen abends - den Mittagstisch haben sie schon länger aufgegeben - fast nur noch Hotelgäste. "Es kommen keine Einheimischen mehr", bedauert sie. Und während der Deutschland-Spiele der Fußball-EM sei das Lokal leer gewesen.
Zu hohe Kosten: Pächter der Güglinger Herzogskelter hören auf
Steigende Energie-, Personal- und Lebensmittelkosten, dazu jetzt die Mehrwertsteuererhöhung. Weil für sie und ihre Familie die Folgen absehbar gewesen seien, hätten sie sich bereits im November des vergangenen Jahres entschlossen, mit Auslaufen ihres Pachtvertrags im August 2025 aufzuhören. Ihr Mann Markus Hoffmann, Vorsitzender des Vereins der Köche Heilbronn, werde künftig als Berufsschullehrer arbeiten.
Einige Betriebe legen einen zusätzlichen Ruhetag ein, andere bieten keinen Mittagstisch mehr an. "Die Leute sind nicht bereit, in der Mittagspause 15 Euro inklusive Getränk auszugeben", weiß Diana Hoffmann. Um 46 Prozent sei der Durchschnittspreis für den Mittagstisch in Heilbronn in den letzten sieben Jahren gestiegen", hat Thomas Aurich ausgerechnet.
Dehoga-Kreisvorsitzender: Fehlende Nachfolger und fehlendes Geld
Manche Wirte beschließen vor dem Rentenalter aufzuhören. "Bei vielen ist die Nachfolge nicht geregelt, und bei diesem unsicheren politischen Umfeld ist die Übernahme eines Betriebs auch nicht attraktiv", weiß der Dehoga-Kreisvorsitzende Martin Kübler. "Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden, sei es für zufriedene Mitarbeiter oder notwendige Sanierungen."
Wie seine Kollegen hat auch der Chef des Restaurants Neunzehn beim Golfclub Bad Rappenau die Preise erhöht: "Wer nicht mindestens um 20 Prozent hochgegangen ist, dem prophezeie ich keine Zukunft", so Kübler.
Kein verändertes Kundenverhalten im Löwensteiner Landhaus Hohly
Im Juni hat das Geschäft unter der Woche bei Frank Hohly vom gleichnamigen Löwensteiner Landhaus zwar "gefühlt etwas nachgelassen – vielleicht auch wegen der EM oder vielen Festle". Ansonsten hat er aber kein verändertes Verhalten seiner Gäste festgestellt: "Am Wochenende sind wir gut belegt mit Familienfeiern." Preiserhöhungen hätten sie akzeptiert, "aber das Publikum, das zu uns kommt, ist vielleicht nicht so repräsentativ", überlegt Hohly.
Für Thomas Aurich ist die EM gerade "ein Ventil, wo gnadenlos abgefeiert wird". Den Wandel in der Gastro-Branche hält er dennoch für unaufhaltsam. Zumal noch nicht alle Kollegen die Abrechnung der Covid-Hilfen abgegeben hätten. Viele müssten etwas zurückzahlen. Insolvenzen drohten. Olaf Scholz und Christian Lindner sind für den Geschäftsführer der Heilbronner Neckarmeile "die Sargnägel". Aufgeben ist aber nicht sein Ding: "Wir berappeln uns immer wieder, aber die Gastronomielandschaft wird in ein, zwei Jahren eine andere sein als 2019."

