Im neuen Schuljahr sind an den Gymnasien in der Region etwas weniger Fünftklässler angemeldet als im Jahr davor, wie aus Zahlen hervorgeht, die das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart auf Stimme-Nachfrage nennt. Im Stadtkreis Heilbronn sind 439 Kinder für die fünfte Klasse angemeldet, im Schuljahr 2024/25 waren es 525. Im Landkreis Heilbronn sind es 945 Kinder, 24 weniger als im vergangenen Schuljahr. Im Hohenlohekreis liegen 241 Anmeldungen fürs Gymnasium vor, im vergangenen Schuljahr waren es 268. Das deckt sich mit dem Anmeldeverhalten am Weinsberger Gymnasium. Im neuen Schuljahr kommen 93 Fünftklässler, üblicherweise sind es gut 100. Schulleiter Jürgen Kovács vermutet, dass der Rückgang vor allem mit der Änderung der Grundschulempfehlung zu tun hat: Eltern können nicht mehr frei entscheiden, auf welche weiterführende Schule sie ihr Kind schicken.
Rückkehr zu G9: Leiter des Weinsberger Gymnasiums sieht Entlastung für Schüler
Mit dem neuen Schuljahr kehrt an Baden-Württembergs Gymnasien G9 zurück – zunächst für Fünft- und Sechstklässler. Ein Beispiel aus Weinsberg zeigt, wie sich Schulen vorbereitet haben.
Klar, es wird dieses Mal etwas anders sein, wenn am Montag das neue Schuljahr startet. Da macht sich Jürgen Kovács nichts vor. Aber dass der Leiter des Weinsberger Justinus-Kerner-Gymnasiums (JKG) wegen der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium aufgeregter wäre als sonst? Nein. „Wir blicken dem G9-Start sehr optimistisch entgegen.“
Nicht alle seiner Schulleiterkollegen verabschieden sich leichten Herzens von G8, weiß Kovács. Aber die meisten doch. Für sie und ihn überwiegen die Vorteile von G9: „Es bringt eine zeitliche Entlastung für die Kinder.“ Es bleibe mehr Raum für Außerschulisches, für Musik, für Sport, für soziale Erfahrungen – und das tue der Persönlichkeitsentwicklung gut. Der Oberstudiendirektor erhofft sich auch mehr Zeit für Vertiefung im Unterricht und für breiter aufgestellte, reifere junge Menschen, wenn sie beim Abi ein Jahr älter sind.
Fünf Elemente kennzeichnen „G9 neu“
Der letzte Jahrgang, der nach neun Jahren die Hochschulreife erlangte, war der 2012er. Kovács weiß es noch gut, er war damals Vize-Chef am Heilbronner Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium. Nun, nach langer und erhitzt geführter Debatte im Land die Rückkehr – wobei es ja ein „G9 neu“ sein soll.
Fünf Elemente kennzeichnen das künftige neunjährige Gymnasium, und der 56-Jährige findet sie alle wichtig: Stärkung der Demokratiebildung und der beruflichen Orientierung, Stärkung der Naturwissenschaften und der Grundlagenfächer, vor allem Deutsch und Mathe, sowie systematisches Mentoring für alle Schüler.

G9 heißt auch: Lehrer brauchen Fortbildungsangebote
Neue Schwerpunkte, andere Gewichtungen, ein zusätzliches Schuljahr, gedehnte Inhalte, ein neues Pflichtfach „Informatik und Medienbildung“: All das bedeutet, dass Bildungspläne fortgeschrieben werden müssen und dass die Gymnasiallehrer Handreichungen und Fortbildungsangebote brauchen, sagt Kovács. Beides biete das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) an, das dem Kultusministerium in Stuttgart unterstellt ist. Die Hilfen sollen, weiß der Schulleiter, analog zum Aufbau von G9 sukzessive ausgebaut werden.
Sportlich sei der Einstieg in G9 schon gewesen, gibt der JKG-Chef zu. „Man hätte den Schulen ein Jahr mehr Vorbereitungszeit lassen können.“ Er ist froh, dass G9 schrittweise umgesetzt wird und sich nicht die Maximalforderung durchgesetzt hat: G9 auf einen Schlag für alle Klassen. „Das hätten die Schulen nicht geschafft“, ist Kovács sicher.
Am JKG haben sich die 72 Lehrkräfte Ende Juli bei einem pädagogischen Tag in Fachkonferenzen und Arbeitsgruppen gezielt mit dem neunjährigen Gymnasium beschäftigt. Auch Online-Angebote des ZSL hätten Kollegen im Vorfeld genutzt.

G9 im Vollausbau: Dann wird mehr Platz benötigt
Die neuen G9-Stundenpläne zu erstellen, sei nicht komplizierter gewesen als bisher. Das werde aber mit zunehmender Zahl von G9-Jahrgängen der Fall sein, befürchtet Kovács, vor allem, weil mehr einstündige Fächer unterzubringen sind. Klar sei auch, dass seine Schule wie viele andere langfristig mehr Platz braucht, wenn eine zusätzliche Klassenstufe unterzubringen ist. Und nicht nur das: Wenn Informatik und Medienbildung gestärkt werden, brauche es auch die entsprechende Ausstattung – „und Fachleute, die sich um diese digitale Infrastruktur kümmern. Wir haben schon heute zig hundert Geräte.“
Es müsse „mitgedacht werden, wie die Schulen unterstützt werden sollen“. Und natürlich würden in ein paar Jahren, wenn alle Klassenstufen im G9-Modus sind, mehr Lehrer benötigt. „Ich hoffe, dass man das im Kultusministerium schon jetzt im Blick hat.“ Aktuell sei seine Schule gut versorgt.
G9 bedeutet weniger Stunden als bisher
Etwas vage ist – wie woanders auch – das Thema Ganztagsbetreuung. Bisher praktizierte das JKG ein offenes Modell: An drei Tagen pro Woche standen bis 15.30 Uhr entweder Arbeitsgemeinschaften, Hausaufgabenbetreuung oder verpflichtender Unterricht auf dem Programm. Weil die Stundenzahl mit G9 sinkt, haben zum Beispiel die Sechstklässler am JKG künftig nur noch ein statt bisher zwei Mal Nachmittagsunterricht. Mit Hausaufgabenbetreuung und dem sogenannten Jugendbegleiterprogramm wird der Nachmittag aufgefangen. „Ich weiß aber nicht, wie lange wir das können.“ Es sei eine Frage der Ressourcen.
Ändern muss das Weinsberger Gymnasium G9-bedingt auch anderes: den Förderunterricht, den Zeitplan für Klassenfahrten, das Berufsvorbereitungs- und das Präventionskonzept. Langweilig wird es wohl nicht werden.