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Abendvorlesung in Heilbronn
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Welche neuen Behandlungen gegen Krebs angewandt werden – und wo die Forschung steht

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Die Krebsforschung schreitet in großen Schritten voran: Es werden immer mehr Medikamente entwickelt, immer neue Behandlungen angewandt, die inzwischen weit über die klassische Chemotherapie hinausgehen. Einer, der auf dem Gebiet personalisierter Therapie und maßgeschneiderter Immuntherapeutika seit vielen Jahren forscht, ist Professor Uwe Martens. 

Moderator und Stimme-Redakteur Thomas Zimmermann (links) im Gespräch mit Professor Uwe Martens, der zum dritten Mal als Referent bei der Abendvorlesung zu Gast ist.
Moderator und Stimme-Redakteur Thomas Zimmermann (links) im Gespräch mit Professor Uwe Martens, der zum dritten Mal als Referent bei der Abendvorlesung zu Gast ist.  Foto: Lina Bihr

Bei der 56. Abendvorlesung „Medizin hautnah“ gab der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie den Gästen und Moderator Thomas Zimmermann unter der Pyramide der Kreissparkasse Heilbronn Einblicke in die personalisierte Medizin. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik III der SLK-Kliniken und geschäftsführende Vorstand des Tumorzentrums Heilbronn-Franken zeigte auf, wie zielgerichtete Immuntherapeutika eine wesentlich präzisere Krebsbekämpfung und damit auch bessere Heilungschancen ermöglichen.

Krebs ist nicht automatisch ein Todesurteil

Jährlich erkranken in Deutschland nahezu 500.000 Menschen an Krebs, was ihn nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur zweithäufigsten Todesursache macht. Doch die Fortschritte in der Krebsforschung sind vielversprechend. „Krebs ist heutzutage nicht automatisch ein Todesurteil“, so Dr. Martens. „Der Jahresreport der amerikanischen Gesellschaft für Krebsforschung zeigt, dass wir die Sterblichkeit jedes Jahr um 2,3 Prozent reduzieren. Wenn man das über die letzten 20 Jahre sieht, ist das enorm viel.“ Die Bezeichnung Krebs sei übrigens auf das Aussehen bestimmter Tumore zurückzuführen. Schon der griechische Arzt Hippokrates benutzte das altgriechische Wort „karkinos“, weil die umliegenden erweiterten Blutgefäßen an Füße und Fangscheren eines Krebses erinnern.

„Krebs ist ein Sammelbegriff für ganz viele Erkrankungen. Viele können wir gut behandeln“, gibt der Vorsitzende des Tumorzentrums Heilbronn-Franken Entwarnung. Es gebe mittlerweile 573 Zulassungen, darunter 50 Chemotherapien, 277 zielgerichtete Medikamente und 246 Biologika. Hodenkrebs sei beispielsweise mittels Chemotherapie gut heilbar, so Martens. Die Fortschritte in der genomischen Medizin würden heute eine präzise molekulargenetische Diagnostik eines Tumors ermöglichen, auf deren Grundlage Patienten eine individualisierte Krebstherapie erhalten könnten, macht Martens deutlich. Das bedeute: Krebspatienten, deren Therapien gemäß der Leitlinien nicht geholfen haben, könnten sich in spezialisierten Kliniken behandeln lassen und eine auf sie zugeschnittene Therapie erhalten.


In der Immunonkologie setze man auf maßgeschneiderte Immuntherapeutika, die im Unterschied zur klassischen Chemotherapie für eine wesentlich präzisere Krebsbekämpfung und damit auch bessere Heilungschancen sorgen würden. „Normalerweise erkennt das Immunsystem fremde Zellen wie Viren oder Bakterien und bekämpft sie. Bei Krebszellen kann es jedoch schwierig sein, sie zu erkennen.“ Die Immuntherapie ziele darauf ab, das Immunsystem zu stärken oder zu aktivieren, damit es die Krebszellen besser identifizieren und angreifen kann.

Hierbei gebe es verschiedene Formen, die bei Krebserkrankungen eingesetzt würden, die Martens anhand seiner Präsentation vorstellt. So seien Checkpoint-Inhibitoren Antikörper, die gegen Oberflächenproteine gerichtet sind, die zu einer Maskierung des Tumors für Immunzellen führen. „Diese Medikamente blockieren Proteine, die normalerweise die Immunantwort bremsen.“ Wenn diese „Bremsen“ gelöst seien, könne das Immunsystem Krebszellen besser angreifen. Speziell entwickelte monoklonale Antikörper würden sich hingegen gezielt an Krebszellen binden und so deren Wachstum hemmen oder das Immunsystem aktivieren, um die Krebszellen zu bekämpfen. Bei der Zelltherapie entnehme man dem Patienten Immunzellen, verändere diese genetisch und gebe sie wieder in den Körper zurück. Diese Zellen seien dann besser in der Lage, Krebszellen anzugreifen. Eine Möglichkeit seien auch Impfstoffe, die das Immunsystem gezielt gegen Krebszellen trainieren.

Wie man das Immunsystem stärken kann

Immuntherapien könnten allein oder in Kombination mit anderen Behandlungen wie Chemotherapie oder Strahlentherapie eingesetzt werden. „Die Wahl der Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art des Krebses, das Stadium der Erkrankung und die individuellen Eigenschaften des Patienten.“ Um das Immunsystem zu stärken, dazu könne auch jeder selbst beitragen. „Bewegung und Sport sind wichtige Schlüssel, auch wenn das nicht jeder gerne hören mag. Doch bei 150 Minuten moderater Bewegung oder 75 Minuten Joggen und zwei Mal Kraftsport in der Woche werden wichtige Botenstoffe ausgeschüttet.“ Zudem sei es wichtig, sich ausgewogen und ballaststoffreich zu ernähren. Wer fünf Mal in der Woche Nüsse esse, senke sein Krebsrisiko um elf Prozent. Außerdem rät er, auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin-D zu achten. Freude am Leben und soziale Kontakte seien außerdem wichtig für das Wohlbefinden und die Psyche.

Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen - auch ohne Symptome oder Beschwerden

Martens betont zudem die Bedeutung von Krebs-Vorsorgeuntersuchungen: „Ganz wichtig: Gehen Sie auch ohne Symptome, denn genau das ist ja Vorsorge.“ Bei vielen Krebsarten seien die Chancen auf Heilung größer, je früher man ihn entdecke.

Erkenntnisse werden zu Datenschatz bei Krebstherapien:

MOLIT-Institut entwickelt maßgeschneiderte Behandlungen und kooperiert weltweit mit Kliniken und Bildungseinrichtungen

Eine große Bedeutung bei der Erforschung von Krebserkrankungen komme auch der Sammlung, Erfassung und Strukturierung der Erkenntnisse zu. Nur so könne man die gewonnen Daten analysieren, vergleichen und für die Behandlung von Patienten heranziehen. 

Im Jahr 2016 gründete Professor Uwe Martens gemeinsam mit Professor Christian Fegeler, einem Datenspezialisten der Hochschule Heilbronn (HHN) das Forschungsinstitut MOLIT im Heilbronner Wohlgelegen, das für molekulare Medizin und Informationstechnologie steht. Schwerpunkt des Instituts für personalisierte Medizin ist die Entwicklung maßgeschneiderter Therapien für Krebserkrankungen und deren Translation in die medizinische Regelversorgung. Allerdings behandelt das Institut nicht selbst, sondern ist forschend tätig. „Um den Bezug zur Praxis herzustellen, kooperieren wir mit anderen Kliniken und Bildungseinrichtungen“, so Uwe Martens. Man sei weltweit vernetzt, tausche sich aus und analysiere gemeinsam Fälle. Dadurch könne man Patienten in der Onkologie neue medizinische Ansätze zur Verfügung stellen. Unterstützung erfährt das Institut vom Bund und Land (7,5 Millionen Euro) und der Dieter Schwarz Stiftung, was eine unabhängige Forschung und eine weltweite Verbreitung des Wissens ermögliche.

KI als hilfreiches Werkzeug

Künstliche Intelligenz spielt in der Medizin eine immer größere Rolle, „aber die Entscheidungen treffen immer noch wir“, so Martens. „Denn eines wird eine KI nie haben: ein Bauchgefühl.“ KI setze man als hilfreiches Werkzeug ein, um beispielsweise Daten zu sortieren und zu filtern. „Als Arzt steckt man aktuell noch viel Zeit in die Dokumentation und das Schreiben von Arztbriefen. Es wäre schön, wenn die KI künftig das Arztgespräch aufnehmen und es direkt in die Form eines Arztbriefes umwandeln könnte.“

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