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Neue Richtlinie ab 2025
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Demokratiezentren in Baden-Württemberg vor dem Aus: Förderstopp trifft auch Heilbronn

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Die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Baden-Württemberg wird neu aufgestellt, die regionalen Demokratiezentren werden nicht weiter gefördert. Das hat Folgen – auch in Heilbronn.

Seit 2021 übernimmt der Stadt- und Kreisjugendring Heilbronn die Aufgaben des Landesdemokratiezentrums mit einer 25-Prozent-Stelle vor Ort. Nach neuen Förderrichtlinien soll diese Arbeit künftig anders aufgestellt sein.
Foto: Archiv/Berger
Seit 2021 übernimmt der Stadt- und Kreisjugendring Heilbronn die Aufgaben des Landesdemokratiezentrums mit einer 25-Prozent-Stelle vor Ort. Nach neuen Förderrichtlinien soll diese Arbeit künftig anders aufgestellt sein. Foto: Archiv/Berger  Foto: Berger, Mario

Ohne Fördermittel fehlt oftmals die Grundlage für zivilgesellschaftliche Projekte. Das betrifft auch das Bundesprogramm „Demokratie leben“, das in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen zur Förderung von Demokratie, Vielfalt und Toleranz unterstützt hat. Darunter die zehn regionalen Demokratiezentren, mit denen die Jugendstiftung Baden-Württemberg bislang die Aufgaben der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Land koordiniert hat. 

Die neuen Förderrichtlinien sehen ab 2025 eine veränderte Struktur der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus vor, die Demokratiezentren sind darin nicht mehr explizit vorgesehen. Die Folge: Die Anlaufstellen wird es in ihrer jetzigen Form in Baden-Württemberg nicht mehr geben. Die Jugendstiftung hat sich zwar wieder als Trägerin beworben, hat aber keinen Antrag auf den Weiterbetrieb der Demokratiezentren gestellt.

Neue Förderungs-Richtlinien: Demokratiezentrum in Heilbronn fällt weg

Davon betroffen ist auch das 2021 beim Stadt- und Kreisjugendring (SKJR) eröffnete Demokratiezentrum in Heilbronn, das zum Jahresende aufgelöst wird. „Wir haben mit dem neuen Förderaufruf keine Chance gesehen, die Arbeit an dieser Stelle weiterzuführen“, sagt SKJR-Geschäftsführerin Mirjam Sperrfechter. 

In Heilbronn wird deshalb der Bereich, der seit 2021 beim SKJR als 25-Prozent-Stellenanteil angesiedelt ist, wegfallen. Eine Lösung, wie das Projekt, das im Jahr mit 25.000 Euro vom Land bezuschusst wird, wie gewohnt fortgeführt werden kann, sieht man beim SKJR nicht.

Arbeit im regionalen Demokratiezentren kann nicht weitergeführt werden

Die regionalen Demokratiezentren sollen die Arbeit des Landes und dessen Fachstellen niederschwellig in die Fläche bringen. Längst verfügen sie über die nötigen Netzwerke, kennen die Kooperationspartner vor Ort. „Das hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert“, meint Mirjam Sperrfechter. Gleichsam bedauert die SKJR-Geschäftsführerin, dass die von den Demokratiezentren aufgebauten Netzwerke einfach wegfallen sollen. „Unser Wunsch wäre gewesen, die Demokratiezentren auszubauen, statt eine neue Struktur zu schaffen“, sagt Sperrfechter. Auch den Zeitpunkt für die Umstellung sieht sie ungünstig gewählt: „Das passiert gerade in Zeiten, in denen darüber diskutiert wird, warum viele Jugendliche rechte Parteien wählen.“

Der SKJR hat zwar einen Antrag gestellt für ein Projekt, „von dem wir uns vorstellen können, dass es sich auf ganz Baden-Württemberg ausweiten lässt“, sagt Mirjam Sperrfechter. Ihr sei aber kein Fördertopf bekannt, der es ermöglicht, die Arbeit des Demokratiezentrums in gewohnter Weise weiterzuführen.

Kleinere Programme, die einzelne Projekte fördern könnten, sehen nicht immer auch Personalstellen vor, sagt Sperrfechter. Die Arbeit der Demokratiebildung in einem anderen Teilbereich des SKJR aufzufangen, sei wegen der zweckgebundenen Zuweisung der Fördermittel nicht möglich.

Nachfrage in der Kinder- und Jugendarbeit ist hoch

Bianca Kuhn ist seit Sommer 2022 beim SKJR für das Demokratiezentrum verantwortlich, sie wird nun andere Aufgaben übernehmen. „Ich finde schwierig, dass die Strukturen und Netzwerke, wie wir sie über Jahre aufgebaut haben, in dieser Weise nicht weitergeführt werden können“, sagt sie. Die Nachfrage von Akteuren in der Kinder- und Jugendarbeit beim Demokratiezentrum sei hoch, die Bereiche profitierten außerdem voneinander, sagt Kuhn. „Es ist schade, dass wir diese Anfragen künftig nicht mehr weiter bedienen können.“

Darunter würden besonders die Netzwerke „Radikal vernetzt“ und „Radikal.Menschlicher gegen Antisemitismus“ leiden, die das Demokratiezentrum aufgebaut hat und dadurch demokratiefördernde Akteure im Stadt- und Landkreis zusammenbringt. „Es ist wichtig, eine Anlaufstelle zu haben, die Treffen und Demokratiearbeit vor Ort koordiniert. Kurze Wege sind für die Netzwerkarbeit unerlässlich“, sagt Bianca Kuhn. Sie fragt sich, wie diese Aufgaben künftig von den Beratungsteams erfüllt werden können. 

Selbst Träger für alle Demokratiezentren in Baden-Württemberg werden? Mit dem rund einer Million Euro ausgewiesenen Fördervolumen könnte der SKJR Heilbronn diese Arbeit nicht allein stemmen.

Demokratiezentrum in Heilbronn leistet auch Präventionsarbeit

Das Demokratiezentrum Heilbronn wurde 2021 als zehntes Demokratiezentrum im Land eröffnet. Im Bildungsbereich ist es Ansprechpartnerin für die offene und mobile Jugendarbeit. Besonders intensiv arbeitet das Demokratiezentrum mit den Schulen in Stadt- und Landkreis Heilbronn zusammen, entwickelt mit ihnen Projekte und Workshops zur Demokratiestärkung. Das ist vor allem dort nötig, wo es noch wenig solcher Programme gibt. Das DZ betreibt auch Präventionsarbeit. Gerade Jugendliche müssen sich selbstwirksam erleben, um zu lernen, dass sie ein wichtiger Teil im Gefüge sind und in der Demokratie etwas bewirken können, sagt die Beauftragte des Demokratiezentrums Heilbronn, Bianca Kuhn.  

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