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Wenn Chat-GPT den Aufsatz schreibt: Was Lehrkräfte aus der Region Heilbronn über KI im Unterricht denken

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Künstliche Intelligenz verändert den Schulalltag. Schulleiter aus Heilbronn, Neckarsulm und Weinsberg über den Umgang mit KI und die Zukunft von Hausaufgaben, Unterricht und Prüfungen. 

Ein Schüler eines Gymnasiums sitzt vor einem Laptop und benutzt ein KI-Tool. Eine Klasse des Lessing-Gymnasiums hat das Dramenfragment «Woyzeck» von Büchner mithilfe künstlicher Intelligenz bearbeitet. Schüler haben dabei gemeinsam mit der KI an Aufagebn rund um den Text gearbeitet. (zu dpa: «Studie: Lehrkräfte fühlen sich unsicher im Umgang mit KI»)
Ein Schüler eines Gymnasiums sitzt vor einem Laptop und benutzt ein KI-Tool. Eine Klasse des Lessing-Gymnasiums hat das Dramenfragment «Woyzeck» von Büchner mithilfe künstlicher Intelligenz bearbeitet. Schüler haben dabei gemeinsam mit der KI an Aufagebn rund um den Text gearbeitet. (zu dpa: «Studie: Lehrkräfte fühlen sich unsicher im Umgang mit KI»)  Foto: Philipp von Ditfurth

Das KI-Modell Chat-GPT hat das Internet im Sturm erobert, seit es im Jahr 2022 an den Start ging. Wo früher selbstständig Recherche zum Beispiel über die Suchmaschine Google betrieben werden musste, zieht sich der Chatbot des amerikanischen Softwareunternehmens Open-AI die Antworten von selbst aus dem Netz und serviert sie dem Nutzer hinter dem Bildschirm quasi auf dem Silbertablett.

Viele Menschen nutzen die Künstliche Intelligenz auch als Alltagshilfe, etwa für Rezeptideen, oder im Berufsalltag, zum Beispiel für E-Mails. Auch Schüler haben die vielfältigen Möglichkeiten entdeckt – und das stellt die Bildungseinrichtungen vor Herausforderungen. 

KI im Klassenzimmer: So verändert Chat-GPT den Schulalltag in der Region Heilbronn

„Natürlich nutzen Schüler KI“, sagt Andreas Klaffke, Direktor am Albert-Schweizer-Gymnasium in Neckarsulm. Zum Teil werde es auch explizit genutzt, um Hausaufgaben zu erledigen. Das bleibt bei den Lehrkräften nicht unentdeckt. „Man merkt an den Antworten, ob sie mit Chat-GPT geschrieben sind“, erklärt der Schulleiter. Beispielsweise mache das KI-Modell keine Rechtschreibfehler, wie es etwa ein Neuntklässler normalerweise tun würde. Auch floskelhafte Formulierungen seien ein Indiz, dass Künstliche Intelligenz im Spiel ist. 

„Da viele Lehrkräfte selbst mit KI-Tools arbeiten, erkennen sie typische Formulierungen und Lösungsansätze, die auf KI-Nutzung hindeuten“, berichtet Direktorin Rita Eichmann von der Weibertreu-Werkrealschule in Weinsberg. Die sprachliche Qualität und inhaltliche Tiefe der Abgaben übersteige häufig das Niveau der Schüler. Grundsätzlich wird der Einsatz von KI von den Schulen aber nicht per se abgelehnt. Im Gegenteil: Wenn er reflektiert und zielgerichtet passiere, könne er auch als Leistungskriterium herangezogen werden, findet Eichmann. „Auch KI-generierte Hausaufgaben können einen Lerneffekt haben – vorausgesetzt, die Schüler setzen sich aktiv mit dem Thema auseinander.“

Schüler nutzen KI – „Aufsätze als bewertete Hausaufgabe kann man sich schenken“ 

Denn obwohl es auf den ersten Blick komfortabel wirkt, für unliebsame Aufgaben Chat-GPT heranzuziehen, hat die Nutzung ihre Tücken. Wenn das Programm auf eine Frage keine Antwort wisse, dann erfinde es oft etwas, sagt Andreas Klaffke. „Ich selbst nutze als Schulleiter auch Chat-GPT für formale Texte“, gibt er an.  Allerdings müsse er die Texte im Nachgang immer noch einmal bearbeiten. Viele Schüler würden auch ihre Prompts, also die Arbeitsanweisungen, falsch formulieren. Je besser diese geschrieben seien, desto besser seien auch die Ergebnisse. „Im Prinzip müssten wir in Zukunft die Prompts bewerten“, findet Klaffke. „Aufsätze als bewertete Hausaufgabe kann man sich in Zukunft schenken.“ 

Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz werde weiter zunehmen. Alltagstexte werden in ein paar Jahren nicht mehr von Menschen geschrieben, vermutet Klaffke. Wichtig sei es, dass die Jugendlichen lernen, die Technik hinter der KI zu verstehen. Ähnlich sieht es Antje Kerdels, Direktorin am Robert-Mayer-Gymnasium in Heilbronn. „Die KI aus den Schulen zu verbannen, wäre keine Lösung“, betont sie. Stattdessen müsse es gelingen, den Schülern den Wert des Lernens zu vermitteln und ihnen Reflexionskompetenz an die Hand zu geben. Sie müssten Programme wie Chat-GPT nicht nur nutzen, sondern auch verstehen.

Lehrkräfte aus Region Heilbronn bauen KI in den Unterricht ein: Kompetenzen vermitteln

Viele Lehrkräfte würden KI bereits in den Unterricht einbauen und grundlegende Kompetenzen vermitteln, gibt Rita Eichmann an. Das geschehe allerdings noch nicht flächendeckend. Der Einsatz hänge auch stark vom Kenntnisstand der jeweiligen Lehrkraft ab. Für manche Kollegen sei der Umgang mit KI ganz neu, berichtet auch Andreas Klaffke. „Viele sehen Chat-GPT als Werkzeug, mit dem Schüler betrügen.“ Er vertrete jedoch die Meinung, dass Schüler alles Material verwenden dürfen sollen, das ihnen zur Verfügung steht. Grundsätzlich biete KI viel Potenzial für den Unterricht. Schülern, die zu Hause keine Unterstützung haben, könne Künstliche Intelligenz als Hilfsmittel dienen. 

Datenschutz

Um Künstliche Intelligenz angemessen in den Unterricht zu integrieren, brauche es datenschutzkonforme KI-Module, sagt Andreas Klaffke vom Albert-Schweizer-Gymnasium in Neckarsulm. Chat-GPT erfülle dieses Kriterium nicht. In manchen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz findet beispielsweise der Chatbot Fobizz – ein Start-up aus Hamburg – Anwendung in den Bildungseinrichtungen. Das Programm bietet Lehrkräften etwa digitale Werkzeuge zur Unterrichtsvorbereitung. 

„Wir brauchen eigentlich andere Prüfungsformate“, sagt Andreas Klaffke. Es müsse ein Wandel vom Wiedergeben hin zum Anwenden stattfinden. Ändern könnte sich künftig auch die Notengebung. Mündliches und Praktisches könnte an Bedeutung gewinnen. „Bei Referaten sollte die anschließende Reflexion stärker gewichtet werden, da sie zeigt, wie gut die Inhalte verstanden wurden“, meint Rita Eichmann. 

Aktuell sei KI noch nicht in den Bildungsplänen abgebildet, sagt Antje Kerdels. Trotzdem bleibt sie angesichts dieser Herausforderung gelassen. „Schüler haben schon immer mit Hilfsmitteln gelernt“, erklärt die Direktorin und vergleicht die Situation mit der Einführung des Internets und des Taschenrechners. Künstliche Intelligenz in den Unterrichtsalltag zu integrieren, werde ganz viele Schulen in den nächsten Jahren beschäftigen, prophezeit Kerdels. „Das ist auf jeden Fall unser Arbeitsthema.“

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