Eine spezifische Berufsvorbereitung für Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gibt es in Heilbronn seit zehn Jahren. 2015 wurde dafür eine Außenstelle des Berufsbildungswerks Winnenden gegründet. Nicolai Lorenz und Matthias Stärk leiten diese. Gestartet sind sie nach eigenen Angaben mit drei Teilnehmern. Seitdem seien es im Durchschnitt zehn junge Menschen pro Jahr, die sie auf eine Ausbildung vorbereiten. Die Jugendlichen lernen Hauswirtschafts-, IT- oder Lagerlogistik-Berufsfelder kennen und werden in lebenspraktischen Kompetenzen gefördert.
Sohn mit Autismus und ADHS: Mutter aus Bad Wimpfen spricht über Familienalltag
Eine Mutter aus Bad Wimpfen erzählt offen vom Alltag mit ihrem Sohn, der mit ADHS und einer Autismus-Spektrum-Störung lebt. Ihre Geschichte zeigt, wie viel Geduld, Liebe und Stärke Familien jeden Tag aufbringen müssen.
Sie sitzt entspannt an einem Tisch im Biergarten und lächelt. Ab und zu trinkt sie einen Schluck. Wenn Daniela Wolf (Name von der Redaktion geändert) erzählt, ruht sie in sich, obwohl sie über eine sehr emotionale Zeit spricht. Sie wirkt durchweg positiv, obwohl die vergangenen Jahre hart waren. „Die geheime Zutat ist Liebe“, zitiert sie einen Spruch, der an ihrem Kühlschrank hängt. Sie ist Mutter eines Sohnes mit Autismus-Spektrum- und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
Julian (Name geändert), heute 19 Jahre alt, macht eine Lehre und hat sich gut entwickelt. „Manchmal weiß ich aber nicht, wie wir das geschafft haben“, sagt seine Mutter. Sie will ihre Geschichte erzählen, um betroffenen Familien eine Stimme zu geben und ihnen zu zeigen, dass sie jeden Tag Großartiges leisten. Denn der Alltag mit einem Autisten bringt Eltern regelmäßig über jede Grenze hinaus.
U-Untersuchungen beim Kinderarzt waren unauffällig – ADHS-Diagnose mit acht Jahren
Dabei war Julian als Kleinkind unauffällig. Alle U-Untersuchungen beim Kinderarzt verliefen normal, im Kindergarten hatte er zwar seine Spezialinteressen, aber kam gut zurecht. „Unser Sohn war immer in der Bauecke anzutreffen, war ein fröhliches Kind mit einer guten Portion Witz.“ Lego und Traktoren waren sein Ding. Wie bei anderen Jungs auch. Er konnte gut sprechen, hatte einen guten Orientierungssinn. Weder Erzieherinnen noch die Eltern bemerkten Unterschiede zu anderen Kindern. „Wir waren unbeschwert und haben das nicht erwartet.“
In der Schule bekam Julian immer mehr Probleme. Die vielen Reize, die Lautstärke, die Anforderungen. „Es war für ihn vieles nicht machbar“, erzählt die 43-Jährige aus Bad Wimpfen. In der Schule konnte er sich nicht mehr in seine Lieblingsecken zurückziehen. Auch zu Hause entstanden Konflikte. Die erste Diagnose, die Julian bekam, war ADHS. Da war er acht Jahre alt.

Nach und nach wurde aber klar: Da ist noch mehr. Selbstverständlichkeiten wie Duschen führten zu Streit, spontane Planänderungen zu emotionalen Zusammenbrüchen. „Wenn er keinen Sinn in etwas sieht, wenn es ihm nicht wichtig ist, dann macht er es nicht.“ Das ist bis heute so. Wenngleich Julian inzwischen gelernt hat, dass es Regeln gibt, die er trotzdem einhalten muss. Eine große Leistung. „Sie leben in ihrer eigenen Welt, die mit unserer oft nicht kompatibel ist“, sagt Wolf. Das müsse man sich immer wieder vor Augen halten. Dinge, die für die meisten Menschen normal sind, sind es für Menschen mit ASS nicht. Sie müssen sie mühsam lernen und immer wieder daran erinnert werden.
Die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung kam im Alter von 15 Jahren
Die Diagnose ASS bekam Julian 2021. „Dadurch hat sich für uns Vieles zusammengesetzt wie ein Puzzle“, beschreibt Wolf. Sie empfindet die Diagnose als etwas Gutes. So hatte sie die Bestätigung, dass ihr Kind anders ist und keiner Schuld hat. Hinweise, sie müsse nur strenger sein, musste sie zuhauf über sich ergehen lassen. Eine Diagnose war aber vor allem wichtig, um Therapiemöglichkeiten zu bekommen. „Man hat endlich das Gefühl, ich kann ihm helfen.“ Deshalb sei es wichtig, so früh wie möglich Klarheit zu haben. Auch wenn die Diagnose lebenslang bestehe.
Lange Wartezeiten bei Ärzten und Therapeuten sind für betroffene Familien unerträglich. „Da ist viel Luft nach oben“, sagt Wolf. Aber auch Therapieangebote für Eltern fehlten. Den Dschungel an Anträgen zu bewältigen, um Hilfe zu bekommen, ist ein weiteres Problem. Wenn dann auch noch die Nächte schlecht sind, ist die Last überwältigend. „Unser Sohn konnte nicht ein- und durchschlafen. Er ist zum Spielen wieder aufgestanden und machte die Nacht zum Tag.“ Mehr als fünf Stunden Schlaf gab es oft nicht. Und dann wieder aufstehen am nächsten Morgen, ins Geschäft, zur Schule, Julians Bruder musste in die Kita.
Bruch mit einzelnen Familienmitgliedern – Geduld und Verständnis sind Schlüsselwörter
Wie schaffte die Familie das? „Die Schlüsselwörter sind Geduld und Verständnis.“ Was einfach klingt, ist jeden Tag ein Kraftakt. Und es isoliert. Da Julian schwierig auf Unvorhergesehenes reagierte, blieb die Familie viel daheim. „Unser Zuhause ist für uns ein Stück Halt, den wir uns so schön wie möglich gemacht haben.“ Hilfe von Verwandten gab es nicht. „Auf der Reise haben wir Menschen verloren“, formuliert Wolf den Bruch mit einzelnen Familienmitgliedern. Essenziell seien Freunde und der Zusammenhalt mit ihrem Mann. „Die Liebe hat unglaublich viel erlebt und ausgehalten. Das schaffen nicht alle.“
Heute blickt sie mit Stolz auf die Vergangenheit und was ihr Sohn geschafft hat. Der 19-Jährige hat einen Abschluss gemacht und arbeitet inzwischen auf einem landwirtschaftlichen Hof. Bis heute brennt er für Traktoren, hat den Traktor-Führerschein bestanden. „Die Lehre wollte er unbedingt ganz ’normal’ machen. Nicht mit einem Berufsbildungswerk.“ Auch das hat er geschafft. „Er hat einen Betrieb mit Herz gefunden, der ihm das ermöglicht“, erzählt Wolf. Das zeige: „Diese Kinder brauchen Menschen, die sie annehmen, Geduld aufbringen, sie nicht unterschätzen und an ihrer Seite bleiben.“