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Protest wegen Aus für Brackenheimer Notfallpraxis: "Darf sich nicht alles gefallen lassen"

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Die Kassenärztliche Vereinigung hat ihre Pläne zur Neuordnung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vorgestellt – unter lautstarkem Protest. Teilnehmer aus dem Zabergäu demonstrierten gegen das Aus der Notfallpraxis Brackenheim.


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Ein paar Minuten zu spät fährt der Bus aus dem Zabergäu am Sitz der Kassenärztliche Vereinigung (KV) vor. Da hallen schon die Rätschen und Trillerpfeifen durchs Gewerbegebiet in Stuttgart-Möhringen. Auf der Straße drängt sich eine stattliche Menge, während drinnen die Pressekonferenz der KV begonnen hat.

Alles zu spät, auch im übertragenen Sinne?  “Wer denkt, es bringt nichts, kann daheim bleiben”, ist Friederike Wilhelm überzeugt: Da geht noch was – obwohl die KV das Aus für 18 Notfallpraxen in ganz Baden-Württemberg verkündet hat, darunter jener in Brackenheim

Joachim Esenwein (rechts) aus Güglingen war Organisator und einer der Hauptredner der Kundgebung.
Joachim Esenwein (rechts) aus Güglingen war Organisator und einer der Hauptredner der Kundgebung.  Foto: Hettich, Alexander

Mit rund 50 Mitstreitern ist Wilhelm am Morgen in Güglingen und Brackenheim in den Bus gestiegen. Für viele ist es die erste Demonstration ihres Lebens. So auch für Christel Büchele. “Man darf sich nicht alles gefallen lassen”, sagt sie. Ihr Mann Heinz hat ein Schild dabei. “Ärztinnen, was habt ihr euch für Vertreter gewählt?”, steht darauf. 

Notfallpraxen-Aus in Baden-Württemberg – Kritik an Kassenärztlicher Vereinigung: "Zynismus pur"

Die KV als Vertretung der Ärzte bekommt den Unmut der mehr als 300 Demonstranten ab, die aus dem ganzen Land gekommen sind, darunter viele Bürgermeister betroffener Gemeinden. Ulrich Heckmann, Rathauschef aus Güglingen, saß mit im Zabergäu-Bus. Er steht im Pulk der Demonstranten und schüttelt den Kopf.


“Zynismus pur”, so sieht er eine Mitteilung der KV, die während der Kundgebung verteilt wird. Viele Demonstranten zerknüllen die Zettel und werfen sie erzürnt auf den Boden. “Für sie ändert sich erst einmal gar nichts”, steht darin. Standorte würden “erst” ab April “schrittweise geschlossen. Das sind noch knapp fünf Monate.

"Nichtssagend" sind die KV-Argumente für Joachim Esenwein. Der Stadtrat aus Güglingen hat die Demonstration mit organisiert. Er hat einen Bus gechartert, als noch gar nicht klar war, wer mitfährt und wer das bezahlt. Die Rechnung übernimmt letztlich der umtriebige Förderverein Gesundheitsversorgung Zabergäu und Umgebung. Ein örtliches Unternehmen hat Brezeln und Saft spendiert. Die Stimmung an Bord: weit besser als der Anlass. 

Aus für Notfallpraxis ist ein Schlag für Brackenheim und Umgebung 

Bei der Kundgebung geht Joachim Esenwein mit den Plänen hart ins Gericht. “Es geht hier auch um Glaubwürdigkeit der Politik”, ruft er ins Mikrofon. Nach der Schließung des Krankenhauses in Brackenheim sei der Fortbestand der Notfallpraxis zugesichert worden. 

 

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Landesweit 18 Standorte schließen, oder alles lassen wie bisher: Da müsse es “einen Mittelweg” geben, hofft Rolf Kieser, der Vorsitzende des Fördervereins. Er kritisiert, dass die Gründe nicht kommuniziert werden. “Die Bevölkerung wird im Unklaren gelassen”, so Brackenheims früherer Bürgermeister.

Ärztevertretung verweist auf Medizinermangel

Die KV verweist darauf, dass schon heute 1000 Hausärzte im Land fehlten. 95 Prozent aller Patienten erreichten auch künftig binnen 30 Minuten eine Bereitschaftspraxis. Diese sichern die hausärztliche Versorgung außerhalb der üblichen Öffnungszeiten. Mit dem Rettungsdienst, der in lebensbedrohlichen Situationen anrückt, haben sie nichts zu tun.

Redner auf der Kundgebung befürchten aber, dass der Notarztwagen künftig mangels Bereitschaftspraxen häufiger gerufen, das System überlastet wird. “Es werden Menschen sterben aufgrund dieser Entscheidung”, sagt Martin Löffler, Bürgermeister aus Mülheim im Markgräflerland. Johannes Arnold, OB aus Ettlingen, kritisiert: “Es wird ein funktionierendes System an die Wand gefahren.” 

Johannes Arnold, Oberbürgermeister von Ettlingen, kritisierte die Schließungspläne scharf.
Johannes Arnold, Oberbürgermeister von Ettlingen, kritisierte die Schließungspläne scharf.  Foto: Hettich, Alexander

Im Fokus der Kritik steht auch Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne). Er hatte auf die rechtlich verbriefte Selbstverwaltung der KV verweisen, die Landesregierung habe lediglich die Rechtsaufsicht. Als "Wegducken" interpretieren das viele Demonstrationsteilnehmer. "Lucha raus" wird skandiert.  

Nach einer Stunde packen die Teilnehmer aus dem Zabergäu Trillerpfeifen und Plakate ein. “Resigniert” zeigt sich Volker Spannagel mit Blick auf die KV. Trotzdem hat er Hoffnung. “Ich bin optimistisch im Hinblick auf die Politik.” Am Mittwoch ist die Zukunft des Bereitschaftsdienstes Thema im Sozialausschuss des Landtags.  

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