Anette Zanker-Belz (45) ) ist verheiratet und hat zwei Kinder (fünf und neun Jahre), die Familie lebt in Heilbronn. Sie ist viel herumgekommen, hat mit ihrem Mann an verschiedenen Orten in Süddeutschland und zuletzt in Dublin gelebt. Danach sei sie gern in eine Region nahe ihrer Heimat und ihrer Eltern zurückgekehrt, sagt sie. Via Stuttgart ist Zanker-Belz für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg nach Heilbronn entsandt worden. Sie engagiert sich für das Thema KI, das sie als gesellschaftliche und bereichsübergreifende Querschnittsaufgabe sieht.
Anette Zanker-Belz ist zum Brückenbauen nach Heilbronn gekommen
Stadt zwischen Tradition und KI-Aufbruch: So sieht Anette Zanker-Belz vom Paritätischen ihre neue Heimat Heilbronn. Sie sagt: Die KI eröffne Menschen Räume, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

„Ich liebe Brücken“, sagt Anette Zanker-Belz und posiert bei trübem Wetter gut gelaunt auf der Adolf-Cluss-Brücke, die Experimenta und Heilbronner Innenstadt miteinander verbindet. Brücken sind für die Regionalleiterin des Paritätischen ein Symbol: Sie verbinden Menschen, Räume, Vergangenheit und Gegenwart.
Sie sind vor sechs Jahren als Zugezogene nach Heilbronn gekommen. Wie haben Sie die Stadt bei Ihrem Ankommen erlebt?
Anette Zanker-Belz: Wir sind 2019 während der Bundesgartenschau in Heilbronn angekommen. Damals waren wir noch zu dritt: mein Mann, meine Tochter und ich. Weil unsere Möbel aus Dublin, unserer letzten Station vor Heilbronn, noch nicht angekommen waren, sind wir erstmal für eine Woche in die neu eröffnete Jugendherberge auf dem Buga-Gelände gezogen. Das war wirklich cool, abends sind wir häufig an den Neckar gegangen und haben uns dort in die Hängematten gelegt. Die Bedeutung der Buga für Heilbronn und den Wandel, den sie eingeleitet hat, habe ich erst später begriffen.
Wie blicken Sie heute auf Heilbronn?
Zanker-Belz: Heute sage ich voller Überzeugung: Ich bin eine Heilbronnerin – und Weltenbürgerin. Wir sind angekommen in der Stadt, unser Sohn Noel wurde hier geboren und ich habe inzwischen viele gute Begegnungen gehabt und Netzwerke geknüpft. Heilbronn nehme ich als Stadt wahr, die mittendrin ist in einem Entwicklungsprozess zwischen Tradition und Moderne. Da ist es essenziell, Brücken zu bauen, einerseits anzuerkennen, was in der Vergangenheit aufgebaut wurde, und andererseits den Weg hin zum KI- und Bildungs-Ökosystem weiterzugehen. Dazu tausche ich mich permanent aus, auch mit älteren Heilbronnern und bitte sie, mir Einblicke in ihre Vergangenheit zu geben. Dann ist da die Frage: Wie wollen wir auf dieser Basis gemeinsam weitermachen?
Anette Zanker-Belz will alle Gruppen der Stadtgesellschaft bei der KI-Entwicklung mitnehmen
Sie sind nicht nur Regionalleiterin, auf Ihrer Visitenkarte steht auch „KI-Referentin“. Was hat es damit auf sich?
Zanker-Belz: Wir brauchen einen interdisziplinären und integrativen Ansatz, um die KI-Entwicklung gemeinsam zu gestalten. Es braucht Entwickler, Forscher, Alte, Jugendliche, Menschen mit Behinderung. Wir müssen überlegen: Wo und wie können wir die gesamte Stadtgesellschaft einbeziehen? Wir in der freien Wohlfahrtspflege sind da ideale Partner, denn wir erreichen durch unsere Arbeit Menschen in allen Altersschichten und gesellschaftlichen Gruppen.
Wie kann KI konkret im sozialen Bereich wirken?
Zanker-Belz: Unsere Einrichtungen machen sich auf den Weg, um KI sinnvoll für naheliegende Dinge wie die Erarbeitung von Dienstplänen einzusetzen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, zu schauen, welche Möglichkeiten KI für die Organisation als Ganzes bietet und welche Projekte greifbaren Nutzen für unsere verschiedenen Mitgliedseinrichtungen und vor allem die Menschen, die hier unterstützt und begleitet werden, bringen können. Gerade wurde im KI-Salon des Ipai zum Beispiel ein KI-Tool vorgestellt, das Menschen mit Sprachbarrieren eine bessere Teilhabe ermöglichen soll, eine tolle Sache.
In Heilbronn entsteht „partizipatives Momentum“ rund um KI
Sie sind kein „Tekkie“, haben keine Ausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich. Woher kommt Ihr Interesse am Thema Künstliche Intelligenz?
Zanker-Belz: Ich sehe die große Chance, dass dieses KI-Umfeld den Menschen Möglichkeiten eröffnet, miteinander kreativ zu sein, ihnen Räume für den Austausch, für das gemeinsame Lernen, gibt. Hier entsteht gerade ein starkes partizipatives Momentum. Mein Anliegen ist es, Netzwerke zu schaffen, um die neuen Möglichkeiten stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Dazu lade ich und wir als Liga der Freien Wohlfahrt ein und werden im nächsten Schritt aktiv auf weitere Partner zugehen.
Da tritt Ihre Rolle als Brückenbauerin zutage – Sie sagen von sich selbst, das sei Ihre Leidenschaft und Aufgabe. Wie ist es dazu gekommen?
Zanker-Belz: Ich bin das mittlere von drei Kindern, wahrscheinlich war ich dadurch schon immer in einer Art Mittlerrolle. Im Alter von etwa acht Jahren hatte ich dann ein berührendes Erlebnis. Damals habe ich zur Weihnachtszeit mit meinen Eltern eine alte Frau aus unserer Kirchengemeinde besucht. Sie lag schon lange in ihrem Pflegebett und ich konnte ihre Traurigkeit und Einsamkeit förmlich spüren. Wir haben für sie musiziert und mit ihr gesungen, die Frau ist richtig aufgeblüht und lebendig geworden. Das war eine Art Schlüsselerlebnis für mich. Ich habe gesehen, was es bewirken kann, wenn Menschen sich gegenseitig Zeit schenken, auch über ein Medium wie die Musik. Gleichzeitig hat sich das nicht gerecht für mich angefühlt, dass die Frau schon so lange in ihrem Pflegebett liegen musste, mein Gerechtigkeitssinn war geweckt.
Ihr Studium hat Sie dann aber nicht direkt in den sozialen Bereich geführt.
Zanker-Belz: Nein, ich habe zunächst auf Lehramt Musik, Deutsch und Geschichte studiert und dann viele Jahre in Realschulen gearbeitet, am Bodensee und in Stuttgart. Gleichzeitig war ich als Musikvermittlerin tätig – also als jemand, der Projekte zwischen professionellen Orchestern und Schulen konzipiert und initiiert, als ein Beispiel. Später habe ich berufsbegleitend Geragogik, also Pädagogik im Alter, studiert und ganz frisch habe ich meine Hochschulweiterbildung zur Sozialwirtin abgeschlossen. Zum Paritätischen bin ich vor eineinhalb Jahren als Quereinsteigerin gekommen. Ich habe die Ausschreibung gesehen, das hat mich angesprochen, also habe ich mich beworben.
KI kann auch im sozialen Bereich helfen, meint Zanker-Belz
Das klingt, als ob Sie ständig in Bewegung seien. Wie viele Stunden hat Ihr Tag?
Zanker-Belz: Ich bezeichne mich selbst als Generalistin: Mich treibt meine Neugier an. Ich bin gleichzeitig ganz bei mir und ständig in Bewegung, fahre viel mit dem Rad, laufe gern, genieße die Kultur in der Region, engagiere mich ehrenamtlich. Ich brauche jeden Tag Inspiration und sauge alles auf wie eine Raupe. Das gibt mir Energie und ist eine Kraftquelle. Aber klar, auch ich muss Abstriche machen, um das alles unterzubringen. So backe und koche ich selten. Mein Mann ist zum Glück gelernter Konditor und mein Thermomix ist mein bester Freund (lacht).
Zurück zum Bild mit den Brücken. Verstehen Sie, dass einige Menschen auch Angst haben vor der neuen KI-Welt, weil die Brücken zu ihrer alten, geordneten, analogen Welt einzustürzen drohen?
Zanker-Belz: Ja, das verstehe ich. Ich persönlich sehe selten schwarz oder weiß, sondern eher das Verbindende, das Und. Der Mensch steht im Mittelpunkt, und die KI kann uns unterstützen. Wie das gelingen kann und soll, müssen wir gemeinsam aushandeln, ethische Fragen sind dabei ein Dauerthema.
KI-Anwendungsbeispiele für Kitas, Sprachförderung oder Sozialberatung
Haben Sie konkrete Anwendungsbeispiele für KI?
Zanker-Belz: Die Personalnot im sozialen Bereich ist riesig und wird zunehmen. Die KI kann uns da helfen. Beispiel Kindergarten: Wenn es gelingt, Erzieherinnen von einem Teil ihrer administrativen Aufgaben zu entlasten, wäre viel gewonnen. Chatbots könnten viel stärker genutzt werden, um Sprachbarrieren zu überwinden. Die AIM auf dem Bildungscampus hat ein Pilotprojekt mit einem Sprachroboter gestartet, der Schüler bei Lernschwächen unterstützen soll, ein toller Ansatz, der sich auch auf andere Kontexte übertragen lässt. Oder auch in Sozialberatungen, wenn die KI zum Lotsen wird und die Menschen auf dem Weg zur Hilfe durch die Fachkraft unterstützt. In solchen Fällen könnte KI helfen, Hürden zu überwinden und Brücken zu bauen. Aber klar ist im sozialen Bereich auch: Wir können das nicht alleine schaffen, dafür haben wir gar nicht die finanziellen Ressourcen. Auch deshalb setze ich auf starke Netzwerke.

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