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Traubenlese 2024
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Ernüchternde Bilanz: 25 Prozent weniger Württemberger Wein als im Vorjahr

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Der Genossenschaftsverband zieht eine ernüchternde Bilanz der Traubenlese 2024. Die Qualität ist zwar hoch, aber die Menge gering. Zudem stecken viele Winzer tief in der Krise – aus mehreren Gründen.


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"Heute Nacht wird die Lese beendet.“ So ist auf einem Social-Media-Eintrag der Lauffener Weingärtner zu lesen. „Zum Finale alles blitzblank“, postet das Beilsteiner Weingut Gemmrich am Wochenende. Und während sich Bärbel, Martin und Tanja Bauer in Flein auf der Zielgeraden über die Auszeichnung „Bester Württemberger“ in der Kategorie Rosé freuen, ist in der Genossenschaftskellerei Heilbronn für diesen Dienstag der letzte Lesetag angesagt. Insofern glückte dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) eine Punktlandung.

Pünktlich zum Abschluss der Traubenernte zog er am Montag bei der Weinmanufaktur Stuttgart in Untertürkheim eine Bilanz des Weinjahrgangs 2024. So froh die meisten der knapp 8000 Württemberger Wengerter mit ihren Zehntausenden Erntehelfern nach vier bis fünf Wochen harter Arbeit auch sein mögen: Richtig zum Feiern zumute ist den wenigsten. Das hat viele Gründe.

Traubenlese am Neckarsulmer Scheuerberg.
Traubenlese am Neckarsulmer Scheuerberg.  Foto: Kunz, Christiana

Deutlich geringere Erntemenge als erwartet – dafür stimmt die Trauben-Qualität

Nach den Frostschäden von Ende April und dem Mehltau-Druck im Sommer dürfte die Erntemenge im Schnitt 25 Prozent unter dem Vorjahr liegen. Außerdem wird immer weniger Wein getrunken und weniger verkauft, auch wegen allgemeiner Sparzwänge verdienen die Winzer immer weniger. Weil gleichzeitig die Betriebskosten steigen, rentiert sich der Weinbau für viele derzeit nicht mehr. Dr. Ulrich Theileis, in der Nachfolge von Roman Glaser neuer BWGV-Präsident, spricht von einer „dramatischen Lage“, auch wenn er sich zunächst in Zweckoptimismus übt.

Nach einem regenreichen Jahr „ließen die sonnenreichen Spätsommerwochen die Mostgewichte ansteigen und haben zu einer sehr guten Aromareife der Trauben geführt. Verbraucher können sich auf hochwertige Weine freuen,“ so Theileis. „Dies kompensiert die Enttäuschung über eine deutlich geringere Erntemenge als ursprünglich erwartet“, meint er und spricht von Einbußen gegenüber 2022 und 2023 von 25 bis 30 Prozent. Genaue Zahlen für 2024 kann er noch nicht nennen. Der Weinbauverband Württemberg sprach in einer ersten Schätzung von nur 620.000 Hektoliter, über 30 Prozent weniger als im langjährigen Schnitt.

Vor allem die Aprilfröste haben die Weinreben geschädigt, aber auch ein Pilz

Hauptproblem: Mindestens die Hälfte der derzeit noch 11 100 Hektar umfassenden Anbaufläche in Württemberg – gut zwei Drittel decken die 31 Genossenschaften ab – ist Ende April teilweise oder komplett durch Spätfrost geschädigt worden. Besonders stark betroffen waren laut der Horkheimer BWGV-Beraterin Ute Bader Anlagen im Enz-, Tauber- und Jagsttal, im Weinsberger Tal und in den Löwensteiner Bergen. Überall sind insbesondere bei den weißen Rebsorten Ertragseinbußen zu beklagen.

Auffällig ist, dass auch eher weniger frostanfällige Höhen- und Waldrandlagen in Mitleidenschaft gezogen wurden. „Der niederschlagreiche Winter und das warme Frühjahr haben zu einem sehr frühen Austrieb geführt. Dies hat die Frostanfälligkeit erhöht“, erklärt Bader. Dafür zeigten Rebanlagen, die nicht vom Frost betroffen waren, einen raschen und positiven Vegetationsverlauf. Schwer zu schaffen gemacht hätte den Wengertern allerdings bei schwülem Wetter die Pilzkrankheit Falscher Mehltau.


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Überall wird immer weniger Wein getrunken

In Untertürkheim kamen auch aktuelle Wirtschaftsdaten auf den Tisch. Bei den 31 Württemberger WGs lag der Absatz im ersten Halbjahr 2024 mit 23,1 Millionen Litern drei Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums, der Umsatz sank um 6,6 Prozent auf 76,5 Millionen Euro. Dabei hatte es schon 2023 starke Einbrüche gegeben: Der Absatz sank von 65,2 Millionen Liter auf 52,9 Millionen Liter, der Umsatz um satte 25 Prozent auf 176,8 Millionen Euro. Schuld daran sei die schlechte Konsumstimmung, speziell bei Genussgütern wie Wein. Dies habe viele Gründe: Rezession, Inflationsängste, globale Krisen, Krieg in der Ukraine und Nahost, erklärt Uwe Kämpfer von der Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG) in einer Mitteilung.

Laut Marktforscher Nielsen IQ Homescan Panels wurde von Januar bis Juni in Deutschland insgesamt 3,9 Prozent weniger Wein gekauft als im Vorjahreszeitraum, bei deutschen Weinen betrug der Rückgang sogar 4,8 Prozent. Der Umsatz reduzierte sich im ersten Halbjahr indes nur um 0,9 Prozent für Wein gesamt, allerdings fünf Prozent für deutschen Wein. Die Anzahl Wein kaufender Haushalte sank in den ersten sechs Monaten des Jahres auf 42,8 Prozent deutlich gegenüber 45 Prozent im Vorjahreszeitraum.

Nach dem Frühstart Ende August/Anfang September geht die Traubenlese jetzt zu Ende.
Nach dem Frühstart Ende August/Anfang September geht die Traubenlese jetzt zu Ende.  Foto: Kunz, Christiana

BWGV-Präsident vor allem den Lebensmitteleinzelhandel in der Verantwortung

„Die wirtschaftliche Situation für viele Betriebe ist prekär“, so Theileis. Die Produktionskosten seien 2023 um 30 Prozent gestiegen. „In Verbindung mit einem inflationären globalen Wettbewerb sowie rückläufigen Käuferschichten entzieht dies der Branche immer mehr die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Es ist dramatisch“, so der BWGV-Präsident. Das Traubengeld sei inzwischen von einem Euro pro Kilogramm teils auf unter 50 Cent gesunken, heißt es in der Branche. WGs und Weingärtnerfamilien könnten „nicht alles alleine schultern“.

Auch Handel und Verbraucher hätten es in der Hand, wie sich die heimische Weinbranche entwickelt. Dabei sieht der BWGV-Präsident vor allem den Lebensmitteleinzelhandel in der Verantwortung, partnerschaftlich zu agieren und die Betriebe vor Ort bei den Preisverhandlungen und der Zusammenstellung des Sortiments nicht gegen internationale Konkurrenz auszuspielen.

 

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