Christian Lindner: Wir brauchen mehr Wettbewerb an der Ladesäule
Am Sonntag endet die erste IAA Mobility in München. Im Mittelpunkt der Automesse steht die Antriebswende. Dazu fünf Fragen an FDP-Chef Christian Lindner - einem bekennenden, großen Autofan.

Herr Lindner, welches Signal geht von dieser IAA für den Standort Deutschland aus? Die Autobauer zeigen auf breiter Front neue Elektrofahrzeuge und Zukunftsvisionen.
Christian Lindner: Der technologische Fortschritt, der auf der IAA präsentiert wird, ist begeisternd. Er zeigt, dass die Automobilindustrie bei der klimafreundlichen Transformation keine Detailsteuerung durch die Politik benötigt. Wir brauchen einen klaren Ordnungsrahmen und Technologieoffenheit. Welche Zukunftsvision und welche Antriebsart sich am Ende durchsetzt, können Ingenieure, Techniker und Verbraucher viel besser entscheiden als Politiker am sprichwörtlich grünen Tisch. Statt über Verbote und Einschränkungen zu sprechen, sollte die Politik daher endlich Verlässlichkeit schaffen, um Anreize für Innovationen zu setzen, wie wir sie heute bereits bei der IAA bestaunen können.
Täuscht der Eindruck, dass einerseits die Industrie Milliarden in den Umstieg auf neue Antriebsarten investiert, die Bürger zum Kauf solcher Autos auch animiert werden, auf der anderen Seite aber immer mehr Straßen für Autos dicht gemacht werden?
Lindner: Die deutsche Verkehrs- und Klimapolitik ist an vielen Stellen widersprüchlich. Wer Fahrverbote und autofreie Zonen will, statt innovative Antriebe zu fördern oder etwa moderne Entwicklungen wie Car-Sharing zu unterstützen, dem geht es nicht um den Klimaschutz, sondern um die Durchsetzung des eigenen Gesellschaftsbildes. Wir sind konkret gegen das Verbot des Verbrennungsmotors, weil er auch klimaneutral betrieben werden kann. Es darf keine einseitige Fixierung auf den batterieelektrischen Antrieb geben.
Nennen Sie bitte Beispiele.
Lindner: BMW zum Beispiel hält die Option Wasserstoff offen, Porsche synthetische Kraftstoffe. Beides verdient eine Chance. Zudem erlauben diese Energieträger auch den Import von Energie. Klimafreundliche Flüssigkraftstoffe können bald schon wirtschaftlich in Ländern wie Chile produziert und zu uns exportiert werden. Auch bei der konkreten Förderung werden falsche Akzente gesetzt: Subventionen für Elektro-Autos zum Beispiel nutzen Gutverdienern, die ohnehin einen Kauf geplant haben. Niemand wird mit einem teuren Zuschuss überzeugt, wenn gleichzeitig die Ladeinfrastruktur fehlt.
Ist die Autobranche mutiger als die Politik? Wird gar der Fortschritt in der Industrie nicht ausreichend gewürdigt?
Lindner: Die Tatsache, dass sich die Automobilindustrie aus eigenem Antrieb umzustellen beginnt, scheint mit dem Weltbild mancher Politiker zu kollidieren. Die Kanzlerkandidatin der Grünen war sich in ihrer letzten Bundestagsrede selbst nicht sicher, ob sie nun den Markt verdammen oder der Politik vorwerfen soll, dass sie mit den Entwicklungen in der Wirtschaft nicht Schritt hält. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft nicht mit Verboten und staatlicher Lenkung, sondern mit Respekt für technischen Fortschritt, mit Innovationskraft und Technologieoffenheit meistern können. Gemeinsam mit unserer leistungsfähigen Industrie müssen wir Klimaschutz „made in Germany“ zu einem Exportschlager machen.
Wie können Fortschritte beim Thema Mangel an Ladesäulen erzielt werden? Ist aus Ihrer Sicht zudem ein einheitliches Bezahlsystem notwendig?
Lindner: An staatlichen Geldern fehlt es nicht. Wie so oft bremsen lange Genehmigungsverfahren, Bürokratie und unnötige Regulierung. In vielen Kommunen kommt es zudem zu einer starken Konzentration einzelner Anbieter. Das nimmt Verbrauchern Wahlfreiheit, treibt die Preise in Höhe und schwächt Anreize für einen schnellen Ausbau durch die Privatwirtschaft. Wir brauchen mehr Wettbewerb an der Ladesäule: Wer Ladestrom kaufen will, muss einen diskriminierungsfreien Zugang zu verschiedenen Anbietern erhalten. Wenn dann ein fairer Wettbewerb gewährleistet ist, können wir auch in der Frage der Bezahlsysteme auf die Anbieter vertrauen. Wenn dann bei den Kunden der Wunsch nach Kartenzahlung besteht, schafft die Nachfrage das Angebot.